Urbs Vetus

Urbs Vetus
Orvieto
Orvieto (Italien)
DMS
Orvieto
Staat: Italien
Region: Umbrien
Provinz: Terni (TR)
Koordinaten: 42° 43′ N, 12° 6′ O42.71666666666712.1325Koordinaten: 42° 43′ 0″ N, 12° 6′ 0″ O
Höhe: 325 m s.l.m.
Fläche: 281 km²
Einwohner: 20.884 (2005)
Bevölkerungsdichte: 74 Einw./km²
Postleitzahl: 05018
Vorwahl: 0763
ISTAT-Nummer: 055023
Demonym: Orvietani
Schutzpatron: San Giuseppe
Website: Orvieto

Orvieto ist eine Stadt im Südwesten Umbriens in der Provinz Terni in Italien.

Inhaltsverzeichnis

Geografie

Die gesamte Altstadt ist auf einem Felsplateau aus Tuffgestein errichtet. Dieser Stadtfelsen ist von einem Labyrinth von Kellern, Gängen und riesigen Zisternen durchzogen, von dem ein kleiner Teil wieder für die Besichtigung erschlossen wurde. Zahlreiche in Straßenzeilen angeordnete etruskische Gräber finden sich direkt unterhalb des Stadtfelsens, und auf den Hängen gegenüber der Stadt gab es Grabstätten mit Ausmalung.

Geschichte

Es wird vermutet, dass Orvieto (Urbs Vetus = alte Stadt) der mittelalterliche Name und Standort der etruskischen Stadt Velzna (römisch Volsinii) ist, einer der zwölf Bundeshauptstädte des etruskischen Reiches. Dies ist jedoch nicht gesichert.

Velzna wurde nach einem Sklavenaufstand 264 v. Chr. durch Marcus Fulvius Flaccus erobert. Die Römer zwangen die Überlebenden, sich in einer weniger zu befestigenden Lage in Volsinii Novi am Bolsenasee anzusiedeln, dem heutigen Bolsena.

Orvieto war zeitweise Residenz der Päpste des Mittelalters. Clemens VII. musste hierher 1527 fliehen, nachdem Rom zerstört worden war.

Der Dom

Kathedrale
Orvieto, Stadtansicht
Blick auf Orvieto
Der Dom von Orvieto
Kathedrale, Innenansicht
Kathedrale, Fassade, Detail

Durch die Lage der Stadt ist das wichtigste Gebäude, der Dom, schon von Weitem zu erkennen. Anlass, den Dom zu bauen, war das Blutwunder im nahe gelegenen Städtchen Bolsena im Jahr 1263, bei dem aus einer Hostie während der Wandlung Blut getropft sein soll. Dieses Blutwunder bildete die Grundlage des Fronleichnamsfestes. In einer Seitenkapelle des Doms wird das mit dem Blut getränkte Altartuch als Reliquie aufbewahrt. Des Weiteren findet sich im Gebäude das Meisterwerk Luca Signorellis (1445/50-1523): das Fresko des Jüngsten Gerichts aus dem Jahre 1499.

Der Dom gehört zu der großen Anzahl bedeutender Bauwerke, die im ausgehenden 13. Jhd. geplant wurden. Er wurde 1288 wahrscheinlich unter Arnolfo di Cambio (1240-1302) begonnen, der einige Jahre später den Dom und den Palazzo Vecchio von Florenz bauen sollte. 1308 war der Rohbau ohne Dach und Fassade fertig. Die wurde nach Zeichnungen von Lorenzo Maitani im 14. Jhd. vollendet.

Die Datierung der Fassade wird in der Wissenschaft zwischen 1290 und 1310 hin und her geschoben. Eine genaue Datierung ist bedeutend, um auf eine mögliche Abhängigkeit von Siena zu schließen. Eine neuere Untersuchung belegt eine Datierung auf die Jahre vor 1300.[1]

Orvieto und seine Bauhütte nahmen auf die klassisch-römische Bildhauerei Bezug: in der ersten Phase auf hadrianisch-konstantinische Werke, in der zweiten auf die durch den Namen von Lorenzo Maitani verkörperte Phase der Bildhauerei der Trajanssäule in Rom. Die vorbildliche Funktion der klassischen Hauptstadt erklärt sich u. a. auch durch das Interesse der Päpste am Bau der Kathedrale von Orvieto, wie sie sich durch Jahrzehnte belegen lässt. Manches Widersprüchliche an den Fassadenreliefs lässt sich durch die Einwirkung östlicher Ikonographie erklären.

Dementsprechend hängt diese Fassade auch weniger von Siena ab, sondern es lassen sich Beziehungen zum nordalpinen Raum nachweisen, die nach Straßburg führen. Meister aus dem Norden haben nachweislich auch in Orvieto gearbeitet. Auch hier wurde also - wie schon in Siena - mit Skulpturen nach französischem Vorbild gearbeitet, jedoch mit größerer Betonung der Fläche, wie es der italienischen Tradition und besonders der umbrischen eher entspricht.[2] Dekoriert ist die Fassade daher nur mit Flachreliefs und Mosaiken, die die glatte Fläche möglichst undurchlässig bleiben lassen.

Die einzelnen Dekorationen der Fassade sind sehr zartgliedrig gearbeitet. Die Fensterrose des 14. Jahrhunderts (1354 von Andrea Arcagna) ist an den oberen Seiten von einem Skulpturenfries umzogen, der aber nicht so plastisch hervortritt wie in Siena und der streng in die geometrische Rechteckform eingebunden ist, wie es auch in Assisi zu sehen ist.

  • 1354–1366: Rose (Andrea Arcagna)
  • 1373–1380: seitliche Fassadengiebel
  • 1513–1532: mittlere Fassadengiebel
  • Ende 16.–17. Jhd.: Fassadentürme und Mosaiken

Wandreliefs

Die Wandreliefs in der Sockelzone sind mittlerweile gegen Berührung hinter Glas geschützt. Ein unbekannter Künstler hat sie ab 1310/20 auf einer Fläche von 112 m² angebracht. Ihr Thema ist die Entstehungsgeschichte des Menschen, das Geheimnis der Erlösung und seine Endbestimmung. Auffallend und typisch für die umbrische Kunst ist der zarte, lyrische, weiche Charakter der Dargestellten. „Es kommt keine Antithese von Hochrelief und Grund auf. Ideal, homogen und undurchdringlich wie ein Goldgrund breitet sich hier die Folie aus.“ (Keller S. 414–415) Es handelt sich um sehr detailfreudige und sorgfältige Darstellungen, die sich nur deshalb in dieser unveränderten Präzision an einer Außenwand seit 1320 gehalten haben, weil die Luft in Umbrien immer schon sehr gut war und ist.

Außenansicht und Innenraum

Die südliche Außenwand des Domes zeigt die typische waagerechte Schwarz-Weiß-Schichtung wie in Siena. Und auch hier hat die Fassade ein deutliches Eigenleben gegenüber dem dahinter liegenden Kirchenbau. Die gleiche Dekoration bestimmt auch den Innenraum, der auch etwas an Siena erinnert, aber nicht ganz so prachtvoll ist. Aber Orvieto hat kein steinernes Gewölbe, sondern eine hölzerne Flachdecke. Das Dach wurde 1881–90 zur 500-Jahr-Feier neu gestaltet. Die Seitenschiff-Wände waren oberhalb von zwei Metern ursprünglich weiß gestrichen, um dort Fresken anbringen zu können. Die heutige Streifung wurde erst 1890/91 in Angleichung an das Mittelschiff aufgemalt. Dieser Innenraum ist reichhaltig mit Fresken ausgestattet.

In der Apsis zeigen Fresken des 14. Jahrhunderts Episoden aus dem Lebens Marias (Schule von Orvieto: Ugolino di Prete Ilario und Pietro di Duccio 1370/1380; 1491–97 von Giacomo da Bologna, Pinturicchio und Antonio da Viterbo, genannt Pastura, restauriert).

Die Pietà, 1570–79 von Ippolito Scalza (1532–1617) geschaffen, wurde aus einem einzigen Block gemeißelt.

Die Cappella Nuova und der Freskenzyklus von Luca Signorelli

Die Auferstehung
Die Auserwählten
Die Grablegung Christi

Besonders erwähnenswert und für die Geschichte der italienischen Malerei von großer Bedeutung ist die berühmte Cappella Nuova mit dem großen Freskenzyklus Luca Signorellis mit dem Thema der Geschichte des Antichristen - Das Ende der Welt (oder Die vier letzten Dinge: Tod, Gericht, Hölle und Himmel), das er ab 1499 malte. Signorelli hatte unmittelbar davor einige Fresken in der Abtei Monte Oliveto gemalt. Er hat hier in Orvieto die drei Wände und die Gewölbefelder der Kapelle ausgemalt. Es handelt sich jeweils um eine ungeheuer figurenreiche Komposition.

Signorelli hat bei der Ausmalung dieser Kapelle Studien nach antiken Bildwerken benutzt. Jede Figur ist deutlich hervorgehoben. Er ging hier über die Möglichkeiten seines Lehrers Piero della Francescas hinaus und fand Gestaltungsmittel, die von Michelangelo, besonders in seinem Jüngsten Gericht in der Sixtinischen Kapelle in Rom, und später von der Barockmalerei aufgegriffen wurden.[3]

Besonders die Anatomie des menschlichen Körpers und seine verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten werden dargestellt. Das Gleiche hat Michelangelo an der Decke der Sixtinischen Kapelle wiederholt, allerdings – wie man zugeben muss – mit weniger kühlem Akademismus und mit größerer Genialität. Solche Bewegungsstudien waren damals in der Malerei sehr beliebt. In Monte Oliveto zeigen die zeitgleichen Fresken ebenfalls von Signorelli und von Sodoma die gleichen Probleme.

  • Szene Die Krönung der Auserwählten: Mit deutlichen Gesten bringen die Menschen Gott ihre Dankbarkeit zum Ausdruck.
  • Szene Geschichte des Antichristen: In diesem Ausschnitt sieht man den Antichristen selber mit einem Teufel als Einsager, als böse Stimme der Verführung. Er steht auf einem Postament und redet zu den Menschen.
  • Am linken Rand dieses Feldes gibt es ein Selbstbildnis Signorellis zusammen mit Fra Angelico aus Florenz.

Luca Signorelli stand sehr unter dem Einfluss der Florentiner Malerei und deren Betonung des disegno, also der genauen Zeichnung. Die Farbe spielt keine zentrale Rolle in der Gestaltung des Themas, auch wenn das auf den ersten Blick anders aussieht. Es gibt zwar starke Farbkontraste, aber die einzelnen Figuren werden eindeutig mehr durch zeichnerische Elemente bestimmt als durch farbige und malerische Mittel.

Pozzo di San Patrizio

Pozzo San Patrizio

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der von Sangallo d. J. 1527 fertiggestellte Brunnen Pozzo di San Patrizio (Tiefe 58,5 m, Durchmesser 4,7 m), um den ein Zugangsweg in Form einer Doppelspirale angelegt wurde, wo die Esel mit ihren Wasserlasten, ohne sich zu begegnen, hinab- und wieder hinaufsteigen konnten.

Papst Clemens VII. war wegen der Belagerung Roms durch die Truppen Karls V. nach Orvieto geflüchtet und wollte sich hier vor den Konsequenzen einer weiteren Belagerung schützen, indem er die Versorgung der Stadt mit Wasser sicherstellen wollte.

Sangallo entwarf einen sehr raffinierten Plan. Der Brunnen besteht aus zwei konzentrischen Spiraltreppen, die sich nicht kreuzen. Schon kurz nach seiner Fertigstellung 1527 ist dieser Brunnen als besonderes Bauwerk gewertet und von zahlreichen Architekten besucht worden.

Tourismus

Orvieto lebt vom Tourismus.

Die Stadt ist Mitglied der Cittaslow, einer 1999 in Italien gegründeten Bewegung zur Entschleunigung und Erhöhung der Lebensqualität in Städten.

In der umliegenden Hügellandschaft liegt der Skulpturengarten La Serpara.

Weinbau

Bekannt ist Orvieto auch als Namensgeber des umgebenden Weinbaugebiets mit dem Status einer Denominazione di origine controllata, kurz DOC, bekannt für den weißen Orvieto, der in den Geschmacksrichtungen trocken und lieblich angeboten wird. Insgesamt 1480 Winzer bearbeiten 2.853 ha zugelassener Rebfläche im Umland der Gemeinde Orvieto.

Söhne und Töchter der Stadt

Bilder

Quellen

  1. Middeldorf Kosegarten, Antje: Studien zur Architektur und Skulptur der Domfassade in Orvieto 1290-1330. München 1995
  2. Keller, Harald: Die Kunstlandschaften Italiens [1960]. Frankfurt a.M. 1983, S. 402
  3. Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994, S. 302–304

Literatur

  • Solini, Marcello: Der Dom von Orvieto. Narni – Terni 1985.

Weblinks



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