Wurmtalbahn

Wurmtalbahn
Heinsberg–Lindern
Kursbuchstrecke (DB): ex245, 456
Streckennummer: 2542
Streckenlänge: 12,9 km
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Legende
12,9 Heinsberg Bf
Anschluss Gaswerk
Anschluss Holzhandlung
Heinsberg Kreishaus
B 221
Abzweig – in Gegenrichtung: nach rechts
vom Chemiepark Oberbruch
Bahnhof ohne Personenverkehr – Dienststation, Betriebs- oder Güterbahnhof
9,2 Oberbruch
Straßenbrücke
7,8 Dremmen
Strecke – geradeaus
Ladestraße
Straßenbrücke
A 46
6,3 Porselen
Horst
Brücke über Wasserlauf (groß)
Wurm
3,1 Randerath
Abzweig – in Gegenrichtung: nach links
von Aachen
Bahnhof, Station
0,0 Lindern
Strecke – geradeaus
nach Mönchengladbach

Die Heinsberger Bahn ist eine 1890 erbaute eingleisige Bahnstrecke, die den Ort Lindern an der Hauptstrecke Aachen–Mönchengladbach mit der Kreisstadt Heinsberg verbindet. Die Strecke durchquert das Tal der Wurm, die – ebenso wie die Strecke – das Heinsberger Land in Süd-Nord-Richtung durchquert.

Die Bahnverbindung wird momentan nur für den regionalen Güterverkehr des Chemieparks Oberbruch benutzt, es ist jedoch geplant, den 1980 eingestellten Personenverkehr (SPNV) als Teil der euregiobahn Aachen wieder aufzunehmen. Dafür wurden bereits einige Streckenteile modernisiert, allerdings verzögert sich die ursprünglich für 2008 vorgesehene Reaktivierung durch die Kürzung von Finanzmitteln für den Nahverkehr seitens des Bundes.

Inhaltsverzeichnis

Streckenbeschreibung

Die Strecke beginnt im 1852 erbauten Bahnhof Lindern, der noch aus der Gründungszeit der Strecke Aachen-Mönchengladbach stammt.

Hinter Lindern verläuft die Strecke durch leicht hügeliges Land, bis die bis 1970 eigenständige Gemeinde Randerath erreicht wird, von wo aus die Strecke die landschaftlich schöne Wurmniederung durchquert. Das Empfangsgebäude des Randerather Bahnhofs wurde nach Einstellung des Personenverkehrs abgerissen. Zwischen den Ortschaften Randerath und Horst wird die Wurm auf einer kleinen Brücke überquert. Danach erreicht die Bahnstrecke die Ortschaft Porselen, wo man noch die Konturen des ehemaligen Haltepunktes erkennen kann.

In Dremmen sind eine Ladestraße, das Bahnhofsgebäude und der Güterschuppen noch erhalten. Hinter Dremmen verläuft die Strecke durch ein Waldstück, bis der Bahnhof Oberbruch erreicht wird. Hier gibt es recht umfangreiche Gleisanlagen für den Chemiepark Oberbruch. Das Bahnhofsgebäude ist noch erhalten. Beim Abzweig zum Chemiepark befindet sich ein Behelfs-Stellwerk. Hinter Heinsberg-Oberbruch hört der gute Zustand der Strecke mit Betonschwellen auf: die restlichen 1,2 Kilometer zum Heinsberger Stadtzentrum sind teilweise zugewachsen, aber noch erhalten. Der heutige Endpunkt der Strecke (Stand: 2006) befindet sich etwa 20 Meter vor dem heutigen Busbahnhof und einem Einkaufszentrum; beide wurden zur Umnutzung des seit den 1980er Jahren brachliegenden Bahnhofsareals gebaut. Die Gleise enden heute im ehemaligem Güterbahnhof, unweit des Busbahnhofes.

Bahnhöfe

Das Gebäude des Linderner Bahnhofs an der Hauptstrecke Aachen–Mönchengladbach beherbergt heute ein Bistro. Beide Stellwerke wurden im Rahmen der Errichtung eines Zentralstellwerks Ende 2007 aufgegeben. Während die Empfangsgebäude der Bahnstationen in Randerath, Porselen und Heinsberg abgerissen wurden, beherbergt das Bahnhofsgebäude in Oberbruch heute noch Gewerberäume, der Bahnhof Dremmen wurde aufgelassen.[1]

Geschichte und Betrieb

Anfänge

Ursprünglich sollte die Verbindung von Jülich aus über Brachelen und Randerath nach Heinsberg führen, später entschloss man sich allerdings für die verkürzte Streckenführung von Lindern aus. Anfängliche Pläne sahen außerdem den Bau der Strecke als Schmalspurbahn oder Pferdebahn vor, solche Projekte wurden allerdings zugunsten der Vollbahn verworfen.

Glanzstoff-Werksbahn
Übergabestelle Oberbruch

In der kleinen Ortschaft Porselen gab es allerdings Widerstand gegen den Bahnbau; so weigerten sich einige Bauern, Teile ihres Landes abzugeben und griffen Bahnarbeiter mit Mistgabeln an.[2]

Eröffnet werden konnte die Strecke am 16. Mai 1890. Dieses Datum sollte für die Stadt Heinsberg und die umliegenden Gemeinden historisch werden; die Wirtschaft im sonst strukturschwachen Heinsberger Land profitierte immens, insbesondere die Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG im Ortsteil Oberbruch konnte durch die Bahnstrecke zu einem Großkonzern heranwachsen.[3] Für diese Firma entstand eine Werksbahn, die bis in die 1980er Jahre eine Ortsdurchfahrt durch Oberbruch hatte.

Ein Weiterbau nach Roermond oder ein Lückenschluss zwischen Lindern und Jülich kam allerdings nicht mehr zustande, da man sich aufgrund der Erschließung des Steinkohlebeckens zwischen Wassenberg und Baal für den Bau einer weiteren Eisenbahnstrecke (Bahnstrecke Jülich–Dalheim) rechts der Rur entschloss.

Pläne, die Heinsberger Bahn durch den Selfkant bis nach Sittard oder als Straßenbahn nach Roermond zu verlängern, scheiterten an den zu hohen Kosten.[4]

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

1944 wurde der Heinsberger Bahnhof zerstört, sodass sich die Deutsche Bundesbahn Anfang der 1950er Jahre für einen Neubau des Bahnhofs entschied. Dabei entstand ein für Heinsberg eher überdimensioniertes Bahnhofsgebäude.

Die 1950er Jahre brachten die nächsten großen Veränderungen mit sich. Am 11. September 1953 läutete die Bundesbahn einen ihrer ersten Rationalisierungsschritte ein: der bis dahin von dampflokbespannten Reisezügen bewältigte Personenzugverkehr wurde auf moderne, wirtschaftlichere Triebwagengarnituren umgestellt. Fortan verkehrten alle Personenzüge mit Schienenbussen der Baureihen VT 95 und VT 98 sowie Güterzüge mit kleineren und mittleren Diesellokomotiven (z. B. Köf oder V 100). Im Güterverkehr kamen allerdings auch Großdieselloks der Baureihe V 160 zum Einsatz, die mit ihren Aufgaben (Güterzüge mit max. zehn Waggons) deutlich unterfordert waren. In den letzten Betriebsjahren wurden die Personenzugleistungen mit Akkutriebwagen erbracht.

Niedergang

Bereits 1966 machten Gerüchte über eine Stilllegung der Heinsberger Bahn die Runde. Durch die Aufgabe von kleinen Sekundärstrecken wollte sich die Bundesbahn von Verlustobjekten trennen. So geriet auch die Heinsberger Strecke in die Stilllegungsdiskussion der DB.

Fahrplan 1980 mit nur noch fünf Zugpaaren am Tag
Abschiedsfahrt am 26. September 1980

Im Zuge der individuellen Motorisierung mit PKW ging das Fahrgastaufkommen in den 1970er Jahren abermals zurück. Mit dem Einsatz von Bahnbussen verlagerte sich der öffentliche Personenverkehr bei den Unterwegshalten weg von den Bahnhöfen am Ortsrand hin in die Ortszentren, jedoch reduzierte die damalige Bundesbahn damit die Nachfrage und gleichzeitig den Betrieb auf der Heinsberger Schienenstrecke auf nur sehr wenige Zugpaare pro Tag und Richtung.[5]

Kritiker (Lokalpolitiker und -zeitungen) sahen das verringerte Angebot als Ursache für den Passagierrückgang und unterstellten, die Bahn habe systematisch versucht, den Betrieb auf der Strecke unattraktiv zu gestalten, um mit dem resultierenden Fahrgastrückgang einen Grund für die Stilllegungen zu konstruieren. Eine weitere Grundlage für diesen Protest waren die für die Erhebungen der Bundesbahndirektion notwendigen Fahrgastzählungen, welche bevorzugt und nach gängiger DB-Praxis in den 1970er und 1980er Jahren in den Ferien, an Brückentagen oder an Wochenenden stattfanden. Prominentester Zweifler an diesen Erhebungen war der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Spies von Büllesheim. Dieser bezeichnete die Zahlen der Bahn als „unrealistische Phantomzahlen“, die „nicht nachprüfbar“ seien.[6]

Trotz dieses Protestes befuhr am 26. September 1980 der letzte planmäßige Personenzug die Strecke. Während die meisten Bahnhöfe an der Strecke nach der Stilllegung abgerissen oder anderweitig genutzt wurden, blieb der Bahnhof Heinsberg (vorerst) noch als Dienststelle für den Güterverkehr der städtischen Gaswerke Heinsberg erhalten. Mitte der 1980er Jahre musste das Empfangsgebäude allerdings dem Neubau des "City-Centers" weichen.

Die Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße fand auch im Güterverkehr statt: Durch die Verlagerung des Stückgutverkehrs auf die Straße durch die neue Spedition Bahntrans (Joint Venture von Bahn und Thyssen Haniel Logistik) wurde der Stückguttransport per Bahn deutlich reduziert, sodass dieser unrentabel wurde. Doch auch der Güterverkehr für landwirtschaftliche Produkte wie Rüben und Kartoffeln ging nach und nach zurück, denn der Motorisierungsgrad der Bauern stieg in den 1970er Jahren deutlich an. Mit neuen, leistungsfähigen Traktoren war man nun in der Lage, das Erntegut direkt vom Hof bis zur Weiterverarbeitung (Genossenschaft oder auch Zuckerfabrik) zu transportieren. So blieben auch im Güterverkehr nur wenige Kunden, wie die städtischen Gaswerke, eine Holzhandlung und die Glanzstoffwerke in Oberbruch übrig.[7]

Derzeitiger Betrieb

Dampfspeicherlok – 2006
Lok der RSE in Oberbruch – 2007

Die Strecke wird heute (Stand: 2007) im Güterverkehr mit Loks der Baureihe V 90 bedient. Als einziger Güterverkehrskunde ist der Chemiepark in Oberbruch geblieben. Der Güterverkehr am Bahnhof Heinsberg und am Bahnhof Dremmen wurde aus Rentabilitätsgründen zum 28. Mai 1994 eingestellt. Daraus resultiert ein schlechter Zustand der Infrastruktur zwischen den Orten Oberbruch und Heinsberg.

Für die Bedienung des Chemieparks schiebt zunächst die werkseigene Lok des Chemieparks Oberbruch die Güterwaggons in den Oberbrucher Bahnhof, wo sie an Werktagen von Railion mit einer DB-Lokomotive übernommen werden.

Im Frühjahr 2007 hat die private Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE) mit der Nuon-Werksbahn des Chemieparks Oberbuch ein sogenanntes Joint Venture abgeschlossen, sodass jeweils ein Lokführer der RSE und ein Rangierer der Nuon bei Verschubarbeiten auf dem Werksgelände Oberbruch zusammenarbeiten. Statt der Dampfspeicherlokomotive verkehrt so gegenwärtig eine Diesellok der RSE. Grund dafür war, dass die bisher für Rangierarbeiten eingesetzte Dampfspeicherlokomotive der Bauart Meiningen aufgrund der abgelaufenen Frist zur Untersuchung ausgemustert werden musste. Der Chemiepark Oberbruch erhofft sich durch diese neue Zusammenarbeit „höhere Flexibilität, Kontakte zu neuen Kunden und eine größere Auslastung für den Bahnbetrieb.[8]

Als Schienenersatzverkehr im Personenverkehr fährt derzeit (Stand: 2007) an Werktagen die Bahnbuslinie 493 des RVE, welche auf unterschiedlichen Linienführungen zwischen der Stadt Heinsberg und dem Bahnhof Lindern eine Verbindung herstellt. Bedient werden dabei die Ortsteile Schafhausen, Eschweiler, Oberbruch, Hülhoven, Dremmen, Porselen, Horst und Randerath.

Zukunft

Heinsberg ist eine der wenigen Kreisstädte Deutschlands ohne Bahnanschluss für den Personenverkehr und in Nordrhein-Westfalen die einzige Kreisstadt, die man nicht fahrplanmäßig mit dem Zug erreichen kann.

Sonderzug in Oberbruch - 2005

Doch bestehen Pläne, dieses durch den Ausbau der euregiobahn zu ändern, indem man die Strecke wieder in den öffentlichen Nahverkehr integriert. Dafür könnten an der Strecke mehrere zentrale Haltepunkte, wie Heinsberg Bahnhof, Kreisverwaltung, Oberbruch, Dremmen, Porselen, Horst-Himmerich, sowie Randerath geschaffen werden[9] ,die euregiobahn könnte demnach entweder zwischen Heinsberg und Lindern pendeln oder direkt vom Aachener Hauptbahnhof aus nach Heinsberg verkehren.[10] Die Strecke wurde bereits auf weiten Teilen saniert und modernisiert (Bahnübergänge und moderner Gleiskörper mit Betonschwellen), sodass für die Reaktivierung nur noch das Teilstück vom Bahnhof Oberbruch-Grebben ins Heinsberger Stadtzentrum fehlt.[11]

Eine Reaktivierung wird von weiten Teilen der Bevölkerung sowie den Fahrgastverbänden Pro Bahn und Verkehrsclub Deutschland gefordert. Zudem bewertet die IHK Aachen den Ausbau der Strecke als „Maßnahme von hoher Dringlichkeit für den Personenfernverkehr, Güterverkehr und Nahverkehr“.[12] Entgegen der ablehnenden Haltung des NRW-Landesverkehrsministeriums wird von Seiten des avv und der Lokalpolitik an den Reaktivierungsplänen festgehalten. Nachdem der Realisierungstermin 2008 nicht umgesetzt werden konnte, strebt man nunmehr eine Reaktivierung der Strecke bis 2015 an.[13]

Trivia

  • Im ehemaligen Bahnhof Dremmen sind noch 2 Güterwaggons auf einem Abstellgleis abgestellt, welches nicht mehr mit dem Streckengleis verbunden ist.
  • Die Lokalpresse erwähnte 1966 im Rahmen eines Aprilscherzes, die Strecke Heinsberg–Lindern würde elektrifiziert.
  • Die ZDF-Sendung Länderspiegel verglich 1972 den eher ländlichen Sackbahnhof Heinsberg mit dem an der Hauptstrecke liegenden Bahnhof Erkelenz, um damit die zukünftige Kreisstadt Heinsberg als „Bauerndorf“ zu charakterisieren und die Stadt Erkelenz als geeigneteren Sitz für den damals neugebildeten Kreises Heinsberg darzustellen.

Siehe auch

Literatur

  • Josef Lennartz: Schienenwege im Rheinischen Grenzland. Museumsschriften des Kreises Heinsberg, Band 6, Heinsberg 1985.
  • Wilhelm Frenken: Die einhundertjährige Geschichte des Personenverkehrs auf der Eisenbahnstrecke Heinsberg-Lindern. In: Heimatkalender des Kreises Heinsberg, Jg. 10, 1982, S. 97.

Weblinks

Anmerkungen / Quellen

  1. Streckenzustand
  2. Schienenwege im Rheinischen Genzland
  3. Heimatkalender und Schienenwege im Rheinischen Grenzland, Museumsschriften des Kreises Heinsberg, Band 6, 1985
  4. Heimatkalender und Schienenwege im Rheinischen Grenzland, Museumsschriften des Kreises Heinsberg, Band 6, 1985
  5. Fahrplanunterlagen aus Kursbüchern u. Kreisarchiv Hs
  6. Erkelenzer Zeitung, 24. Januar 1978
  7. Zeitzeugenbefragung mit ehem. FDL vom Bf Dremmen
  8. Joint Venture mit Rhein-Sieg-Eisenbahn
  9. Die Entwicklung des euregiobahn-Streckennetz und ihr Zukunftskonzept → weitere Ausbaustufen, sowie Liniennetzplan, der der Lokalpresse zu entnehmen war
  10. Regionalbahnkonzept von Hans-Joachim Sistenich
  11. Streckenzustand
  12. IHK-Aachen
  13. AZ / AN vom 1. März 2008, Zielnetz des avv für 2015

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