- Umkhonto we Sizwe
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Umkhonto We Sizwe (Abkürzung MK; Zulu: „Der Speer der Nation“) war der militärische Arm der Organisation African National Congress (ANC), der sich gegen die Apartheid in Südafrika einsetzte. Das Symbol des Speers wurde gewählt, weil schwarze Afrikaner mit dieser einfachen Waffe jahrhundertelang Kriege geführt haben. Der MK wurde am 16. Dezember 1961 vom ANC und der South African Communist Party (SACP) gegründet und führte vor allem Sabotageaktionen gegen das Apartheidsregime durch.
Inhaltsverzeichnis
Gründung
Umkhonto We Sizwe entstand 1961 aus einer langen Tradition des unbewaffneten Widerstandes des African National Congress (ANC) und seiner Alliierten. In den 1940er und 50er Jahren fanden Massenkundgebungen und Streiks gegen die Rassengesetze der Apartheidregierung statt, in den 1960er Jahren öffentliche Verbrennungen von Ausweispapieren („Pass-burning“), welche die Bewegungsfreiheit nicht-weißer Südafrikaner einschränkten. Diese verhaltene Form der Auflehnung wurde im politischen Klima jener Zeit, welches eine gewisse politische Mitbestimmung schwarzer, farbiger und indischer Südafrikaner erlaubte, toleriert. Zu einem gewissen Anteil ergab sie sich auch aus dem sowohl juristisch, als auch christlich geprägten Führungsstil der ANC-Eliten.
Dem Sharpeville-Massaker 1960 und dem damit verbundenen Verbot des ANC und anderer wichtiger schwarzer Widerstandsbewegungen folgte eine lebhafte Debatte innerhalb des ANC hinsichtlich der Zukunft des gewaltlosen Widerstands. Da die Meinungen geteilt blieben, wurde der neu gegründete MK zunächst nicht mit dem ANC in Verbindung gesetzt.
Die erste Phase des bewaffneten Kampfes galt vor allem der „selektiven Sabotage“ militärischer, industrieller und ziviler Ziele. Diese Form des Kampfes wurde laut Nelson Mandela gewählt, da der Verlust von Leben „Verbitterung“ erzeuge und einer gemischt-rassischen Demokratie der Zukunft im Wege stehen könnte. Über ein Jahr lang wurden Passbehörden („pass offices“), Strommasten und Polizeiwachen mit einfachsten Mitteln wie selbstgebauten Sprengstoffen angegriffen. Der Staat wurde zunächst überrascht, ergriff aber Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen, um der Bedrohung entgegen zu treten. So wurden Anti-Terror-Gesetze (Sabotage Act und Unlawful Organisations Act) verabschiedet, Geheimdienste gegründet und ihre Mitglieder zur Ausbildung nach Deutschland, England und in die USA entsandt. MK hatte diese Entwicklung vorausgesehen und ihrerseits Oliver Tambo damit betraut eine Vertretung im Ausland zu gründen, um einerseits für internationale Unterstützung zu werben, und andererseits um militärische Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb Südafrikas sicher zu stellen.
Rivonia
Nicht einmal 18 Monate nach ihrer Gründung wurde fast die gesamte Führung des MK auf einer Farm außerhalb Johannesburgs verhaftet und in einem aufwändigen Gerichtsverfahren („Rivonia-Prozess“) zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. In der Zeit nach dem Prozess konzentrierte sich der ANC darauf, ihre externe Infrastruktur auszubauen und die militärische Ausbildung der jungen Guerillaarmee zu sichern. Anfänglich erfolgte die Ausbildung in Algerien (wo auch Mandela ausgebildet wurde), Tansania und der Sowjetunion. In den folgenden Jahren fand eine Ausdehnung auf beinahe alle sozialistischen und eine Reihe afrikanischer Länder statt.
1964 hatte der MK mehrere Hundert Soldaten im Exil ausgebildet, deren Einschleusung durch das Fehlen verbündeter, an Südafrika grenzender Staaten allerdings Probleme bereitete. Südrhodesien, Betschuanaland, Basutoland, Swasiland und Mosambik wurden entweder selbst durch weiße Siedlerregimes kontrolliert oder waren wirtschaftlich in hohem Maße von Südafrika abhängig. Die frühe Zerschlagung und Internierung der MK-Führungskader erschwerte dieses Vorhaben zusätzlich.
1965 ging der ANC eine Allianz mit der Zimbabwe African Peoples Union (ZAPU) in Simbabwe und ihrem militärischen Flügel ZIRPA ein. Beide Organisationen hatten engen Kontakt zur Sowjetunion, von der sie militärisch unterstützt wurden. Gestärkt wurde diese Verbindung durch ethnische Gemeinsamkeiten und durch die Tatsache, dass beide Gruppierungen ihre Anhänger vornehmlich aus urbanen Regionen rekrutierten.
Wankie und Sipolilo
In den folgenden zwei Jahren unternahmen MK und ZIPRA ausgiebige Erkundungsmissionen in Simbabwe, um eine groß angelegte Infiltration vorzubereiten. Am 30. Juli 1967 überquerte eine gemeinsame Einheit aus MK und ZIRPA den Zambezi-Fluss. Das MK-Kontingent (als „Luthuli-Detachment“ bekannt) sollte Rhodesien an der westlichen Flanke passieren und Südafrika im nördlichen Transvaal erreichen. Die gemeinsame Einheit wurde allerdings frühzeitig von rhodesischen Sicherheitskräften aufgespürt und in eine Reihe von Kämpfen in den Wankie- und Sipolilo-Regionen verwickelt. Die Entschlossenheit, mit der die Rebellenarmee trotz hoher Verluste kämpfte, zwang den Präsidenten Südrhodesiens Ian Smith dazu, Unterstützung aus Südafrika anzufordern. Präsident Vorster schickte Einheiten der südafrikanischen Polizei und genehmigte inoffizielle Einsätze des südafrikanischen Militärs (SADF) in Simbabwe.
Militärische Aktionen des MK in Südafrika beschränkten sich bis in der frühen Siebzigerjahre auf ein Minimum. Der Fokus wurde auf den Wiederaufbau der Kommandostrukturen und der weiteren Ausbildung ihrer Kader im Ausland gelegt. An sowjetischen Militärakademien konnten diese nun auch eine spezialisiertere Ausbildung in den Bereichen Kommunikations- und Ingenieurswesen erhalten. Dieses Vorgehen führte zu einer Vermengung sowjetisch geprägter militärischer Taktik und Ausbildung mit den Eigenschaften einer klassischen Guerillaarmee mit flachen Hierarchien und autark agierenden Einheiten.
Studentensoldaten
Mitte der 1970er Jahre wendeten sich die Umstände zugunsten des MK: Die Aufstände im Jahr 1976 hatten zur Folge, dass viele Tausend Studenten Südafrika verließen, um sich dem MK anzuschließen. Diese Einheit („June 16th Detachment“) sollte eine neue Phase im bewaffneten Kampf einläuten. Das Training erfolgte in den neuerlich unabhängig gewordenen Ländern Angola und Mosambik und beinhaltete eine gleichermaßen politische wie militärische Ausbildung. Hunderte Rekruten wurden außerdem zur spezialisierten Ausbildung ins Ausland entsandt. Bereits 1977 konnten hunderte Kämpfer nach Südafrika zurückgeschleust werden.
Trotz der nun gestärkten Infrastruktur im Land beschränkten sich MK-Aktionen auf „bewaffnete Propaganda“, bei denen die verschiedenen Massenkundgebungen des ANC durch gezielte Angriffe auf Symbole der Apartheid (z. B. Polizeiwachen, Bahnhöfe oder Regierungsgebäude) unterstützt werden sollten. In den Jahren 1977–80 wurden Polizeiwachen in Booysens, Soweto und Sooekemaar angegriffen, bei Derdepoort und Rustenberg wurden MK-Kämpfer in offene Gefechte mit der Polizei verwickelt. Die Festnahmen von MK-Mitgliedern häuften sich. Die südafrikanische Luftwaffe (SAAF) begann in dieser Zeit neben Angriffen auf SWAPO-Rebellen in Namibia, regelmäßig Stützpunkte des MK im südlichen Angola anzugreifen, so dass diese in den Norden des Landes verlegt werden mussten.
SASOL: Spezialkräfte
Mit Beginn der 1980er Jahre wurde die zunehmende Entwicklung in Richtung komplexer Sabotageaktionen des MK deutlich. Im Juni 1980 griff eine Einheit von MK-Spezialkräften („Solomon Mahlangu Detachment“) eine Ölraffinerie des staatlichen Konzerns Sasol an. Dabei entstand ein Sachschaden von ca. 66 Millionen Rand. 1981 wurden in Einklang mit den politischen Aktionen des ANC strategische Ziele wie das ESCOM-Kraftwerk im Transvaal, militärische und polizeiliche Einrichtungen und Regierungsgebäude angegriffen. Am 9. August 1981 erfolgte ein dramatischer Angriff auf den Militärstützpunkt Voortrekkerhoogte nahe Pretoria. Dabei feuerten MK-Spezialkräfte von Positionen innerhalb des Geländes fünf 122mm-Raketen ab und trafen mehrere Ziele. Ein Treibstoffdepot wurde nur knapp verfehlt.
1982 explodierten innerhalb von zwölf Stunden mehrere Sprengkörper innerhalb der Sicherheitszone des Kernkraftwerks Koeberg bei Kapstadt. Im Mai 1983 wurde das Hauptquartier der Südafrikanischen Luftwaffe (SAAF) und des Militärgeheimdienstes in Pretoria durch eine Autobombe stark beschädigt. Dabei kamen 21 Militärangehörige und Zivilisten ums Leben, 217 wurden verletzt. Dieser Anschlag signalisierte eine Abkehr von symbolischen Militäraktionen. In Einklang mit dieser taktischen Veränderung erklärte der ANC, dass man die Unversehrtheit von Zivilisten, die in das Kreuzfeuer geraten, nicht garantieren könne. Dennoch wurde, wie in der Vergangenheit, betont, dass weiße Zivilisten nicht Ziele von Angriffen seien.
Vor dem Hintergrund der komplexen politischen und militärischen Situation im südlichen Afrika fand bei der Kabwe-Konferenz in Sambia 1985 ein Überprüfung der Strategie des MK statt. Dabei wurden drei Problembereiche identifiziert:
- Dadurch, dass der Fokus der Militäroperation auf urbanen Regionen lag, wurden ländliche Gebiete vernachlässigt. Dort hatte der Staat durch Einflussnahme auf Stammesführer und Gründung von Homelands seine Kontrolle gefestigt.
- MK-Aktionen beschränkten sich zu sehr auf „bewaffnete Propaganda“. Gefordert wurde der Übergang in eine Volksarmee.
- Die Definition eines „legitimen militärischen Zieles“ musste neu formuliert werden. Dazu wurden die direkte Konfrontation von SADF/SAP und das Tragen des Konfliktes in weiße Gebiete gefordert. Dazu sollten bspw. weiße Farmer, welche die südafrikanischen Streitkräfte unterstützten, gezielt angegriffen werden. Die weiße Zivilbevölkerung sollte weiterhin geschont werden.
Ausnahmezustand (1985–1989)
Der Verhängung des Ausnahmezustands 1985 folgte in den Jahren bis 1987 die Festnahme von zehntausenden Aktivisten. Trotzdem konnte ein Anstieg der MK-Aktivitäten sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen verzeichnet werden. 1987 kamen vier Polizisten ums Leben, als eine Autobombe vor dem Amtsgericht in Johannesburg gezündet wurde. Weitere Anschläge erfolgten auf militärische Ziele in vornehmlich weißen Gebieten. 1989 erfolgte die wahrscheinlich dramatischste Operation von MK in einer ländlichen Region. Eine größere Einheit von Spezialkräften mit Granatwerfern startete einen koordinierten Angriff auf eine geheime Radaranlage der SAAF in Klippan im westlichen Transvaal. Die Planung und Koordination dieses Angriffes zeigte die Fähigkeit des MK-Nachrichtendienstes MKIZA.
Auslandseinsatz
Trotz der Schwierigkeiten, den bewaffneten Kampf innerhalb Südafrikas zu organisieren, war MK im Verlauf ihrer Geschichte auch an Kampfhandlungen in anderen Ländern beteiligt. Neben den Erfahrungen in Rhodesien 1967/68 kämpfte MK in den frühen Siebzigerjahren an der Seite von FRELIMO in Mosambik und bis zur Unabhängigkeit Simbabwes neben ZIRPA-Truppen. 1987–89 unterstützen MK-Truppen die angolanische MPLA im Kampf gegen Jonas Savimibis UNITA-Rebellen.
Auflösung
Am 1. August 1990 legte der MK nach 29 Jahren die Waffen nieder und wurde 1994 in die neu gegründete South African National Defence Force (SANDF) integriert. Ende 1998 bestand SANDF zu 16 Prozent aus ehemaligen MK-Soldaten.
Prominente Mitglieder des MK
- Nelson Mandela
- Govan Mbeki, Gründungsmitglied des ANC und Vater des späteren Präsidenten Thabo Mbeki
- Ronnie Kasrils, Gründungsmitglied des MK und seit 2004 Minister for Nachrichten- und Geheimdienste
- Walter Sisulu
- Denis Goldberg
- Tatamkhulu Afrika, südafrikanischer Schriftsteller und Dichter
- Chris Hani, Stabschef des MK; später Führer der SACP
- Jacob Zuma, später Vizepräsident von Südafrika
- Tokyo Sexwale, später Präsident der Provinz Gauteng und prominenter Geschäftsmann
- Zola Maseko, südafrikanischer Filmemacher
- Walter Mkwayi, eine Zeitlang Anführer des MK
- Johannes Modise, späterer südafrikanischer Verteidigungsminister (1994–1999)
Literatur
- Nelson Mandela: Der lange Weg zur Freiheit. Autobiographie. Verlag S. Fischer 1994, ISBN 3-10-047404-X.
Weblinks
- The other armies: A brief historical overview of Umkhonto We Sizwe (MK), 1961–1994. The South African Military History Society (Military History Journal – Vol 11 No 5).
- Hintergründe
- Sammlung von MK-Dokumenten
- „Cape Town – Journey of Remembrance“: Ehemalige Freiheitskämpfer des MK erinnern an den Kampf gegen die Apartheid und erzählen ihre Geschichte auf einer Tour durch die Stadt.
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