Hamiltonoperator

Hamiltonoperator

Der Hamiltonoperator \hat H bestimmt in der Quantenmechanik die Zeitentwicklung und die möglichen Energiemesswerte des zugehörigen physikalischen Systems, beispielsweise des Elektrons im Wasserstoffatom. Er ist nach William Rowan Hamilton benannt, auf den die hamiltonsche Formulierung der Mechanik zurückgeht, in der die Hamilton-Funktion die Zeitentwicklung und die Energie bestimmt.

Inhaltsverzeichnis

Zeitentwicklung und Energie

In der Quantenmechanik wird jeder Zustand des betrachteten physikalischen Systems durch einen zugehörigen Vektor ψ im Hilbertraum angegeben. Seine Zeitentwicklung wird nach der Schrödingergleichung durch den Hamiltonoperator \hat H bestimmt:

\mathrm i \,\hbar {\partial\over\partial t} \, \psi (t) =
\hat H \,\psi (t)

Man erhält den Hamiltonoperator in vielen Fällen aus der Hamiltonfunktion \mathcal H(t,x,p) des entsprechenden klassischen Systems durch sogenannte kanonische Quantisierung, indem man den algebraischen Ausdruck für die Hamilton-Funktion als Funktion von Operatoren \hat x und \hat p liest, die den kanonischen Vertauschungsrelationen genügen. Dies ist allerdings nicht eindeutig, da die Funktion x\,p -p\,x den Wert 0 hat, die Operatorfunktion \hat x\, \hat p - \hat p\, \hat x aber den Wert \mathrm i \hbar . Zudem ist  x \, p reell, aber \hat x\, \hat p nicht hermitesch. Außerdem gibt es quantenmechanische Größen wie den Spin, die in der klassischen Physik nicht auftreten. Wie sie sich auf die Zeitentwicklung auswirken, folgt nicht aus Analogien mit der klassischen Physik, sondern muss aus den physikalischen Befunden erschlossen werden.

Die Eigenwertgleichung \hat H \varphi_E = E \varphi_E bestimmt die Eigenvektoren φE des Hamiltonoperators. Sie sind bei zeitunabhängigem Hamiltonoperator stationär, das heißt, in jeder beobachtbaren Eigenschaft zeitunabhängig. Die Eigenwerte E sind die zugehörigen Energien. Da der Hamiltonoperator hermitesch (genauer wesentlich selbstadjungiert) ist, besagt der Spektralsatz, dass die Energien reell sind und dass die Eigenvektoren eine Basis des Hilbertraums bilden (genauer, dass es eine zugehörige spektrale Zerlegung gibt). Je nach System kann das Energiespektrum diskret oder kontinuierlich sein. Manche Systeme, zum Beispiel das Wasserstoffatom oder ein Teilchen im Potentialtopf, haben ein nach unten beschränktes, diskretes Spektrum und darüber ein Kontinuum möglicher Energien.

Der Hamiltonoperator erzeugt die unitäre Zeitentwicklung. Falls für alle Zeiten τ und τ' zwischen t0 und t der Hamiltonoperator H(τ) mit H(τ') kommutiert, so bewirkt

\hat U(t,t_0) = \exp\left(-\frac{\mathrm i}{\hbar}\int_{t_0}^t\hat H(\tau)\,\mathrm d\tau\right)

die unitäre Abbildung jedes anfänglichen Zustandes ψ(t0) auf den zugehörigen Zustand ψ(t) = U(t,t0)ψ(t0) zur Zeit t .

Falls der Hamiltonoperator nicht von der Zeit abhängt, vereinfacht sich dies zu

\hat U(t,t_0) = \exp\left(-\frac{\mathrm i}{\hbar}(t - t_0)\hat H\right) .

Operatoren, die mit \hat H vertauschen, sind bei zeitunabhängigem Hamiltonoperator Erhaltungsgrößen des Systems. Insbesondere ist dann die Energie eine Erhaltungsgröße.

Quantenmechanisches Teilchen im Potential

Aus der Hamiltonfunktion

\mathcal{H}\left({\mathbf{x}},{\mathbf{p}}\right)=
\frac{{\mathbf{p}}^2}{2\,m}+V({\mathbf{x}})

für ein nichtrelativistisches Teilchen der Masse m, das sich im Potential V(\mathbf x) bewegt, kann ein Hamiltonoperator abgelesen werden. Im Hamiltonoperator werden die Ausdrücke für den Impuls und das Potential durch Operatoren ersetzt:

\hat{H} = \frac{\hat{\mathbf{p}}^2}{2\,m}+V(\hat{\mathbf{x}})

In der Ortsdarstellung wirkt der Impulsoperator \hat{\mathbf{p}} als Ableitung -\mathrm i\hbar\tfrac{\partial}{\partial \mathbf{x}} und der Operator V(\hat{\mathbf{x}}) entspricht einer Multiplikation mit der Funktion V(\mathbf{x}) . Die Anwendung des Hamiltonoperators eines Punktteilchens der Masse m im Potential V(\mathbf{x}) wirkt sich demnach auf die Ortswellenfunktion Ψ des Teilchens durch

\hat{H}\Psi(\mathbf x)=\Bigl(-\frac{\hbar^2}{2\,m}\Delta+V(\mathbf{x})\Bigr)\Psi(\mathbf x)

aus. Hierbei ist \Delta = \tfrac{\partial^2}{\partial x^2} + \tfrac{\partial^2}{\partial y^2} + \tfrac{\partial^2}{\partial z^2} der Laplace-Operator.

Die Schrödingergleichung lautet somit

\mathrm i\,\hbar\, \frac{\partial}{\partial t}\Psi(t,\mathbf x) = 
-\frac{\hbar^2}{2\, m}\Delta\Psi(t,\mathbf x) + V(\mathbf x)\Psi(t,\mathbf x) .

Diese Schrödingergleichung einer Punktmasse im Potential ist die Grundlage zur Erklärung des Tunneleffekts. Sie liefert bei Einsetzen des Coulombpotentials (als Potential für die Wechselwirkung zwischen einem Elektron und einem Proton) die Spektrallinien des Wasserstoff-Atoms. Durch Einsetzen entsprechender Potentiale können auch die Spektrallinien anderer leichter Atome berechnet werden.

Eindimensionaler harmonischer Oszillator

Analog erhält man für den quantenmechanischen harmonischen Oszillator, der sich nur längs einer Linie bewegen kann, den Hamiltonoperator

\hat H=-\frac{\hbar^2}{2m}\frac{\partial^2}{\partial x^2}
+\frac{1}{2}m\,\omega^2\, x^2 .

Die Energien lassen sich algebraisch bestimmen. Man erhält

E_n= n\,\hbar\omega+E_0\ ,\quad n\in\{0,1,2,\dots\} .

Es handelt sich dabei um dieselben Energien wie die eines Grundzustandes mit Energie E0, dem n-fach ein Quant der Energie \hbar\,\omega hinzugefügt wurde.

Spin im Magnetfeld

Zum Spin \mathbf S eines Elektrons, das an ein Atom gebunden ist und sich in einem ungepaarten Zustand (allein in der Elektronenwolke) im Magnetfeld \mathbf B befindet, gehört der Hamiltonoperator

\hat H = -\gamma \frac{\mathbf S}{\hbar} \cdot \mathbf B .

Dabei ist γ das gyromagnetische Verhältnis des Elektrons und \mathbf S der Spinoperator. Da der Spin in Richtung des Magnetfeldes nur die Eigenwerte \hbar/2 oder - \hbar/2 annehmen kann, sind die möglichen Energien \pm \frac{\gamma}{2}\,|\mathbf B| . Im inhomogenen Magnetfeld des Stern-Gerlach-Versuchs spaltet daher ein Teilchenstrahl aus Silberatomen in zwei Teilstrahlen auf.

Geladenes, spinloses Teilchen im elektromagnetischen Feld

Den Hamiltonoperator eines Teilchen mit Ladung q in einem äußeren elektromagnetischen Feld erhält man durch minimale Substitution

\hat{H} = \frac{1}{2m}\bigl(\hat{\mathbf{p}} - q \mathbf{A}(t,\hat{\mathbf{x}})\bigr)^2 + q \varphi(t,\hat{\mathbf{x}}) .

Hier bezeichnet q die Ladung, \varphi(t,\hat{\mathbf{x}}) das skalare Potential und \mathbf{A}(t,\hat{\mathbf{x}}) das Vektorpotential. Beim Ausmultiplizieren der Klammer ist zu beachten, dass die Operatoren \hat{\mathbf{p}} und \mathbf{A}(t,\hat{\mathbf{x}}) nur bei Coulomb-Eichung vertauschen. Der Operator \hat{\mathbf{p}} ist die Observable zum generalisierten Impuls

\mathbf{p} =m \mathbf{v} + q \mathbf{A}(t, \mathbf{x}) ,

wobei hier \mathbf{v} die Teilchengeschwindigkeit ist.


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