Eldor Pohl

Eldor Pohl
Eldor Pohl

Eldor Richard Guido Pohl (* 9. Januar 1857 in Grünthal, Kreis Friedland, Ostpreußen; † 22. April 1935 in Tilsit) war Oberbürgermeister und Ehrenbürger von Tilsit und Verwaltungschef in Wilna.

Inhaltsverzeichnis

Student in Königsberg

Nach dem Abitur am Bartensteiner Gymnasium studierte Pohl Rechtswissenschaft an der Albertina (Königsberg). Es war ein für ihn bezeichnender Entschluss, im Wintersemester 1878/79 bei Masovia aktiv zu werden, obwohl das „halsstarrige“ Corps 1876 aus dem SC und dem HKSCV ausgetreten und vier Jahre isoliert war.[1] Pohl erwies sich als guter Fechter und klammerte zweimal die Zweite Charge. Im WS 1880/81 wurde ihm auf einer Mensur die Nase abgeschlagen. Man fand sie im Paukschurz. Nach mehreren Operationen erkannte man Pohl zeitlebens an seiner „vollendet kühnen“ Nase.

Verwaltungsjurist

Schon als Gerichtsassessor zur Königsberger Stadtverwaltung beurlaubt, wurde Pohl 1895 Stadtrat in Königsberg (Preußen). Fünf Jahre später wählte ihn Tilsit für zwölf Jahre als Nachfolger des Oberbürgermeisters Robert Thesing. Ostpreußens zweitgrößte Stadt war durch ihre günstige Lage an der Memel im 19. Jahrhundert zu rascher Blüte gekommen und galt als eine Stadt des Handels und Verkehrs. Das Beiwort „Stadt ohnegleichen“ hing ihr schon viele Jahrzehnte wegen des Aufbaus der Schulsysteme an. Schon seit 1586 gab es das humanistische Gymnasium.

Tilsit

Bald nachdem Pohl in das Rathaus[2] eingezogen war, spürte man seine energische Persönlichkeit in allen Gemeindefragen. Bei seinem Dienstantritt hatte die Stadt rund 30.000, bei seinem Ausscheiden 24 Jahre später fast 50.000 Einwohner.[3] Schon 1900 bekam die Stadt eine Straßenbahn. Das Straßennetz und die Kanalisation wurden ausgebaut, ein neuer Wasserturm errichtet. 1908 wurde der neue Villenstadtteil am Schloßmühlenteich mit seinen Anlagen, dem neuen Realgymnasium und einem Botanischen Garten erschlossen und mit einer Straßenbrücke verbunden. Spielplätze, Altersheime, Schulen, ein Pferderennplatz und Promenaden nach dem Stadtwald entstanden. Im neuen Waldfriedhof stand eines der ersten deutschen Krematorien.

Das Stadtgebiet vergrößerte sich durch den Ankauf von Liegenschaften. Dem Theater galt besondere Pflege. An der Memel wurden neue Kaianlagen gebaut. Die 1907 fertiggestellte 416 m lange Königin-Luise-Brücke mit ihren weitschwingenden Bogen wurde zum Wahrzeichen der Stadt. Die Parkanlagen in Jakobsruhe bekamen ein neues Gesicht.

Am 2. Dezember 1912 wurde Pohl für weitere zwölf Jahre zum Oberbürgermeister Tilsits gewählt.

1914

Weit bekannt wurde Pohls Name 1914, als russische Truppen die Stadt besetzten. Pohl blieb mit dem Magistratskollegium auf seinem Posten und musste u. a. noch die Geschäfte zweier Landräte übernehmen. Sein umsichtiges Verhalten trug zur Rettung der Stadt bei, die nur wenige Schäden erlitt. Ihm war es bereits zu verdanken, dass beide Memelbrücken erhalten blieben, zu deren Sprengung deutsche Pioniere in der Nacht vom 24./25. August 1914 eingetroffen waren.

Entscheidend wurde der Augenblick, als der russische Stadtkommandant, Oberstleutnant Bogdanow, Pohl vor dem Rathaus die fremde Flagge zur Hissung in die Hand drückte. Pohl gab sie einem Feuerwehrmann weiter, der das Unvermeidliche tun musste. Dieses ruhige und besonnene Verhalten bewies er als Beispiel für die Bürgerschaft in der ganzen Besatzungszeit vom 24./25. August bis 12. September. Täglich musste er zur Dragonerkaserne fahren. Sein Auftreten und Handeln bestimmte die Zarentruppen zu gleicher Zurückhaltung.

Pohl sorgte für Ruhe und Ordnung und hielt das veränderte Wirtschaftsleben aufrecht. Die Schulen wurden geöffnet, Polizei in Zivil eingesetzt. Die Kontribution konnte durch städtisches Notgeld aufgefangen werden. Als die russischen Truppen nach Gefechten am 12. und 13. September weichen mussten, brachte die Bevölkerung ihrem Stadtoberhaupt bei einer Rundfahrt durch die Stadt begeisterte Kundgebungen dar und die Stadtverordnetenversammlung ernannte Pohl am 14. September 1914 zum Ehrenbürger.[4]

Verwaltungschef in Wilna

Am 19. September 1915 wurde Pohl, der das Eiserne Kreuz erhalten hatte und Hauptmann d. R. im 1. Ostpreußischen Grenadier-Regiment Nr. 1 „Kronprinz“ geworden war, vom Oberbefehlshaber Ost als Erster Bürgermeister an die Spitze der deutschen Stadtverwaltung von Wilna berufen. Generaloberst Hermann von Eichhorn würdigte Pohls rastloses Schaffen in einem Brief vom 20. September 1916. Zu seiner Unterstützung berief Pohl Anfang 1916 seinen Corpsbruder Kurt Pilz als Zweiten Bürgermeister und ständigen Vertreter des Stadthauptmanns, wie Pohl seit 1916 in Wilna tituliert wurde. Er selbst wirkte 1917 schon mehr auf seinem alten Posten und übernahm im Juli 1918 endgültig wieder seine Geschäfte in Tilsit.

Nachkriegszeit

Der Versailler Vertrag traf die vom litauischen Teil ihres Hinterlandes abgeschnittene Stadt schwer. Die Wirtschaftsbeziehungen nach Norden und Osten lösten sich, der blühende Holzhandel und die Schneidemühlenindustrie stagnierten. Vor 1914 kamen jährlich bis zu 4.000 Triften mit rund 2 Millionen Festmeter Holz die Memel herab. Die Zellstoff-Fabrik galt als die zweitgrößte Europas. Die Inflation und die Arbeitslosigkeit taten das ihre.

Von Pohls enormer und nicht erlahmender Tatkraft in jenen Jahren zeugten die Anlage des Industrie- und Holzhafens, der Wohnungsbau, die Modernisierung der Berufsfeuerwehr und nicht zuletzt die Eingemeindung von Randgemeinden Tilsits.

Im Frühjahr 1924 trat Pohl mit 67 Jahren in den Ruhestand. Er war Mitglied des Ostpreußischen Provinziallandtages.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Kösener Corpslisten 1960, 87, 734
  2. Tilsits Rathaus wurde 1755 erbaut und 1857 unter dem Oberbürgermeister Heinrich Kleffel umgebaut
  3. Vor 1945 hatte Tilsit etwa 60.000 Einwohner
  4. Ein Promenadenweg am Schloßteich wurde nach Pohl benannt

Quellen

  • H. Lippold: Das Oberhaupt der „Stadt ohnegleichen“. Zeitung der Altmärker-Masuren 30, Kiel 1962, S. 407 f.
  • R. Döhler: Corps Masovia. Die 175jährige Geschichte von Königsbergs ältester und Potsdams erster Korporation im 21. Jahrhundert. München 2005, S. 461-464

Weblinks

Oberbürgermeister von Tilsit


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