Eine rationale Zahl ist eine Zahl, die als Verhältnis (lateinisch ratio) zweier ganzer Zahlen dargestellt werden kann. Die genaue mathematische Definition beruht auf Äquivalenzklassen von Paaren ganzer Zahlen. Die Menge aller rationalen Zahlen wird mit dem Formelzeichen \Bbb Q (von „Quotient“) dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die Definition der rationalen Zahlen basiert auf der Darstellung rationaler Zahlen durch Brüche, also Paare ganzer Zahlen. Sie ist so aufgebaut, dass das Rechnen mit rationalen Zahlen wie gewohnt mit Hilfe ihrer Bruchdarstellungen durchgeführt werden kann, abstrahiert aber zugleich die rationale Zahl von ihren Bruchdarstellungen. Die rationalen Zahlen werden dabei nicht als vollkommen neue Dinge postuliert, sondern auf die ganzen Zahlen zurückgeführt.

Die Definition beginnt mit der Menge aller geordneten Paare (a,b) ganzer Zahlen bis auf diejenigen Paare, bei denen b = 0. Wichtig: Diese Paare sind nicht die rationalen Zahlen.

Man definiert Addition und Multiplikation auf dieser Menge wie folgt:

(a, b) + (c, d) := (a \cdot d + b \cdot c,\, b \cdot d)
(a, b) \cdot (c, d) := (a \cdot c,\, b \cdot d)

Das sind die bekannten Rechenregeln der Bruchrechnung. Die Zahlenpaare kann man damit als Brüche auffassen.

Ein Ziel der Definition rationaler Zahlen ist, dass zum Beispiel die Brüche 2 / 3 und 4 / 6 dieselbe „Zahl“ bezeichnen. Man betrachtet also Brüche, die untereinander äquivalent (von gleichem Wert) sind. Dies wird ausgedrückt durch eine Äquivalenzrelation, die man wie folgt definiert:

(a, b) \sim (c, d) :\Leftrightarrow a \cdot d = b \cdot c.

Wichtig ist, dass diese Relation tatsächlich eine Äquivalenzrelation ist, also die Gesamtmenge in Teilmengen (hier Äquivalenzklassen genannt) untereinander äquivalenter Elemente zerlegt; dies kann man beweisen.

Für die Äquivalenzklassen definiert man wieder Rechenregeln, die auf der Bruchrechnung basieren und dafür sorgen, dass das, was man unter einer rationalen Zahl versteht, von der konkreten Bruchdarstellung abstrahiert wird. Die Addition q + r = s der Äquivalenzklassen q, r und s wird wie folgt definiert:

Aus q wählt man ein beliebiges Element, also ein geordnetes Paar (a,b) ganzer Zahlen (man wählt also ein einziges Element von q und nicht etwa zwei). Ebenso wählt man aus r das Element (c,d).

(a,b) und (c,d) addiert man nun gemäß der Bruchrechnung und erhält ein Paar (e,f). Dieses ist Element einer Äquivalenzklasse s, welche das Ergebnis der Addition ist.

Wichtig ist, dass unabhängig von der konkreten Wahl von (a,b) und (c,d) stets dasselbe Ergebnis, die Äquivalenzklasse s, herauskommt; diese Eigenschaft der Addition muss und kann bewiesen werden.

Analog wird die Multiplikation q \cdot r = t definiert.

Die Äquivalenzklassen q,r,s,t,... fasst man nun als Elemente einer neuen Menge \Bbb Q auf und nennt sie rationale Zahlen. Eine einzelne rationale Zahl q\in\Bbb Q ist also eine unendliche Menge von geordneten Paaren (a,b). Eine Schreibweise wie \tfrac 23 bezeichnet also in diesem Sinne die Äquivalenzklasse aller zu (2,3) äquivalenten Paare.

Man kann dies auch als Zahlbereichserweiterung der ganzen Zahlen auffassen, indem man die ganze Zahl n jeweils mit der rationalen Zahl \tfrac n1 identifiziert. Sind n und m zwei ganze Zahlen und s = n + m, p=n\cdot m deren Summe und Produkt, so sind die Rechenregeln für Brüche gerade so gestaltet, dass \tfrac n1+\tfrac m1=\tfrac s1 und \tfrac n1\cdot\tfrac m1=\tfrac p1 gilt. Außerdem ist vermöge dieser Identifikation ein Bruch in der Tat der Quotient von Zähler und Nenner.

Eigenschaften

Die rationalen Zahlen enthalten eine Teilmenge, die zu den ganzen Zahlen \Bbb Z isomorph ist (wähle zu z\in\Z die Bruchdarstellung z / 1). Dies wird oft vereinfachend so ausgedrückt, dass die ganzen Zahlen in den rationalen Zahlen enthalten seien.

Die rationalen Zahlen \Bbb Q bilden einen Körper. \Bbb Q ist der kleinste Teilkörper des Körpers \R der reellen Zahlen, also sein Primkörper.

Eine reelle Zahl ist genau dann rational, wenn sie algebraisch ersten Grades ist. Damit sind die rationalen Zahlen selbst eine Teilmenge der algebraischen Zahlen.

Man kann zeigen, dass \mathbb{Q} der kleinste Körper ist, der die natürlichen Zahlen \mathbb{N} enthält. \mathbb{Q} ist der Quotientenkörper der ganzen Zahlen \Z.

Die rationalen Zahlen liegen dicht auf der Zahlengerade, das heißt: Jede reelle Zahl (anschaulich: jeder Punkt auf der Zahlengerade) kann beliebig genau durch rationale Zahlen angenähert werden.

Trotz der Dichtheit von \Q in \R kann es keine Funktion geben, die nur auf den rationalen Zahlen stetig ist (und damit auf allen restlichen irrationalen Zahlen \mathbb{I} unstetig).

Zwischen zwei rationalen Zahlen a und b liegt stets eine weitere rationale Zahl c (und somit beliebig viele). Man nehme einfach das arithmetische Mittel dieser beiden Zahlen:

c = (a + b) / 2

Was zunächst überraschend klingt, ist die Tatsache, dass die Menge der rationalen Zahlen gleichmächtig zur Menge der natürlichen Zahlen ist. Mit anderen Worten gibt es eine bijektive Abbildung zwischen \mathbb{Q} und \mathbb{N}, die jeder rationalen Zahl q eine natürliche Zahl n zuweist und umgekehrt. Eine mögliche solche bijektive Abbildung liefert Cantors erstes Diagonalargument. Eine weitere liefert das systematische Ordnen aller endlichen Kettenbruchteilnennerfolgen. Eine Liste, die alle rationalen Zahlen zwischen 0 und ½ so (nämlich zuerst nach der Summe aller Teilnenner und dann lexikographisch) ordnet, beginnt folgendermaßen:

1. [0,3] = 1/3
2. [0,2,2] = 2/5
3. [0,4] = 1/4
4. [0,2,1,2] = 3/8
5. [0,2,3] = 3/7
6. [0,3,2] = 2/7
7. [0,5] = 1/5
8. [0,2,1,1,2] = 5/13
9. [0,2,1,3] = 4/11
10. [0,2,2,2] = 5/12
11. [0,2,4] = 4/9
12. [0,3,1,2] = 3/11
13. [0,3,3] = 3/10
14. [0,4,2] = 2/9
15. [0,6] = 1/6
16. [0,2,1,1,1,2] = 8/21
17. [0,2,1,1,3] = 7/18
18. [0,2,1,2,2] = 7/19
19. [0,2,1,4] = 5/14
20. [0,2,2,1,2] = 8/19
21. [0,2,2,3] = 7/17
22. [0,2,3,2] = 7/16
23. [0,2,5] = 5/11
24. [0,3,1,1,2] = 5/18
25. [0,3,1,3] = 4/15
26. [0,3,2,2] = 5/17
27. [0,3,4] = 4/13
28. [0,4,1,2] = 3/14
29. [0,4,3] = 3/13
30. [0,5,2] = 2/11
31. [0,7] = 1/7
32. [0,2,1,1,1,1,2] = 13/34
33. [0,2,1,1,1,3] = 11/29
34. [0,2,1,1,2,2] = 12/31
35. [0,2,1,1,4] = 9/23
36. [0,2,1,2,1,2] = 11/30
37. [0,2,1,2,3] = 10/27
38. [0,2,1,3,2] = 9/25
39. [0,2,1,5] = 6/17
40. [0,2,2,1,1,2] = 13/31   usw.

Durch das Hinzufügen des um eins vergrößerten Negativwertes (1 – [0, a, b, c, ...] = [0, 1, a–1, b, c, ...]), dann des Kehrwertes und dann des Negativwertes hinter jede rationale Zahl in dieser Liste und durch Hinzufügen von –1, –½, 0, ½ und 1 entsteht eine bijektive Zuordnung zwischen natürlichen und rationalen Zahlen.

Die Eigenschaft, gleichmächtig zu einer Teilmenge von sich selbst zu sein, ist charakteristisch für unendliche Mengen.

Dezimalbruchentwicklung

Jede reelle Zahl lässt sich einer Dezimalbruchentwicklung zuordnen. Bemerkenswerterweise besitzt jede rationale Zahl eine periodische Dezimalbruchentwicklung, jede irrationale Zahl dagegen eine nichtperiodische (beachte: eine endlich abbrechende Dezimalbruchentwicklung ist ein Spezialfall der periodischen Dezimalbruchentwicklung, bei der sich nach der endlichen Ziffernfolge die Dezimalziffer 0 oder 9 periodisch wiederholt).

Der sich wiederholende Teil wird mit einem Überstrich kenntlich gemacht.

Beispiele sind:

1/3 = 0,3 = 0,33333… = [0,01]2
9/7 = 1,285714 = 1,285714 285714… = [1,010]2
1/2 = 0,50 = 0,50000… = [0,10]2
1 = 1/1 = 1,0 = 0,9 = 1,00000… = 0,99999… = [1,0]2 = [0,1]2

In den eckigen Klammern sind die entsprechenden Entwicklungen im Dualsystem angegeben. Mehrstellige Perioden sind hier jeweils durch Leerzeichen abgetrennt.

Auch die b-adischen Bruchentwicklungen zu anderen ganzzahligen Zahlenbasen b\neq 10 sind für alle rationalen Zahlen periodisch und für alle irrationalen Zahlen nichtperiodisch.

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