Whistelblower

Whistelblower

Hinweisgeber oder Whistleblower (abgeleitet von der englischen Redewendung „to blow the whistle on someone“, zu deutsch „jemanden verpfeifen“) bezeichnet einen Informanten, der Missstände, illegales Handeln (z. B. Korruption, Insiderhandel) oder allgemeine Gefahren, von denen er an seinem Arbeitsplatz erfährt, an die Öffentlichkeit bringt.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale und Bedeutung

Es gibt vier Kriterien für Whistleblowing:

  1. Brisante Enthüllung: Ein Whistleblower enthüllt nicht tolerierbare Gefahren, Risiken und Fehlentwicklungen, Korruption, Verstöße gegen internationale Abkommen, die das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft oder der Umwelt bedrohen.
  2. Selbstlose Motive: Er handelt nicht aus Eigennutz, sondern aus Sorge um das Wohlergehen der Mitmenschen und den Erhalt der Umwelt.
  3. Alarm schlagen: Er bringt Missstände an seinem Arbeitsplatz zur Diskussion. Wenn die Firma nicht angemessen reagiert, geht er an die Öffentlichkeit.
  4. Bedrohung der Existenz: Er geht ein hohes Risiko ein, setzt seine berufliche Karriere oder gar seine Existenz aufs Spiel.

Whistleblower sind Dissidenten oder Hinweisgeber aus Gewissensgründen - Menschen, die in einem Akt der Zivilcourage unlautere Machenschaften von Regierungen, Verwaltungen oder Unternehmen an die Öffentlichkeit bringen, um diese Missstände zu unterbinden. Whistleblower setzen so nicht selten ihren Arbeitsplatz und ihr soziales Ansehen und ihren Ruf aufs Spiel. Sie werden sehr häufig Opfer von Mobbing-Attacken oder auch Denunziationskampagnen. Wer Staatsgeheimnisse an die Öffentlichkeit bringt, zum Beispiel Entsorgung von Atommüll im Meer, kommt unter Umständen ins Gefängnis. Wer Fehlverhalten großer Unternehmen, bei denen hohe Investitionen auf dem Spiel stehen, publik macht, muss auch mit hohen Schadenersatzforderungen und kriminellen Angriffen rechnen.

Dabei handelt der Whistleblower verantwortungsvoll und auch loyal, indem er sich beispielsweise mit seiner Firma identifiziert und an ihre Zukunft denkt. Er will sie zum Beispiel vor der Gefahr bewahren, angeklagt und zur Rechenschaft gezogen zu werden. Zur Eindämmung von Korruption und zur Sicherung des sozialen Friedens werden Whistleblower-Schutzgesetze dringend notwendig, sind aber wegen der Möglichkeiten moderner Technik bei skrupellosen Organisationen oft nicht ausreichend, sodass Whistleblower auf funktionierende Anonymität und Datenschutz-Mechanismen angewiesen sind.

USA und Großbritannien

In Großbritannien und den USA schützt das Gesetz Whistleblower bereits zunehmend (Whistleblower Protection Act). Hier wurden bereits große Prozesse gewonnen. Außerdem verabschiedete der US-Kongress 2002 im Anschluss an mehrere Finanzskandale den Sarbanes-Oxley Act (SOX).

Nach dem SOX müssen US-Aktiengesellschaften und ihre Unternehmenseinheiten in der EU sowie Nicht-US-Unternehmen, die an einer US-Börse notiert sind, im Rahmen ihres Prüfungsausschusses Verfahren zur Entgegennahme, Speicherung und Bearbeitung von Beschwerden einführen, die der Emittent in Bezug auf die Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen und Wirtschaftsprüfungsfragen erhält; und zur vertraulichen, anonymen Einreichung von Beschwerden durch Angestellte des Emittenten in Bezug auf fragliche Rechnungslegungs- oder Wirtschaftsprüfungsangelegenheiten. Darüber hinaus enthält Abschnitt 806 des SOX Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes von Beschäftigten börsennotierter Unternehmen, die Beweise für Betrug vorlegen, vor Vergeltungsmaßnahmen, die wegen der Nutzung des Meldeverfahrens gegen sie ergriffen werden könnten.

Trotz der Repressionen, die Whistleblower unter Umständen erleiden, würden sich - laut einer US-Studie (Don Soeken)[1] - 84% der Whistleblower in der gleichen Situation noch einmal genauso oder ähnlich verhalten. 2002 wurden drei Whistleblowers vom Time Magazine als Person of the Year ausgezeichnet.

Deutschland

Der angloamerikanische Rechtsbegriff findet bislang keine exakte Entsprechung im Deutschen - gleichwohl reflektierten etwa Wissenschafts- und Verwaltungsethik das Phänomen „Whistleblowing“ zunehmend.

In Deutschland haben drei Bundesministerien einen[2] Gesetzesentwurf zur Einführung eines § 612a n.F. BGB zum Whistleblowerschutz für Arbeitnehmer vorgelegt, der am 4. Juni 2008 [3] Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Bundestag war. Am 17. Juni 2008 wurde im Bundesgesetzblatt auch das neue Beamtenstatusgesetz, als ab 1. April 2009 geltendes Nachfolgegesetz zum Beamtenrechtsrahmengesetz, veröffentlicht. Dieses sieht in § 37 Abs. 2 Nr. 3 eine Durchbrechung des Verschwiegenheitsgrundsatzes vor, demzufolge Beamte zukünftig neben den Katalogstraftaten des § 138 StGB (der die Fälle der Anzeigepflicht regelt) auch Korruptionsstraftaten nach §§ 331- 337 StGB (aber nur diese) direkt bei der Staatsanwaltschaft anzeigen dürfen. Auch das geplante neue Bundesbeamtengesetz soll eine entsprechende Regelung enthalten.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat für anonyme Hinweise auf Korruption eigens ein Whistleblowingsystem in Betrieb genommen. Das BKMS-System wird mit unterschiedlichen Schwerpunkten auch von speziellen Ermittlungseinheiten in Unternehmen, Behörden und Regierungen angewendet.

Whistleblower-Preis

Seit 1999 wird in Deutschland alle zwei Jahre ein internationaler Whistleblower-Preis vergeben (siehe Weblinks). Der Preis wurde von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der Deutschen Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) gestiftet. Er soll die Öffentlichkeit für das Whistleblowing sensibilisieren und die – häufig von Entlassung und Maßregelungen betroffenen oder bedrohten – Preisträger unterstützen. Die bisherigen Preisträger sind:

Weitere prominente Whistleblower

  • Meier 19 war ein Polizist der Stadtpolizei Zürich, der 1967 eine Polizei- und Justizaffäre an die Öffentlichkeit brachte und danach verfolgt wurde. Über seinen Fall gibt es auch ein Buch und einen Film.
  • Roger Boisjoly ist ein US-amerikanischer Ingenieur, der ab Juli 1985 vergeblich vor dem fatalen Defekt an den O-Ringen warnte, der zur Challenger-Katastrophe vom 28. Januar 1986 führte.
  • William Mark Felt Sr. ist ein ehemaliger US-amerikanischer FBI-Agent. Am 31. Mai 2005 wurde nach 33 Jahren Geheimhaltung durch die Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein der Washington Post bekannt, dass er unter dem Pseudonym Deep Throat wichtigster Informant in der Watergate-Affäre war. Die Informationen Felts führten letztendlich zum Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon.
  • Ein israelischer Atomtechniker, Mordechai Vanunu, verriet 1986 westlichen Medien, dass Israel die Atombombe besitzt. Er wurde vom israelischen Geheimdienst von Italien nach Israel verschleppt und wegen Geheimnisverrats von einem israelischen Gericht zu einer 18-jährigen Haftstrafe verurteilt.
  • Christoph Meili, ehemaliger Wachmann einer privaten Sicherheitsfirma, die für die Schweizerische Großbank UBS tätig war, schmuggelte 1997 Holocaust-Dokumente aus der Bank und rettete sie vor dem Aktenvernichter.
  • Paul van Buitenen, EU-Kontrollbeamter, der sich 1998 öffentlich gegen die betrügerischen Machenschaften einiger Mitglieder der Europäischen Kommission wandte. Als Folge seiner Aktion musste die ganze Kommission zurücktreten. Eine weitere Folge war, dass Paul von Buitenen vier Monate lang beurlaubt wurde (mit Halbierung seines Entgelts) und danach an eine "ungefährliche" Stelle versetzt wurde. Heute ist er Mitglied des Europaparlaments und vertritt die niederländische Kleinpartei Europa Transparant.
  • Katharine Gun, Übersetzerin beim britischen Geheimdienst GCHQ, gab der Öffentlichkeit preis, dass UN-Behörden und -Delegierte vom britischen Geheimdienst abgehört werden. Sie konnte ihre Beteiligung an den Vorbereitungen zum 3. Golfkrieg nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Vom Gericht wurde sie freigesprochen.
  • Joseph C. Wilson, Ehepartner der gesetzeswidrig aufgedeckten CIA-Geheimagentin Valerie Plame, der mit seinem öffentlichen Eintreten für die ihm bekannte Tatsache, dass Saddam Hussein keinen nigerischen Atomwaffenrohstoff erhandelt hatte, die Aufdeckung seiner Ehefrau durch einen Racheakt des US-Vizepräsidentenberaters Lewis Libby auslöste.
  • Hans-Peter Martin, Mitglied des Europäischen Parlaments, versuchte im Jahre 2004 Tagegelderschleichungen zu beweisen.

Organisationen und Dienste

Der eingetragene Verein Whistleblower-Netzwerk setzt sich für eine bessere Zusammenarbeit von und mit Whistleblowern ein.[4] Der von Hans-Joachim Selenz gegründete CleanState e.V. begreift sich als deutschlandweite Anlaufstelle für Whistleblower.[5]

Die Website Wikileaks bietet Whistleblowern die Möglichkeit, bislang geheim gehaltene Dokumente anonym im World Wide Web zu veröffentlichen.

Literatur

  • Antje Bultmann (Hrsg.): Auf der Abschußliste - Wie kritische Wissenschaftler mundtot gemacht werden sollen. Knaur-Verlag, München 1997, ISBN 3-426-77265-5
  • Dieter Deiseroth: Berufsethische Verantwortung in der Forschung, Möglichkeiten und Grenzen des Rechts, Münster, LIT-Verlag, 1997, ISBN 3-8258-3160-4
  • Tom Devine: The Whistleblower's Survival Guide: Courage Without Martyrdom, Government Accountability Project, Selbstverlag (PDF Teil1, 2, 3, 4), Washington DC 1997
  • Deiseroth/Göttling: Der Fall Nikitin. Whistleblower-Preis 1999. MIRZ- Schriftenreihe, G. Emde Verlag, Pittenhart, 2000, ISBN 3-923637-56-X
  • Dieter Deiseroth: 'Whistleblowing in Zeiten von BSE – Der Fall der Tierärztin Dr. Margrit Herbst', Berlin-Verlag, 2001, ISBN 3-8305-0258-3
  • Deiseroth/Falter: Zivilcourage im BSE-Skandal - und die Folgen. Whistleblower-Preis 2001 für die Tierärztin Dr. Margrit Herbst. VDW-Materialien 2/2002 (unter: www.vdw-ev.de)
  • Michael Müller: Whistleblowing - ein Kündigungsgrund? Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (C.H. Beck-Verlag) 2002, S. 424 - 437
  • Klaus M. Leisinger: Whistleblowing und Corporate Reputation Management, München 2003, ISBN 3-87988-731-4
  • Deiseroth/Falter: Whistleblowerpreis 2003. Daniel Ellsberg. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin, 2004, ISBN 3-8305-0973-1
  • Björn Rohde-Liebenau: Whistleblowing - Beitrag der Mitarbeiter zur Risikokommunikation, Düsseldorf 2005, ISBN 3-86593-036-0
  • Knyrim / Kurz: Whistleblowing-Hotlines, Fachartikel zum Datenschutz- und Arbeitsrecht, ARD 5681/5/2006
  • Deiseroth/Falter: Whistleblower in Gentechnik und Rüstungsforschung. Whistleblower-Preis 2005 an Theodore A. Postol und Arpad Pusztai. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin, 2006, ISBN 978-3-8305-1262-2
  • Deiseroth/Falter: Whistleblower in Altenpflege und Infektionsforschung. Whistleblower-Preis 2007 an Brigitte Heinisch und Dr. Liv Bode." Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin, 2007, ISBN 978-3-8305-1455-8
  • Hob: Geldstrafe für Pflege-Chef. Streit im Uniklinikum vor dem Amtsgericht. In: Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ), Heidelberg, Mittwoch/Donnerstag, 16./17. Mai 2007, S. 3 (Verfahren wegen versuchter Nötigung, unterlassener Aufklärung eines Medikamentendiebstahlverdachts. 1.instanzl. Urteil)

Film

  • Ich verpfeife meine Firma – Zivilcourage im Beruf, Deutschland, Dokumentation, 1997, 45 Min., Ein Film von V. Thurn, Inhaltsangabe.
  • Der aufrechte Gang und sein Preis. Frankreich, Dokumentation, 2007, 53 Min., Regie: Jean Robert Viallet, Mathieu Verboud, Produktion: arte, Inhaltsangabe von arte

Siehe auch

Fußnoten

  1. A survey of whistleblowers (PDF)
  2. Gesetzesentwurf zur Einführung eines § 612a n.F. BGB zum Whistleblowerschutz
  3. öffentlichen Anhörung im Bundestag
  4. Selbstdarstellung des Whistleblower-Netzwerk e.V.
  5. Hans-Joachim Selenz: CleanState, S. 2, 21. März 2006

Weblinks


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