Wegener-Granulomatose

Wegener-Granulomatose
Klassifikation nach ICD-10
M31.3 Wegener-Granulomatose
Nekrotisierende Granulomatose der Atemwege
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Die Wegener-Granulomatose, benannt nach dem deutschen Pathologen Friedrich Wegener, ist gekennzeichnet durch eine nekrotisierende Entzündung der Gefäße, welche mit einer Granulombildung in den oberen (Nase, Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Oropharynx) und den unteren Atemwegen (Lunge) einhergeht. In 80 Prozent der Fälle kommt es zu einer Glomerulonephritis (Pauci-Immun-Glomerulonephritis als pathohistologisches Korrelat) und zur Bildung von Mikroaneurysmen in der Niere. Durch die Entzündung der Gefäße kommt es zu einer mangelhaften Blutversorgung der betroffenen Organe. Grundsätzlich kann jegliches Gewebe betroffen sein.

Inhaltsverzeichnis

Andere Bezeichnungen

Allergische Angiitis und Granulomatose, Klinger-Wegener-Churg-Syndrom (oder in anderer Reihenfolge Wegener-Klinger-Churg-Syndrom), rhinogene Granulomatose, Riesenzellgranuloarteriitis Wegener-Klinger-Churg, Granulomatosis Wegener, Wegenersche Granulomatose, Morbus Wegener.

Epidemiologie

Die Wegener-Granulomatose ist eine seltene Erkrankung, die etwa 5–7 Menschen pro 100.000 betrifft. Männer erkranken häufiger als Frauen, der Erkrankungsgipfel ist um das 50. Lebensjahr, es können aber auch Kinder erkranken.

Ätiologie

Die Entstehung der Erkrankung ist unbekannt. Vermutlich spielen Inhalationsallergene, ein Befall der Nasenschleimhäute mit Staphylokokkus aureus sowie eine genetische Disposition eine Rolle. Mitunter kann man einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel diagnostizieren.[1]

Pathogenese

Es handelt sich um eine generalisierte Vaskulitis, bei der weder zirkulierende Immunkomplexe noch eine zelluläre Immunreaktion vom Spättyp nachgewiesen werden können. Es handelt sich somit um eine pauci-immune Vaskulitis (lat. pauci=wenig). Man geht von einer Auslösung durch Autoantikörper aus. Pathognomonisch ist das Vorkommen von c-ANCA mit dem Zielantigen Proteinase 3 aus neutrophilen Granulozyten (s. u.),

Symptome

Die Symptomatik der Wegener-Granulomatose ist sehr uneinheitlich. In der Literatur werden folgende Häufigkeiten angegeben:[2]

Manifestation zu Krankheitsbeginn (in %) im Krankheitsverlauf (in %)
Niere Glomerulonephritis 18 77
Hals/Nase/Ohren Summe: 73 92
Sinusitis 51 85
nasale Erkrankungen 36 68
Otitis media 25 44
Hörverlust 14 42
Subglottische Stenose 1 16
Ohrenschmerzen 9 14
orale Läsionen 3 10
Lunge Summe: 45 85
pulmonale Infiltrate 25 66
pulmonale Rundherde 24 58
Hämoptysen 12 30
Pleuritis 10 28
Augen Konjunktivitis 5 18
Dakrozystitis 1 18
Skleritis 6 16
Exophthalmus 2 15
Augenschmerzen 3 11
Visusverlust 0 8
Netzhautläsionen 0 4
Hornhautläsionen 0 1
Iritis 0 2
Andere Arthralgien/Arthritis 32 67
Fieber 23 50
Husten 19 46
Hautanomalien 13 46
Gewichtsverlust (>10%) 15 35
periphere Neuropathie 1 15
Beteiligung des ZNS 1 8
Perikarditis 2 6
Hyperthyreose 1 3

Diagnose

  • Die Diagnostik basiert auf klinischen, laborchemischen und histopathologischen Befunden. Auf klinischer Ebene werden die ARA/ACR-Kriterien benutzt: Stimmen 2 von 4 Kriterien zu, so besteht ein hochgradiger Verdacht auf einen Morbus Wegener (Sensitivität 88%, Spezifität 92%).
  • In den allermeisten Fällen kann eine Biopsie die Verdachtsdiagnose sichern
  • Histopathologisch findet sich z. B. eine nekrotisierende, teilweise granulomatöse Vaskulitis kleiner Gefäße.
  • Im Labor können CRP (C-reaktives Protein), Blutsenkungsgeschwindigkeit und Kreatinin erhöht sein. Es kann zur Leukozytose und Mikrohämaturie kommen. c-ANCA können bei typischem Verlauf mit Glomerulonephritis und granulomatöser Vaskulitis des Respirationstraktes in etwa 90 Prozent der Fälle nachgewiesen werden, bei etwa 10 Prozent auch p-ANCA. Die Höhe des Antikörpertiters von c-ANCA korreliert mit der Krankheitsaktivität.
  • Im Röntgen sind oftmals Verschattungen in den Nasennebenhöhlen und Infiltrationen in der Lunge zu erkennen, Computertomographie-Scans (CT) des Thorax zeigen Granulome, Kavernen und Narben innerhalb des Lungengewebes. Im HNO-Bereich kann es durch die chronische Entzündung zu Knochendestruktionen und Ulzerationen kommen.

Differentialdiagnose

Goodpasture-Syndrom, Bronchialkarzinom mit Nekrosehöhle (typischerweise Plattenepithel)

Therapie

Im lokal begrenzten Initialstadium wird mit einer Kombination aus Trimethoprim und Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) behandelt,[3] gegebenenfalls noch zusätzlich mit Prednisolon. In zwei Dritteln der Fälle lassen sich längerfristige Remissionen erreichen.[4]

Wenn eine lebens- oder organbedrohende Generalisation eingetreten ist, wird versucht, mit Immunsuppressiva eine Remission zu erzielen (Induktionstherapie): Prednisolon plus Cyclophosphamid oder bei leichteren Verläufen Methotrexat plus Prednisolon. Als Optionen für die Reserve stehen Mycophenolatmofetil, 15-Desoxyspergualin, Infliximab und Immunglobuline zur Verfügung.[4] Bei lebensbedrohenden Lungenblutungen oder dialysepflichtigem Nierenversagen kommt die Plasmapherese zum Einsatz.[5][6] Weitere eingesetzte Substanzen sind Etanercept, Ciclosporin, Leflunomid, Rituximab und Anti-Thymozyten Globulin (ATG).

Nach Erreichen einer Remission umfasst die Erhaltungstherapie Azathioprin und in absteigender Dosis Prednisolon. Zur Therapie beziehungsweise Prävention einer Besiedlung des Nasenraumes mit Staphylococcus aureus wird mit Cotrimoxazol behandelt.[4]

Bei 35–70 Prozent der Erkrankten kommt es nach erfolgreicher Therapie etwa 2 Jahre nach Absetzen der Therapie (bei vollständigem Ausbleiben jeglicher Krankheitsaktivität) zu einem Wiederauftreten (Relaps) der Erkrankung, typischerweise im selben Organ oder Organsystem wie zu Beginn. Dieser Relaps kann mit derselben Aussicht auf Heilung wie das erstmalige Auftreten therapiert werden.

Prognose

Ohne Therapie führt die Krankheit über eine rapid-progrediente Glomerulonephritis (RPGN) innerhalb von etwa 6 Monaten zum Tod (Immunkomplex-negative bzw. pauci-immune Glomerulonephritis)

Mit kombinierter Cyclophosphamid-Glukokortikoid Therapie wird bei 90 % der Patienten eine ausgeprägte Besserung erzielt, 75 % erreichen eine komplette Remission. Etwa 50 % der Remissionen sind später mit einem oder mehreren Rezidiven verbunden.

Einzelnachweise

  1. Lucey et al. Alpha1-Antitrypsin Deficiency. New England Journal of Medicine (2009) vol 360 (26), S. 2749-2757 (englisch)
  2. Hoffman GS et al: Wegener's granulomatosis: An analysis of 158 patients. Ann Intern Med 116:488, 1992, zitiert nach: Harrisons Innere Medizin - deutsche Ausgabe der 15. Auflage - Berlin 2003, ISBN 3-936072-10-8, S. 2146-2149
  3. Coen A. et al. TRIMETHOPRIM–SULFAMETHOXAZOLE (CO-TRIMOXAZOLE) FOR THE PREVENTION OF RELAPSES OF WEGENER’S GRANULOMATOSIS N Engl J Med 1996; 335:1769-1770, Dec 5, 1996 PMID 8637536 Full Text (PDF)
  4. a b c Gerd Herold, Innere Medizin, Köln 2005
  5. D.R.W Jayne et. al. on behalf of the European Vasculitis Study Group: Randomized Trial of Plasma Exchange or High-Dosage Methylprednisolone as Adjunctive Therapy for Severe Renal Vasculitis J Am Soc Nephrol 2007 18: 2180-2188
  6. R.A.F. de Lind van Wijngaarden et. al. for the European Vasculitis Study Group (EUVAS), Chances of Renal Recovery for Dialysis-Dependent ANCA-Associated Glomerulonephritis J Am Soc Nephrol 2007 18: 2189-2197

Literatur

  • F. Wegener: Über generalisierte, septische Gefäßerkrankungen. Verh Dtsch Pathol Ges 29 (1937) 202
  • F. Wegener: Über eine eigenartige rhinogene Granulomatose mit besonderer Beteiligung des Arteriensystems und der Nieren. Beitr Pathol Anat Allg Pathol 102 (1939) 36
  • R. Socias, A. Pozniak: Translation of a classic paper: Friedrich Wegener: On generalised septic vessel disease. Thorax 42 : 918 (1987)
  • L. Strauss L, K. V. Lieberman, J. Churg: Pulmonary Vasculitis. In: Fishman AP (ed.): Pulmonary Diseases and Disorders. 2nd ed. McGraw-Hill, New York 1988. 2 : 1128
  • R.Y. Leavitt, A.S. Fauci, D.A. et al.: The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of Wegener’s granulomatosis. Arthritis Rheum 33: 1101–1107 (1990)
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