- Zeichenakademie
-
Die Staatliche Zeichenakademie Hanau ist eine Berufs-, Berufsfach- und Fachschule für edelmetallgestaltende Berufe und eine der ältesten Goldschmiedeausbildungsstätten Europas.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Staatliche Zeichenakademie Hanau führt ihren Ursprung auf die im Jahr 1772 von Hanauer Gold- und Silberschmieden initiierte und durch den in Hanau residierenden Erbprinzen Wilhelm IX. von Hessen-Kassel als „Academie der Zeichenkunst“ gegründete „Zeichenschule“ für Handwerker zurück. Ziel war die Steigerung der Entwurfsqualität der Hanauer Gold- und Silberschmiede für Schmuck und Silbergerät. Mit dem Neubau des Architekten Julius Carl Raschdorff 1880 entstanden auch Werkstätten für das Goldschmieden, Silberschmieden, Ziselieren und Schmucksteinfassen. Das von Raschdorff entworfene Gebäude wurde am 19. März 1945 schwer beschädigt, 1953 war der Wiederaufbau abgeschlossen. Die Decke der Aula erhielt eine Ausmalung von Heinz-Rudi Müller aus Wiesbaden. 1979 entstand ein Erweiterungsbau mit Klassen- und Verwaltungsräumen. Im Januar 2005 erfolgte die Einweihung eines modernen mit Cortenstahl und einer großzügigen Glasfassade versehenen Gebäudes, das einen naturwissenschaftlichen Fachraum, Gestaltungsräume und das Forum enthält.
Schulformen
Heute werden an dieser Schule sowohl im Teilzeit (Dualen)- als auch im Vollzeitsystem Goldschmiede, Silberschmiede, Metallbildner (früher Ziseleure, Ziselieren), Graveure und Schmucksteinfasser ausgebildet. Aufbauend auf einer umfangreichen handwerklichen Grundausbildung werden klassische und modern-avantgardistische und innovative Entwurfskonzepte gestalterisch und technisch umgesetzt. Die Zeichenakademie bietet zahlreiche Fächer und Techniken an wie Emaillieren (Email), Plastisches Gestalten, verschiedene Gießverfahren (Schleuderguss, Vakuumdruckguss), Tiefziehen, Prägen und Pressen, Laserschweißverfahren, CAD-Schmuck- und Gerätentwurf, 3D-Rapid Prototyping, Flachgravur, Reliefgravur, CNC-Gravieren aber auch gegenständliches Zeichnen, Aktzeichnen, Technisches Zeichnen, Landschafts- und Naturzeichnen. Regelmäßige öffentliche Vortragsveranstaltungen externer Referenten zu Themen der Gestaltung in den Bereichen Schmuck, Gerät, Objekt und Skulptur ergänzen das Lehrangebot.
Die Ausbildung in der Berufsfachschule mit Berufsfachschulabschluss dauert dreieinhalb Jahre. Dieser Abschluss ist dem Gesellenbrief im Handwerk gleichgestellt. Wer innerhalb von zwei Jahren nach einer ersten abgeschlossenen Berufsausbildung zum/zur Staatlich geprüften Gestalter/in weitergebildet wird, kann parallel zu diesem Abschluss der zweijährigen Fachschule auch die Meisterprüfung ablegen. Meisterinnen und Meister der edelmetallgestaltenden Berufe können eine einjährige Ausbildung zum Staatlich geprüften Gestalter absolvieren. Im Rahmen der Dualen Ausbildung - bei der die handwerkliche Ausbildung in Gold- und Silberschmiedebetrieben erfolgt - wird der theoretische Teil in der Zeichenakademie unterrichtet. Zusätzlich erhalten die Auszubildenden Turnusunterricht in den Fächern Gravieren, Schmucksteinfassen, Ziselieren/Metallbilden und Silberschmieden.
Jeweils im November findet ein Tag der offenen Tür statt, an dem man sich über das Ausbildungs- und Weiterbildungsangebot in den geöffneten Werkstatträumen bei laufendem Unterricht informieren kann.
Jeweils im März findet das Auswahlverfahren für die BFS statt. Für die Fachschule mit parallel angebotener Meisterprüfung wird die Aufnahme zur Zeit ohne Auswahlverfahren durchgeführt, Unterrichtsbeginn ist jeweils im Herbstsemester. Die Aus- und Weiterbildung ist BAföG- bzw. (AFBG) (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, sog. Meister-BAföG) - gefördert.
Die Zeichenakademie verfügt über ein großes Archiv historisch bedeutsamer Literatur zur Schmuckgeschichte, über eine ausgezeichnete Sammlung von Juwelenzeichnungen des späten 19. Jahrhunderts sowie über eine umfangreiche wissenschaftliche Bibliothek zum Thema Edelmetallgestaltung.
Bekannte Persönlichkeiten
Bekannte Schüler und Absolventen der Zeichenakademie waren z. B. Eugène Fabergé, Johannes Deiker, Christian Dell, August Gaul, Gustav Elsaß, Wilhelm Wagenfeld, Herbert Zeitner, Hermann Jünger, Peter Raacke, Burkhard Oly, Claus Bury, Henriette Tomasi, Rudolf Bott.
Ehemalige Lehrer im Werkstatt- und Gestaltungsbereich waren unter anderem Reinhold Ewald, Fried Lübbecke, Emil Thormählen, Karl Berthold.
Direktoren der Zeichenakademie
Die Direktoren der Zeichenakademie waren Jean-Louis Gallien, Konrad Westermayr, Theodor Pelissier, Karl Hausmann, Max Wiese, Hugo Leven, Emil Lettré, Hermann Wandinger, Bernd Oehmichen, Walter Dennert und Hermann Schadt. Derzeit wird die Akademie von Gabriele Jahns-Duttenhöfer geleitet.
Gefördert wird die Ausbildung durch die „Gesellschaft der Freunde der Zeichenakademie“, der „Rotary Stiftung Zeichenakademie“ sowie durch „Soroptimist International Club Hanau“.
In der Brüder Grimm-Stadt Hanau befindet sich ebenfalls das Deutsche Goldschmiedehaus, gleichzeitig Sitz der „Gesellschaft für Goldschmiedekunst“.
Durch die „Verordnung über den Zugang beruflich Qualifizierter zu den Hochschulen im Lande Hessen“ vom 29. Juni 2006 eröffnet das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst qualifizierten Berufstätigen, die keine Hochschulzugangsberechtigung besitzen (z. B. Abitur), an den Hochschulen des Landes Hessen aber auch anderer Bundesländer zu studieren.
Literatur
- Festschrift der Hanauer Zeichenakademie zum 150jährigen Jubiläum, Hanau 1922.
- Festschrift 180 Jahre „Staatliche Zeichenakademie Hanau“ – Fachschule für das Edelmetallgewerbe, Hanau 1953.
- Festschrift 200 Jahre „Staatliche Zeichenakademie Hanau“, Hanau 1972.
- Ina Schneider, Zur Gründungsgeschichte der Staatlichen Zeichenakademie Hanau, in: Hanauer Geschichtsblätter 20, 1965, S. 215.
- Hermann Schadt, 222 Jahre Zeichenakademie Hanau – zwischen Kunst und Handwerk, Stuttgart 1994, ISBN 3-925369-36-8
- Die Gold- und Silberstadt. Hanau und der Historismus. Magistrat der Stadt Hanau (Hrsg.), Hanau 2004, ISBN 3-926011-43-2
- Corinna Trautermann, Hanauer Zeichenakademie im Wandel der Zeiten 1772–1948, Hanau o.J. (1972).
- Hans Günther Bickert und Norbert Nail, Daniel Jeanne Wyttenbach [Née Gallien] – Marburgs erste Ehrendoktorin (1827). Marburg 2000; 71 S.; Illustr. (Schriften der Universitätsbibliothek Marburg; 98), ISBN 3-8185-0300-1
- Gerhard Bott, Prunksilber einer Zarentochter. Mit Beiträgen v. Carla Fandrey, Hermann Schadt, Ina Schneider, Bruno-Wilhelm Thiele, Klagenfurt 2001. ISBN 3-9501053-1-X.
- Bruno-Wilhelm Thiele, Die Entwicklung der Hanauer Edelmetallbranche seit dem 16. Jahrhundert, in: Die Gold- und Silberstadt. Hanau und der Historismus, Magistrat der Stadt Hanau (Hrsg.), Hanau 2004, S. 7-47, ISBN 3-926011-43-2
- Bruno-Wilhelm Thiele, Neue Forschungsergebnisse aus dem Archiv der Staatlichen Zeichenakademie Hanau, in: 1975–2006 Festschrift für Rudolf Schäffer, Magistrat der Stadt Hanau (Hrsg.), Hanau 2006, S. 47-63 (Schmuck und Gerät des Jugendstil in Hanau).
Weblinks
50.1269444444448.9188888888889Koordinaten: 50° 7′ 37″ N, 8° 55′ 8″ OKategorien:- Berufsbildende Schule in Hessen
- Schule in Hanau
- Bauwerk in Hanau
Wikimedia Foundation.