Verteilungspolitik

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Der Begriff Umverteilung bezeichnet den Prozess oder das Ergebnis finanz- oder sozialpolitischer Maßnahmen, im Allgemeinen den Wechsel der Verfügbarkeit von Einkommen oder Kapital, die Ungleichheiten der Einkommensverteilung oder Vermögensverteilung reduzieren sollen. [1]

Inhaltsverzeichnis

Methoden der Umverteilung

Umverteilung innerhalb der Sozialversicherungen

Obwohl die Beiträge zu den Sozialversicherungen (gesetzliche Rentenversicherung, gesetzliche Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung) mit wachsendem Einkommen ebenfalls ansteigen, da sie bis zur Beitragsbemessungsgrenze proportional zum Bruttoeinkommen sind, findet hier nicht in jedem Fall Umverteilung statt. Schließlich sind auch die ausgezahlten Leistungen teilweise proportional zum Einkommen (Arbeitslosengeld I) bzw. den eingezahlten Beiträgen (Rente). Anders ist dies bei der gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung, bei der alle Versicherten die gleiche Leistung erhalten, obwohl die Beitragshöhe sehr stark variiert. Hier findet also Umverteilung von den Besserverdienenden zu den Niedrigverdienern statt, ebenso eine Umverteilung von jungen Versicherten (die bei gleicher Beitragshöhe weniger Krankheitskosten verursachen) zu älteren Versicherten.

Umverteilung durch Subventionen

Umverteilung findet auch durch staatliche Transferleistungen und Subventionen statt. Diese können direkt durch Geldzahlungen, durch Steuervergünstigungen oder durch kostenlose/kostengünstige Bereitstellung von öffentlichen Leistungen erfolgen.

Umverteilungsdebatte

Die Frage nach der ethischen Seite von Umverteilung zum Ausgleich unterschiedlicher Ressourcenverteilung ist eine der grundlegenden Fragen, mit denen sich die Menschen in einer Gesellschaft auseinandersetzen. Umverteilungspolitik kann demokratisch legitimiert sein. Im ölreichen Norwegen wird die Umverteilung durch demokratisch gewählte Regierungen mit hohen Steuern und Sozialabgaben durchgeführt. Der Wohlstand kommt breiten Bevölkerungsschichten zugute. Im ölreichen Nigeria fehlen staatliche Regelungen zur Umverteilung bzw. zum Freiheits- und Eigentumsschutz. Der Wohlstand kommt nur Wenigen zugute.

Die Diskussion um Umverteilungen ist in der Sozialpolitik ein historischer Streitpunkt. Zum Beispiel schreibt der „Vater der dynamischen Rente“, Wilfrid Schreiber (1955): „Die kleinen Einkommen werden im primären Verteilungsprozess kleiner als sie ohne Staatseingriff sein würden. Zwar erhalten die kleinen Einkommensempfänger auch jetzt ein Supplement, das - bestenfalls - die marktgesetzliche Höhe ihres Totaleinkommens wiederherstellt, aber sie erhalten dieses Supplement – in völliger Verkehrung der Tatsachen – als Almosen aus der Hand des Staates, der sich damit in die durchaus unverdiente Gloriole des sozialen Wohltäters hüllt!“[2]

Legitimität

Die meisten Umverteilungsdiskussionen gehen davon aus, dass die Einkommen entsprechend der Produktivität und des Marktes differenziert sind. Auf der anderen Seite wird behauptet, dass man die Produktivität eines einzelnen Beschäftigten nicht messen könne und die unterschiedliche Lohndifferenzierung bei äquivalenten Arbeitsabläufen in verschiedenen Ländern zeigten, dass die Produktivität nur einer von vielen Faktoren sei, die ein Einkommen bestimmen.

Eine weiteres Argument zur Begründung progressiver Besteuerung wird angeführt, dass die Effektivität des Einsatzes eines Einkommens mit steigendem Einkommen progressiv zunehme. Hieraus ergibt sich eine Besteuerung des Einflusses, den ein Einkommensbezieher mit seinem Einkommen im Markt und in der Gesellschaft ausüben kann.

Allgemein herrscht Konsens darüber, dass eine Umverteilung notwendig ist, wenn die biologische Existenz oder die Gesundheit eines Menschen gefährdet sind. Es gibt allerdings gegenwärtig in Deutschland und in vielen anderen Ländern Diskussionen darüber, welcher Umfang der medizinischen Leistungen gesellschaftlich zu garantieren sei. Eine Position ist, dass die gegenwärtig erfolgende Umverteilung zu umfangreich und nicht gezielt genug gerichtet sei. Die Gegenposition ist, dass die Umverteilung nicht ausreiche, wo Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen zunähme.

Eine Wechselwirkung zwischen Ungleichverteilung, Politik und Gewalt postulieren Sozialwissenschaftler wie James Galbraith, Laura Spagnolo und Sergio Pinto (2007)[3]. Als Kritiker „neoliberaler“ Politik empfehlen sie keine fiskalische Umverteilung, sondern eine Wirtschaftspolitik, die zu geringeren Einkommensunterschieden zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen führt. In Brasilien habe auch eine Währungsabwertung hohe Einkommen im Finanzsektor verringert und somit zu einer Senkung der Einkommensungleichheit beigetragen.

Im Zusammenhang mit der Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit entstand auch der Begriff der „Umverteilung von unten nach oben“, um eine Wirtschaftspolitik zu kritisieren, die das Ausmaß der Umverteilung verringert.

Grad der Umverteilung

Theil-Index T und der Hoover -Ungleichverteilung H:
Die Grafik illustriert den Verlauf von T, T-H und T/H als Funktion von H für Gesellschaften, die in zwei Quantile aufgeteilt sind, in denen ein Anteil von a Euro einem Anteil von b Menschen zugeordnet ist und ein Anteil von b Euro einem Anteil von a Menschen zugeordnet ist, wobei a + b = 1 gilt (z.B. das „80:20 Pareto-Prinzip“ mit A = 0,8 und B = 0,2, woraus H = 0,6 und T = 0,832 resultiert). Die rote Kurve zeigt den Verlauf des symmetrisierten Theil-Indexes abzüglich der Hoover-Ungleichverteilung. Dieser Verlauf ist anfänglich negativ, denn der Theil-Index steigt zunächst langsamer an, als die Hoover-Ungleichverteilung. Bei den hier zugrundegelegten Zwei-Quantile-Gesellschaften überholt der Anstieg des Theil-Index die Hoover-Ungleichheit erst bei einer Ungleichverteilung, die durch Umverteilung von 46 % der Gesamtressourcen in eine Gleichverteilung überführt werden könnte.

Grundsätzlich stellt sich neben der Frage der Legitimität auch die Frage nach dem Ausmaß der Umverteilung in einer Gesellschaft. Wird mit dem Ziel einer geringeren Ungleichheit zu viel umverteilt, so reduziert dies die Leistungsbereitschaft aller. Leistung wird dann nicht mehr durch ein höheres Einkommen belohnt. Wird zu wenig umverteilt, so steigt das Konfliktpotential.

Der Grad einer Umverteilung, die eine Begrenzung von Ungleichverteilung zum Ziel hat, ergibt sich aus dem Grad der Ungleichverteilung: Bei extrem hohen Ungleichverteilungen steigt das Risiko gewaltsamer Auseinandersetzung. Umstritten ist, ab welchem Grad der Ungleichverteilung gewaltsame Umverteilung deutlich in Erscheinung tritt und ob Ungleichverteilung und Rebellion überhaupt im Zusammenhang zueinander stehen. Beobachtbar ist anhand der für verschiedene Länder ermittelten Ungleichverteilungen der Einkommen, dass die Gini-Koeffizienten für marktwirtschaftlich und demokratisch orientierte Länder deutlich unterhalb von 0,5 bleiben. Bei Aussagen wie „Ein Koeffizient von 0,3 oder weniger zeigt substanzielle Gleichheit an; 0,3 bis 0,4 verweisen auf akzeptable Normalität; 0,4 und höher wird als zu hoch angesehen. Bei 0,6 oder höher lassen sich soziale Unruhen vorhersagen.“[4] fehlen oft Angaben zur Art und Weise der Ungleichverteilungsberechnung, ohne die der Gini-Koeffizient nicht ausreichend verstanden werden kann[5]. „Ein wahrgenommener Eindruck von ungleicher Teilhabe ist ein üblicher Bestandteil von Rebellion in Gesellschaften,“ meinte jedoch auch Amartya Sen (1973)[6].

Während der Vergleich von Ungleichverteilungsmaßen vor und nach Steuern den Grad der Umverteilung von Einkommen durch Steuerprogression ausdrückt, beschreibt die Sozialquote, welcher Anteil des Bruttosozialproduktes der individuellen Nutzung entzogen und der Finanzierung sozialer Aufgaben zugeführt wird. Diese Quote ist somit ein Maß für den Grad der Umverteilung aus individuell bestimmten Einkommen zu von der Gemeinschaft bestimmten Zwecken.

Sind Ressourcen in einer Gesellschaft ungleich verteilt, dann beschreibt die Hoover-Ungleichverteilung direkt, welcher Anteil der Gesamtressourcen umverteilt werden müsste, um zu einer Gleichverteilung zu gelangen. (Das bedeutet nicht, dass sich aus diesem Ungleichverteilungsmaß normativ eine Gleichverteilung als Ziel ableiten lässt.) Die Hoover-Ungleichverteilung ist das einfachste aller Ungleichverteilungsmaße und berücksichtigt nicht den informationstheoretisch berechenbaren Aufwand für eine derartige Umverteilung. In die Berechnung des Theil-Indexes geht dieser Aufwand jedoch ein. Darum steigt der Theil-Index bei gleicher Ungleichverteilung zunächst langsamer an, als die Hoover-Ungleichverteilung. Erst bei höheren und damit „deutlicheren“ Ungleichverteilungen überholt der Anstieg des Theil-Indexes den Anstieg der Hoover-Ungleichverteilung.

Kriminalität

Die These, große soziale Unterschiede hätten eine gestiegene Anzahl der Eigentumsdelikte zur Folge, bleibt umstritten. Es werden genauso die hohen Kriminalitätsraten einiger Metropolen der Vereinigten Staaten zitiert wie auch die Praxis der sozialistischen Staaten in Osteuropa, wo die sozialen Unterschiede offiziell gering waren, aber die Eigentumsdelikte keinesfalls eliminiert wurden. Bei beiden Argumenten ist zu berücksichtigen, dass soziale Unterschiede nur einer von vielen möglichen Faktoren ist, die Einfluss auf den Grad der Beschaffungskriminalität haben. Siehe dazu Reduzierung der Kriminalität durch Voght. Das vergleichsweise egalitäre Australien führt die weltweite Rangliste[7] der Diebstähle pro Einwohner an.

Siehe auch

Literatur

  • Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft, S.136ff. und ganzes Kapitel 10: Grenzen der Steuerung, 1988, ISBN 3518287524
  • Stefan D. Josten: Ungleichheit, staatliche Umverteilung und gesamtwirtschaftliches Wachstum, 2008, ISBN 978-3830513773

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://lexikon.meyers.de/meyers/Verteilung
  2. Wilfrid Schreiber: Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft, PDF, 1955, Quelle: Diskussionsbeitrag veröffentlicht vom Bund Katholischer Unternehmer (BKU).
  3. James K. Galbraith, Laura T. Spagnolo, Sergio Pinto: Economic Inequality and Political Power: A Comparative Analysis of Argentina and Brazil, 2007
  4. Buchbesprechung in der New York Review of Books von Liu Binyan, Perry Link: A Great Leap Backward?
  5. Eberhard Schaich: Lorenzkurve und Gini-Koeffizient in kritischer Betrachtung. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 185 (1971), S. 193–208
  6. Amartya Sen: On Economic Inequality, 1973; expanded edition with substantial annexe by James E. Foster and Amartya Sen, 1996
  7. http://www.nationmaster.com/graph/cri_bur_percap-crime-burglaries-per-capita

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