Valentin Rathgeber

Valentin Rathgeber
Valentin Rathgeber

Johann Valentin Rathgeber (* 3. April 1682 in Oberelsbach; † 2. Juni 1750 im Kloster Banz) war ein deutscher Benediktinermönch, Komponist, Organist und Chorleiter des Barock.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Rathgebers Geburtshaus (Modell)

Johann Valentin Rathgeber ist das sechste Kind der Eheleute Valentin Rathgeber (1643–1711) und Anna Rathgeber, geborene Scheuplein. Von seinem Vater, der als Organist und Lehrer tätig war, erhielt er den ersten Musikunterricht. Nach dem Besuch der Lateinschule begann er mit 19 Jahren ein Studium an der Universität Würzburg; anfangs in den Fächern Rhetorik, Mathematik sowie Rechtswissenschaften, später wechselte er die Studienrichtung zum Fach Theologie.

Seine erste Stellung trat er 1704 als Erzieher am Juliusspital in Würzburg an. Im Jahre 1707 übernahm er die Stelle des Musikers und Kammerdieners beim Abt des Klosters Banz, Kilian Düring (1641–1720). Am 26. November des selben Jahres trat er dem Benediktinerorden als Novize bei und legte am 6. Dezember 1708 die Profess ab. Am 21. September 1709 empfing er im Würzburger Kiliansdom die Subdiakonatsweihe, am 20. September 1710 die Diakonatsweihe und 19. September 1711 die Priesterweihe. Als Ordensnamen wählte er seinen zweiten Taufnamen Valentin. Seitdem war er als Organist, Chorleiter und Prediger am Kloster Banz tätig.

In den Jahren 1729 bis 1738 unternahm Rathgeber eine vermutlich unerlaubte Studienreise, nachdem seine Bitte, sich im Rahmen einer solchen über die Neuerungen auf musikalischem Gebiet vertraut machen zu dürfen, vom Abt des Klosters abgelehnt wurde. Dokumentierte Stationen dieser Reise waren unter anderem Mainz, Bonn, Köln, Trier, Stuttgart, Regensburg, die Schweiz sowie Wien und die Steiermark. Kompositionen aus dieser Zeit widmete Rathgeber vorrangig seinen jeweiligen Gastgebern.

Am 2. September 1738 kehrte er wieder in das Kloster Banz zurück. Die Folge seines unerlaubten Verlassens soll ein Aufenthalt in einem unterirdischen Gefängnis des Klosters gewesen sein. Kurze Zeit später, nach Erneuerung des Gelübdes, durfte er wieder seine alten Ämter wahrnehmen. 1744 wird Valentin Rathgeber in der Gästeliste der Kurortes Bad Kissingen erwähnt. Im Kloster Banz lebte er bis zu seinem Tode im Juni 1750 wo er vermulich nach längerem Gichtleiden einem Schlaganfall erlag.[1]

Valentin Rathgeber war ein vielseitiger und produktiver Komponist, der vor allem praktische Erfordernisse der Musikausübung in den Pfarreien des ländlichen Raums im Blick hatte. Er erfreute sich im süddeutschen Raum eines hohen Ansehens und seine Werke waren weit verbreitet. Rathgeber schuf sowohl weltliche als auch geistliche Werke. Sein Schwerpunkt liegt auf der geistliche Vokalmusik. Sein OEuvre umfasst mehrere Hundert Opuszahlen, vor allem Messen, Hymnen, Arien, Litaneien, Requien, Magnificate, Offertorien sowie Instrumentalkonzerte.

Sein Augsburger Tafel-Confect, kurz für Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergötzendes Tafel-Confect ist eine Liedersammlung, aus der zur Nachspeise musiziert werden sollte, im Gegensatz zur Tafelmusik zum Hauptgang. Er veröffentlichte sie in drei Büchern 1733, 1737 und 1739, Johann Caspar Seyfert fügte 1746 ein viertes Buch hinzu.[2] Eine ähnliche Sammlung entstand 1740 mit der Ostracher Liederhandschrift die dem Zisterzienserpater Theobald Vogler zugeschrieben wird.

Kontroverse

Die Frage, ob Rathgeber sein Kloster ohne die Zustimmung seines Abtes verlassen hat, ist umstritten. Dagegen spricht die Tatsache, dass er sich während dieser Zeit überwiegend in anderen Benediktinerklöstern aufgehalten hat. Ein Verlassen des Klosters gegen den Willen seines Abtes hätte aber bedeutet, dass die Äbte anderer Klöster ihn laut der Regel Benedikts nicht hätten aufnehmen dürfen, da er dann als Gyrovage, als regellos umherschweifender Mönch gegolten hätte (RB 61,13–14).
Als Beleg für das widerrechtliche Entfernen aus Kloster Banz wird die Tatsache zitiert, dass Rathgeber nach seiner Rückkehr in sein Heimatkloster eine Zeitlang zurückgezogen gelebt und anschließend seine Gelübde erneuert hat. Beides ist jedoch nach der Regel Benedikts keineswegs ungewöhnlich. Die Mönche, die auf Reisen waren, sind angewiesen, nichts von dem, was sie außerhalb des Klosters erlebt haben zu erzählen (RB 67,5). Eine Zeit der Zurückgezogenheit konnte also durchaus auch dem Schutz des zurückgekehrten Mitbruders vor neugierigen Fragen dienen. Die Erneuerung der Gelübde ist ebenso wenig zwangsläufig mit einer Wiedereingleiderung nach dem Austritt verbunden, sie erfolgt auch ohne sie in regelmäßigen Abständen (vgl.: Ludger Stühlmeyer, „Johann Valentin Rathgeber“. In: Heinrichsblatt Bamberg und Katholisches Sonntagsblatt Augsburg, August 2011).

Werke

Nach aktuellem Forschungsstand sind folgende Werke Valentin Rathgebers erhalten: 164 Offertorien; 61 Marianische Antiphonen; 42 Messen; 36 Hymnen; 16 Geistliche Arien; 15 Psalmen; 14 Vespern; 13 Litaneien; 1 Requien; 8 Miserere-, 6 Tantum Ergo-, 3 Tenebrae-, 3 Magnificat-, 2 Te Deum-, 2 Libera me Vertonungen; 1 Komplet; 60 Schlagarien (für Tasteninstrumente), darunter 10 Pastorellen für die Weihnachtszeit; 39 Lieder und Arien aus dem Augsburger Tafelconfect sowie 24 Instrumentalkonzerte.

Rathgeber-Ausstellung 2011 in Bamberg
Unterschrift: Joannes Valentinus Rathgeber
  • Opus I Octava musica clavium octo musicarum in Missis octo musicalibus (Messkompositionen)
  • Opus II (Vespern)
  • Opus III (Messen)
  • Opus IV (Offertorien mit Instrumentalbegleitung)
  • Opus V (Antiphonen für das Kirchenjahr)
  • Opus VI Chelys sonora (24 weltliche Instrumentalkonzerte, 1728)
  • Opus VII (Messen für das Kirchenjahr)
  • Opus VIII (Requien und Libera)
  • Opus IX Psalmodia vespertina (Vesperzyklus)
  • Opus X (lateinische und deutsche Arien)
  • Opus XI (Hymnen)
  • Opus XII (ländliche Messen und Stadtmessen)
  • Opus XIII (Miserere und Tantum ergo)
  • Opus XIV (Offertoriumszyklus in 3 Teilen)
  • Opus XV (Offertorien)
  • Opus XVI (Antiphonen)
  • Opus XVII (Vesperzyklus)
  • Opus XVIII (Litaneien)
  • Opus XIX (Messen)
  • Opus XX (Offertorien)
  • Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergötzendes Tafel-Confect. Bestehend aus vier Büchern 1–4-stimmigen Liedern und Instrumentalwerken. (1733, 1737, 1746, auch Augsburger Tafel-Confect genannt)
  • Opus XXII Musikalisches Zeitvertreib. (1743, 60 Arias für ein Tasteninstrument, davon 10 Pastoralen für die Weihnachtszeit.)

Beispiel für den Instrumentalstil Rathgebers

Aria pastorella

Tonaufnahmen

  • Valentin Rathgeber: „Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergötzendes Tafel-Confect (Auswahl)“ Augsburger Tafelkonfekt. Carus, Stuttgart 1985.
  • Musik aus Kloster Banz. Werke des fränkischen Barockmeisters Pater Valentin Rathgeber.: Missa Sanctorum Apostolorum, Schlagarien. Kammerchor des Hans-Sachs-Chores Nürnberg, Fränkisches Kammerorchester Nürnberg, Leitung Wolfgang Riedelbauch. Mitra Digital 1994.
  • Augsburger Tafelkonfekt. canto tanto (Monika Frimmer, Christa Bonhoff, Dantes Diwiak, Peter Kooij), Das Neu-Eröffnete Orchestre, Leitung: Jürgen Sonnentheil. cpo, 2005.
  • Messe von Muri, Concerti. Capella Murensis, ensemble arcimboldo, Leitung: Johannes Strobl/Thilo Hirsch. Audite, 2007.
  • Missa S. P. Benedicti B-Dur. Monteverdi Ensemble Würzburg, Leitung: Matthias Beckert. cpo, 2010.

Ausstellungen und Symposien

  • Valentin Rathgeber. Leben – Werk – Bedeutung.: April 2009 Ausstellung im Museum Obere Saline in Bad Kissingen; Oktober 2009 Ausstellung im Stadtmuseum in Bad Staffelstein; Juni 2010 Ausstellung in der Elstalhalle in Oberelsbach; Juni bis September 2011 Ausstellung im Diözesanmuseum Bamberg; September bis Dezember 2011 Ausstellung im Dommuseum Fulda.
  • Rathgeber im Kontext. Erstes Internationales Rathgeber-Symposium (Juni 2007)
  • An der Schwelle zur Klassik – Johann Valentin Rathgeber. Zweites Internationales Rathgeber-Symposium (Juni 2010)

Nach Rathgeber benannte Gebäude und Orte

Gebäude

  • Valentin-Rathgeber-Haus; Museum in Oberelsbach
  • Valentin-Rathgeber-Schule Oberelsbach
  • Pater Valentin Rathgeber Schule in Unnersdorf (Bad Staffelstein)

Straßen

Literatur

  • Robert Eitner: Rathgeber, Valentin. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 27, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 352.
  • Max Hellmuth: Der Barockkomponist Valentin Rathgeber. Phil. Diss., Erlangen 1943.
  • Otto Ursprung: Valentin Rathgeber. In: Handbuch der Musikwissenschaft. Band 2 – Die Katholische Kirchenmusik. Laaber Verlag Wiesbaden 1979. Kapitel 4, S. 228ff.
  • Elizabeth Roche: Rathgeber, Johann Valentin. In: The New Grove. Dictionary of Music and Musicians. Band 15. London 1980. S. 598–599.
  • Alfred Baumgartner: Valentin Rathgeber. In: Der Große Musikführer. Band 2 – Barockmusik. Kiesel-Verlag 1981. S. 560.
  • Franz Krautwurst: Rathgeber, Johann Valentin. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 7. Kassel 1989. S. 19–22.
  • Wilfried Dotzauer: Aspekte zur fränkischen Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts im Bamberger Raum. In: Ludger Stühlmeyer (Hg.) Stationen der Kirchenmusik im Erzbistum Bamberg. Bamberg 2007. S. 41–52.
  • Arnold Feil: Valentin Rathgeber. In: Metzler Musik Chronik. Stuttgart/Weimar 2005. S. 279f.
  • Berthold Gaß: Rathgeber, Johann Valentin. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 32, Nordhausen 2011, ISBN 978-3-88309-615-5, Sp. 1117–1158.
  • Ludger Stühlmeyer: Johann Valentin Rathgeber. Ein Beitrag zur Wanderausstellung 2011. In: Heinrichsblatt 32. Katholische Wochenzeitung des Erzbistums Bamberg. Bamberg August 2011 und Katholisches Sonntagsblatt, Augsburg August 2011.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vita Rathgebers Valentin-Rathgeber-Gesellschaft, abgerufen am 2. September 2011
  2. Werkbeschreibung Valentin-Rathgeber-Gesellschaft, abgerufen am 23. April 2011.

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