Wohlstandsindikator

Wohlstandsindikator

Ein Wohlstandsindikator ist ein Maß für den Wohlstand eines Landes oder Gebietes.

Welche Maßstäbe geeignet sind, um den Wohlstand eines Landes, Volkes oder Gebietes zu ermessen, ist umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Wohlstandsindikatoren

Bruttoinlandsprodukt

Die Länder der Welt nach BIP pro Kopf, umgerechnet in Kaufkraftparität

Sehr häufig wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bzw. dessen Wachstum als Maßstab verwendet, um den Wohlstand verschiedener Länder und Gebiete zu vergleichen. Das BIP erfasst sämtliche Geldausgaben, die in einem Land/Gebiet in einem bestimmten Zeitraum getätigt wurden.

Die Verwendung des BIP als Wohlstandsindikator zieht aus verschiedenen Gründen Kritik auf sich. Oft wird kritisiert, dass das BIP nicht unterscheidet, ob Geld für Sinnvolles oder Sinnloses ausgegeben wird. So können Ausbeutung der Umwelt, verschwenderischer Umgang mit Geld und natürlichen Ressourcen, zahlreiche Unfälle etc. das BIP erhöhen und damit in der Statistik als vermeintliche Steigerung des Wohlstands erscheinen.

Darüber hinaus werden Schattenwirtschaft / Schwarzarbeit, Subsistenzwirtschaft, Tauschhandel etc. vom BIP meist nicht erfasst. Gerade in Entwicklungsländern können diese aber einen substanziellen Teil der Wirtschaft ausmachen und für eine große Zahl der Armen die Lebensgrundlage darstellen.

Bruttonationaleinkommen

Das Bruttonationaleinkommen (auch Bruttosozialprodukt, BSP) bezeichnet das gesamte Einkommen, das von der Bevölkerung eines Landes oder Gebietes in einem bestimmten Zeitraum erzielt wurde.[1] Das BSP sagt jedoch weder etwas über das Vermögen einer Bevölkerung noch über die bisweilen in der Realität sehr ungleiche Einkommensverteilung aus.

Die Verwendung des Bruttonationaleinkommens als Wohlstandsindikator ist aus mehreren Gründen problematisch und unrealistisch. Im Sozialprodukt werden nur die Produktionen erfasst, die über die Märkte laufen, also marktgerichtet sind. Nichtmarktgerichtete Produktionen werden bis auf einige Ausnahmen, die betragsmäßig unbedeutend sind, nicht im Sozialprodukt erfasst, obwohl sie die Wohlfahrt berühren. Es handelt sich hierbei insbesondere um die privaten Haushalte mit z.B. Hausarbeit, Kindererziehung und Heimwerkerarbeiten. Das Sozialprodukt wird zu hoch ausgewiesen, denn bei der Produktion sind mehr Güter beteiligt, als bei der Sozialproduktbemessung berücksichtigt werden.(z.B. Inanspruchnahme der Umwelt) Die vom Staat produzierten Dienstleistungen werden nicht als Vorleistung erfasst, sondern als Staatsverbrauch behandelt. Dies führt ebenfalls zu einem zu hoch ausgewiesen Sozialprodukt. Streng genommen, müssten diese Leistungen als Vorleistung berücksichtigt werden, da durch sie erst die Produktion der Unternehmer ermöglicht wird.

Pro-Kopf-Einkommen

Ein weiterer als Wohlstandsindikator verwendeter Wert ist das Pro-Kopf-Einkommen. Dieses ergibt sich aus dem Volkseinkommen dividiert durch die Bevölkerungszahl und gibt das Einkommen wieder, das eine einzelne Person durchschnittlich in einem bestimmten Zeitraum erzielt.

Auch das Pro-Kopf-Einkommen ist nur beschränkt geeignet, um den Wohlstand zu erfassen. So müssen für internationale Vergleiche die Pro-Kopf-Einkommen in eine einheitliche Währung umgerechnet werden, wofür oft der US-Dollar verwendet wird. Hierbei wird jedoch die unterschiedliche Kaufkraft verschiedener Währungen ungenügend berücksichtigt. Diesem Mangel versucht man durch die Umrechnung in Kaufkraftparitäten abzuhelfen.

Weitere Schwächen des Pro-Kopf-Einkommens entsprechen denjenigen des BSP.

Wohlfahrtsfunktion

Existieren zum Bruttoinlandsprodukt, zum Bruttonationaleinkommen oder zum Volkseinkommen Ungleichverteilungsmaße, so kann man daraus Gleichverteilungsmaße ableiten. Ein Gleichverteilungsmaß ist 1 (oder 100%) abzüglich des Ungleichverteilungsmaßes. Multipliziert man das Bruttoinlandsprodukt, das Bruttonationaleinkommen oder das Volkseinkommen mit einem solchen Gleichverteilungsmaß, dann ergibt sich eine Wohlfahrtsfunktion, wie sie Amartya Sen und James E. Foster in On Economic Inequality beschrieben. Daraus lässt sich wiederum eine Pro-Kopf-Wohlfahrtsfunktion ermitteln, die als Alternative zum Median verwendet werden kann.

Human Development Index

Die Länder der Welt nach HDI; grün = hoher, rot = geringer menschlicher Entwicklungsstand

Der Human Development Index (HDI, engl. Index der menschlichen Entwicklung) stellt den Versuch dar, den Wohlstand eines Landes oder Gebietes anhand umfassenderer Kriterien zu bemessen. So werden neben dem BIP pro Kopf, ausgedrückt in Kaufkraftparität, auch die Lebenserwartung und der Bildungsgrad (Alphabetisierungsrate) berücksichtigt.

Index of Sustainable Economic Welfare

Der Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW) berücksichtigt über das BIP hinaus Faktoren wie Einkommensverteilung, unbezahlte Hausarbeit, öffentliche Ausgaben für das Gesundheitswesen, Bildung, Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch und Kosten des Klimawandels. Der ISEW wurde zum Genuine Progress Indicator (GPI) weiterentwickelt.

Weitere Wohlstandsindikatoren

Die Länder der Welt nach Einkommensungleichheit anhand des Gini-Koeffizienten; rot = hohe, grün = geringe Ungleichheit
  • Ausgehend vom Engelschen Gesetz – welches besagt, dass mit steigendem Einkommen der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel sinkt – gibt der Engel-Koeffizient den Anteil des Einkommens an, der für die Ernährung ausgegeben wird. Ein niedriger Engel-Koeffizient (geringer Anteil der Lebensmittelausgaben) weist demnach auf hohen Wohlstand hin. Dieser Wohlstandsindikator hat den Vorteil, dass er das lokale Preisniveau berücksichtigt.
  • Der Economic Diversification Index misst die wirtschaftliche Stärke eines Landes anhand des Anteils der Industrie am BIP, der Zahl der Erwerbstätigen in der Industrie, des Stromverbrauchs pro Kopf und der Exportorientierung der Wirtschaft.
  • Der Big-Mac-Index gibt an, wie lange man in einem Land oder in einer Stadt durchschnittlich arbeiten muss, um einen Big Mac kaufen zu können.
  • Insbesondere für Entwicklungsländer wird auch der Kalorienverbrauch pro Kopf als Wohlstandsindikator angewendet.
  • Der Genuine Progress Indicator verbindet das BIP-Wachstum mit Umweltfaktoren und sozialen Ungleichheiten. Er ist für zahlreiche Industrieländer in den vergangenen Jahrzehnten negativ.
  • Der französische Präsident Sarkozy setzte im Januar 2008 eine Kommission ein, um bis 2009 innovative Messkriterien für Wachstum und Wohlergehen zu benennen. Dabei wirken neben den beiden Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Amartya Sen weitere internationale Experten mit, darunter der Deutsche Heiner Flassbeck.[2][3]
  • Die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft des 17. Deutschen Bundestages hat sich am 17. Januar 2011 konstituiert und will die programmatische Diskussion über das Wohlstandsverständnis und seine -perspektiven voranbringen.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. BNE-Verordnung der EG veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt, Stand 16. November 2005
  2. Sarkozy sucht das Glück NZZ-online, 12. Januar 2008
  3. Véronique Le Billon: La commission Stiglitz sera très internationale Les echoes.fr, 20. Februar 2008

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