- Buchgemeinschaft
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Eine Buchgemeinschaft (auch Buchklub bzw. Bücherklub) ist ein Vertriebssystem für Bücher, die exklusiv oder zu Vorzugspreisen an Mitglieder der Buchgemeinschaft verkauft werden. Eine Buchgemeinschaft operiert in der Regel als Verlag oder Teil eines Verlags. Fließende Übergänge sind hier möglich zwischen expliziten Buchgemeinschaften und effektiv als Buchgemeinschaften funktionierenden Medienvertriebssystemen innerhalb von Genossenschaften, Gewerkschaften, Parteien oder Religionsgemeinschaften. Die Buchgemeinschaft definiert sich im Gegensatz zum stationären Bucheinzelhandel durch die Mitgliedsbindung und der für die Mitglieder verpflichtenden Abnahme einer Mindestmenge an Büchern in einem bestimmten Zeitraum. Die in der Buchgemeinschaft erscheinenden Parallelausgaben unterscheiden sich durch einen niedrigeren Preis und dem von der Originalpublikation variierenden Erscheinungstermin und der Buchausstattung. Die rechtliche Grundlage dafür ist das Potsdamer Abkommen.[1]
Die Buchgemeinschaft hat gegenüber dem regulären Verlagsgeschäft, bei dem der Verlag dem Buchhandel Gewinnmargen bis zu über 50 % gestatten muss, den Vorteil einer Kostenreduzierung: Der Verlag oder die bereits organisierte Gemeinschaft, die für den Eigenbedarf verlegerisch tätig wird, distribuiert die Ware direkt an die Mitglieder. Die Buchpreisbindung gilt für Buchclubs nicht. Der Verkauf kann über Werbung in Vereinsorganen, über Kataloge oder über ein festes Abonnement erfolgen. In der Regel sind spezielle Abnahmemodalitäten vereinbart: das Gemeinschaftsmitglied verpflichtet sich monatlich oder jährlich einen oder mehrere Titel zu erwerben, oder für einen bestimmten Betrag Bücher abzunehmen. Treueprämien, Geschenke für langjährige Mitglieder, Prämien für Neuwerbungen können die Kundenbindung erhöhen. Die Buchgemeinschaft kann im selben Moment über die Mitgliedschaft auf sicheren Absatz kalkulieren, Titel in Lizenz nehmen oder gar dank der Sicherheit des Absatzes speziell für die Mitglieder auflegen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Anfänge der Buchgemeinschaften liegen im Vereinswesen des 19. Jahrhunderts: die vielfältigen religiös, sozial und politisch orientierten Vereine schufen gemeinsam mit bestimmten Verlagen ein Mittel, die jeweiligen Mitglieder mit Informationsmaterial und Stoffen zur ideologischen Orientierung zu versorgen. Bereits damals begann in diesem Zusammenhang der Aufstieg des Hauses Bertelsmann.
Die erste große Buchgemeinschaft war der Verein für deutsche Literatur, welcher 1873 gegründet wurde. Eine Blütezeit der Buchgemeinschaften in Deutschland begann während der Weimarer Republik in den Zwanziger Jahren. Dank des relativ hohen Organisations- und Integrationsgrads - insbesondere in den Gewerkschaften und Parteien - konnte mit den Mitgliedern als Buchkunden gerechnet werden. Zwei beispielhafte Gemeinschaften hierfür sind Der Bücherkreis und die Büchergilde Gutenberg.
Mit eigenem Parteiverlag - dem Zentralverlag der NSDAP, Verlag Franz Eher Nachf. - war die NSDAP entscheidend über den Schriftenvertrieb finanziert.
Eine zweite Blüte erlebte die Organisationsform der Buchgemeinschaft, als Ende des Zweiten Weltkriegs der Vertrieb über Kataloge und Abonnenten in die Lücke sprang, die der stationäre Buchhandel im kriegszerstörten Land so schnell nicht schließen konnte. Buchgemeinschaften nutzten hier Vorteile bei der Erschließung der Landbevölkerung und der unteren Schichten als Kundengruppen. Mit einem aggressiven gegen den lokalen Buchhandel gerichteten Marketing gelang es dem Bertelsmann-Konzern in den 1950ern, auf dem Feld der Buchgemeinschaften eine Monopolstellung zu erlangen - von Vorteil war hier insbesondere die innerbetriebliche Organisationsform, die Subunternehmern Gewinnbeteiligungen garantierte. Konkurrenten auf dem Markt bewegte das Angebot im Verlauf des Konzentrationsprozesses, eigene Kunden in den Bertelsmann-Kundenkreis zu überführen und auf diese Weise ohne weitere Arbeit leisten zu müssen, von den Gewinnbeteiligungen zu leben.
Die große Zeit der Buchgemeinschaften endete in den 1970ern und 1980ern, als Buchhandlungen wie Hugendubel in ein neues Massengeschäft einstiegen und dadurch die Hemmschwelle der Kunden, eine Buchhandlung zu betreten und sich nötigenfalls beraten zu lassen, senkten. Das neue Marketingkonzept war eher das des Kaufhauses, in dem sich der Kunde frei bewegt, in Bücher hineinlesen darf, innerhalb einer Masse anderer Kunden sich bewegt, zwischen denen er nicht auffällt, es sei denn er sucht Beratung.
Spezielle Buchgemeinschaften wie die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt stabilisierten sich mit Angeboten enormer Qualität, die über umfangreiche kommentierte Kataloge den speziell diese Materie interessierenden Kundenstamm erreichen. Ausweitungen des Geschäfts auf den Vertrieb von CDs und Möbeln (vorzugsweise Regale) kamen bei vielen der Unternehmen hinzu. Die Büchergilde Gutenberg machte sich zusätzlich einen Namen mit künstlerisch hochwertig gestalteten Büchern.
In der DDR bildete die 1965 bis 1990 erschienene Reihe buchclub 65 die einzige Buchgemeinschaft, die im Wesentlichen auf Produktionen der Verlage Aufbau-Verlag, Mitteldeutscher Verlag, Rütten & Loening, Verlag Volk und Welt / Kultur und Fortschritt sowie Verlag Neues Leben basierte. Dem gingen die Reihen Buch der Jugend, (1960 - 1964) und Buch des Monats voraus, die im Buchclub 65 weiterbestanden.
Markant unter den nicht primär als Verlag ausgewiesenen Vertriebssystemen waren die Zeugen Jehovas, die sich lange Zeit primär über den Schriftenvertrieb (Wachtturm, Erwachet) und die eigene Verlagsstruktur (Wachtturm-Gesellschaft u. -verlag) finanzierten.
Liste von Buchgemeinschaften
Deutschland
(in zeitlicher Reihenfolge)
- Allgemeiner Verein für Deutsche Literatur, Berlin, Gründung 1873
- Volksverband der Bücherfreunde, Berlin, Gründung 1919
- Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, Gründung 1924 in Leipzig
- Der Bücherkreis, Berlin, Gründung 1924, Verbot 1933
- Deutsche Buch-Gemeinschaft, Darmstadt, Gründung 1924 in Berlin
- Universum Bücherei für alle, Berlin, Gründung 1926, Einstellung 1939
- Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, Gründung 1949 als Wissenschaftliche Buchgemeinschaft
- Der Club Bertelsmann, Rheda-Wiedenbrück, Gründung 1950 als Bertelsmann Lesering
- buchclub 65, Leipzig, Gründung 1965, Einstellung 1990
- siehe auch: Direct Group Bertelsmann, Gütersloh, Gründung 2000, Auflösung 2011
Großbritannien
- Left Book Club, London, Gründung 1936, Auflösung 1948
Österreich
- Buchgemeinschaft Donauland, Wien, Gründung 1950
Portugal
- Círculo de Leitores, Lissabon, Gründung 1971
Literatur
- Michael Kollmannsberger: Buchgemeinschaften im deutschen Buchmarkt. Funktionen, Leistungen, Wechselwirkungen Harrassowitz, Wiesbaden 1995 (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München 49) ISBN 3-447-03628-1
- Mathias Giloth: Kundenbindung in Mitgliedschaftsystemen. Ein Beitrag zum Kundenwertmanagement, dargestellt am Beispiel von Buchgemeinschaften Lang, Frankfurt 2003 (Schriften zu Marketing und Management 46) ISBN 3-631-50529-9
- Urban van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik. Mit einer Fallstudie über die sozialdemokratische Arbeiterbuchgemeinschaft "Der Bücherkreis." Hiersemann , Stuttgart 2002 (Reihentitel: Bibliothek des Buchwesens Bd. 13) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 2000 ISBN 3777202371 (Inhaltsverzeichnis: [2])
Weblinks
- Büchergilde Gutenberg (Frankfurt am Main)
- Der Club Bertelsmann (Gütersloh)
- Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) (Darmstadt)
- buchclub 65 im DDR-wiki
- Donauland (österreichische Buchgemeinschaft), siehe auch: auf aeiou
- Diplomarbeit zu Buchgemeinschaften in Österreich
- http://www.boersenblatt.net/389023/ Beitrag von Cornelia Weileder: Buchgemeinschaften: memento mori?
Einzelnachweise
Kategorien:- Buch
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