Forst Zinna

Forst Zinna
Die Nuthe bei Forst Zinna

Das ehemalige Militärareal Forst Zinna gehört zum Gebiet der Stadt Jüterbog in Brandenburg. Es liegt etwa drei Kilometer nördlich des Jüterboger Ortsteils Kloster Zinna. Der Kasernenkomplex wird im Osten durch die Bundesstraße 101 bzw. auch dem Verlauf der Nuthe und im Westen durch die Bahnstrecke Berlin–Halle berührt. Jenseits der Bahntrasse erstreckt sich nach Westen der ehemalige Truppenübungsplatz Jüterbog, auch als Jüterbog-West bezeichnet (historisch: Schießplatz Jüterbog), der heute zusammen mit dem östlichen Bereich von Forst Zinna entlang des Verlaufs der Nuthe Bestandteil des Naturparks Nuthe-Nieplitz ist. Dieser Teil des Gebietes ist zudem als Naturschutzgebiet Jüterbog-Forst Zinna-Keilberg ausgewiesen.

Inhaltsverzeichnis

Wehrmachtslager

Ehemalige Hauptwache des AH-Lagers

Im Rahmen der deutschen Wiederaufrüstung wurde ab 1934 am Rande des Truppenübungsplatzes Jüterbog ein weiteres Truppenlager angelegt. In der chronologischen Folge nach Altes Lager und Neues Lager erhielt dieses Lager anfangs die Bezeichnung Lager III. Weitere Ortsbezeichnungen waren Waldlager Jüterbog / Forst Zinna bzw. Waldlager Forst Zinna bei Jüterbog. Alsbald danach bekam der Ort den amtlichen Namen Adolf-Hitler-Lager. Neben dem eigentlichen Truppenlager rundeten ein abgetrenntes Proviantlager und der Bau eines Bahnhofs (1937) den Komplex ab. Bis zur Fertigstellung des Bahnhofs wurde der Eisenbahnverkehr über den Bahnhof Grüna-Kloster Zinna abgewickelt.

Erster Nutzer des Lagers war, wie Zeitzeugen berichteten (schriftliche Quellen fehlen dazu), die SS. Ab Herbst 1935 nutzte die Artillerieschule Jüterbog das Lager zur Aufstellung von Beobachtungs-Abteilungen für die Artillerietruppe. Ab Anfang der 40er Jahre war seitens der Artillerieschule Jüterbog der Lehrstab T, welcher sich mit der Ausbildung von Fahrern für Kettenfahrzeuge befaßte, in dem Lager untergebracht. Dazu kam eine Aufstellungsabteilung für die in Jüterbog entwickelte Sturmgeschütz-Waffe.

In den letzten Kriegswochen waren hier Teile der in Jüterbog aufgestellten RAD-Infanterie-Division Friedrich Ludwig Jahn einquartiert.

Internierungslager

Gleich nach Ende des Zweiten Weltkrieges betrieb die sowjetische Besatzungsmacht hier ein Lager für displaced persons. Angehörige verschiedener Staaten wurden hier - oft gegen ihren Willen - konzentriert und dann in Sammeltransporten in ihre Herkunftsländer abgeschoben.

Verwaltungsakademie

Ab 1947 nutzte die auf Beschluss der SED gegründete Deutsche Verwaltungsakademie (DVA) „Walter Ulbricht“.[1] die durch die Wehrmacht geschaffenen Baulichkeiten. Diese umfaßten außer den eigentlichen Kasernen und Technikbereichen Kino- und Theatersäle, Restauranträume, Sportstätten in einer gefälligen Architektur inmitten einer parkähnlichen Landschaft, und boten ideale äußere Bedingungen für eine Akademie.

Aufgabe der Bildungseinrichtung war, die politischen Eliten für die schrittweise entstehende Selbstverwaltung der sowjetischen Besatzungszone und der 1949 gegründeten DDR heranzubilden. In den rund 5 Jahren, als sich die Verwaltungsschule in Forst Zinna befand, haben zahlreiche bekannte Personen dort gewirkt. Vizepräsident und Dekan der Agrarpolitischen Fakultät war ab 1949 Edwin Hoernle (1883 - 1952). Beispiel für die radikale Ausrichtung der Studenten der Akademie ist ihr Anschlag auf das Denkmal Friedrichs des Großen in Kloster Zinna, das sie bei Nacht und Nebel vom Sockel holten, um es zu vernichten.

Bedeutende Künstler wurden für die repräsentative Einrichtung und den Ausbau der Akademie verpflichtet. Der aus Jugoslawien stammende Architekt Selman Selmanagic (1905-1986), ein Vertreter des Dessauer Bauhauses, hatte 1947 für die Verwaltungsakademie in Forst Zinna die Möbel zu gestalten. Der Maler Lothar Zitzmann (1924 - 1977), bekannt durch eines der repräsentativen Gemälde des sozialistischen Realismus der DDR, die einst die Eingangshalle vom Palast der Republik dekorierten, hatte noch 1952 einen Staatsauftrag bekommen, um ein Wandbild für die Akademie in Forst Zinna anzufertigen. Bei der Auftragsvergabe wußten wohl die DDR-Politiker selbst noch nicht, daß die Sowjetarmee alsbald darauf das Lager von Forst Zinna für sich reklamieren würde, um hier einen Armeestab unterzubringen.

Im Februar 1953 muß darauf hin die Verwaltungsakademie nach Potsdam-Babelsberg umziehen, wo sie mit der dort bestehenden Deutschen Hochschule für Justiz zur Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ zusammengeschlossen wird.

Sowjetgarnison

Ehemalige Sowjetische Garagen

Nach der Nutzung durch die SED wurde das Gelände wieder von der sowjetischen Armee übernommen. In den 1970er Jahren entstand eine Neuanlage für ein Baubataillon. In dem Militärareal gab es mehrere Verwaltungsgebäude, Wirtschaftsgebäude, ein Kino und einen Zoo.

Am 19. Januar 1988 kam es in Forst Zinna zu einem der schwersten Bahnunglücke der DDR, das durch sowjetisches Militär verursacht wurde. Ein D-Zug stieß mit einem Panzer der sowjetischen Armee, der auf den Gleisen stand, zusammen. Sechs Menschen kamen bei diesem Unfall zu Tode, 33 wurden verletzt.

Konversion

Zufahrt von der B 101 ins heutige NSG

Der größte Teil der militärischen Anlagen und Gebäude wurde bereits im Rahmen der Konversion beseitigt. Ende 2007 wurde mit dem Totalabriß von Forst Zinna begonnen. Eine vorherige Bestandsaufnahme ergab, daß sich auf dem Gelände mehr als 500.000 Kubikmeter umbauter Raum befindet. Es ist geplant, das Gebiet vollständig zu entsiegeln und zu renaturieren. Eines der Ziele der Abrissmaßnahmen besteht darin, mögliche Gewerbeflächen für die Zukunft frei zu halten.

Das Proviantlager aus der Wehrmachtszeit steht heute unter Denkmalschutz[2]. Es besteht aus zwei Speicherbauten, einer Lagerhalle, einem Pförtnerhaus und einem Wohnhaus.

Forst Zinna ist derzeit nur noch zu Fuß oder per Rad erreichbar. Eine von der heutigen B 101 abzweigende Straße wurde im Zuge der Renaturierungsmaßnahmen für den öffentlichen Straßenverkehr gesperrt. Zukünftig wird die Trasse der neuen B 101 von Luckenwalde kommend in Richtung Kloster Zinna größtenteils parallel zur Bahnstrecke am Westrand des Geländes vorbeiführen.

Literatur

  • Marie-Luise Buchinger und Marcus Cante: Denkmale in Brandenburg, Landkreis Teltow Fläming, Teil 1: Stadt Jüterbog mit Kloster Zinna und Gemeinde Niedergörsdorf, Wernersche Verlagsgesellschaft, ISBN 3-88462-154-8
  • Henrik Schulze: Geschichte der Garnison Jüterbog 1864 – 1994, Jammerbock, Osnabrück 2000

Weblinks

 Commons: Forst Zinna – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://books.google.com/books?id=D64GY0T8_M4C&pg=PA688
  2. Denkmalliste (PDF), Seite 14, (371 kB)
52.05583333333313.113333333333

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zinna (Begriffsklärung) — Zinna bezeichnet: Zinna, Gemeinde bei Torgau, Sachsen Fort Zinna, nach dem o.g. Ort benanntes Festungsbauwerk in Torgau; darin: Wehrmachtgefängnis Torgau (1936–1945) Speziallager Nr. 8 Torgau (Fort Zinna) (1945–1948) Justizvollzugsanstalt Torgau… …   Deutsch Wikipedia

  • Kloster Zinna (Jüterbog) — Kloster Zinna Stadt Jüterbog Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Naturpark Nuthe-Nieplitz — Naturpark Nuthe Nieplitz …   Deutsch Wikipedia

  • Fläming — Der Fläming ist ein eiszeitlich gebildeter Höhenzug und gleichzeitig eine historisch gewachsene Kulturlandschaft im südwestlichen Brandenburg und östlichen Sachsen Anhalt. Er erstreckt sich östlich von Magdeburg über mehr als 100 Kilometer… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Baudenkmale in Jüterbog — In der Liste der Baudenkmale in Jüterbog sind alle Baudenkmale der brandenburgischen Stadt Jüterbog und ihrer Ortsteile aufgelistet. Grundlage ist die Veröffentlichung der Landesdenkmalliste mit dem Stand vom 31. Dezember 2010. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Liste schwerer Unfälle im Schienenverkehr — Unfall am Bahnhof Montparnasse, Paris, 1895 Dieser Artikel enthält eine chronologische Auflistung von schweren Unfällen im Schienenverkehr, insbesondere der Eisenbahn, bei denen der Verlust von Menschenleben zu beklagen war oder Schäden in… …   Deutsch Wikipedia

  • ABS Berlin-Leipzig — Berlin Anhalter Bf–Halle (Saale) Hbf Kursbuchstrecke (DB): 250 Streckennummer: 6132 Streckenlänge: 161,6 km Spurweite: 1435 mm (Normalspur) Stromsystem: 15 kV, 16,7 Hz  Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h …   Deutsch Wikipedia

  • ABS Leipzig-Berlin — Berlin Anhalter Bf–Halle (Saale) Hbf Kursbuchstrecke (DB): 250 Streckennummer: 6132 Streckenlänge: 161,6 km Spurweite: 1435 mm (Normalspur) Stromsystem: 15 kV, 16,7 Hz  Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h …   Deutsch Wikipedia

  • Anhalter Bahn — Berlin Anhalter Bf–Halle (Saale) Hbf Kursbuchstrecke (DB): 250 Streckennummer: 6132 Streckenlänge: 161,6 km Spurweite: 1435 mm (Normalspur) Stromsystem: 15 kV, 16,7 Hz  Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h …   Deutsch Wikipedia

  • Ausbaustrecke Berlin-Leipzig — Berlin Anhalter Bf–Halle (Saale) Hbf Kursbuchstrecke (DB): 250 Streckennummer: 6132 Streckenlänge: 161,6 km Spurweite: 1435 mm (Normalspur) Stromsystem: 15 kV, 16,7 Hz  Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”