Gemmingen-Michelfeld (Adelsgeschlecht)

Gemmingen-Michelfeld (Adelsgeschlecht)

Die Herren von Gemmingen-Michelfeld sind die Vorfahren der Freiherren von Gemmingen-Hornberg mit dem Stammsitz Burg Hornberg bei Neckarzimmern. Das herausragende Mitglied der Linie Gemmingen-Michelfeld ist Uriel von Gemmingen (1468–1514), Erzbischof des Erzbistums Mainz.

Inhaltsverzeichnis

Herren von Gemmingen

Die Familie der Freiherren von Gemmingen trägt ihren Namen nach dem Dorf Gemmingen im Kraichgau, einer alten alemannischen Siedlung. Die Herkunft der Familie liegt im Dunkeln. Aus dem 9. bis 12. Jahrhundert gibt es einzelne urkundliche Nennungen, die aber noch keine genealogischen Aussagen erlauben; einigermaßen verlässlich wird dies erst nach der Stauferzeit möglich.[1]

Die kritische Forschung geht heute von Albrecht von Gemmingen aus, der in Urkunden 1268 und 1277 als Siegler beziehungsweise Zeuge erscheint. Im 14. Jahrhundert teilte sich der von ihm ausgehende Stamm in zwei neue Stämme. (Die von Albrechts Brüdern begründeten Linien starben im 16. Jahrhundert aus.) Aus dem Stamm A gingen die Linien Gemmingen-Guttenberg und Gemmingen-Hagenschieß hervor. Aus dem Stamm B, auch Ältere-Bürger-Linie genannt, zweigte sich im 15. Jahrhundert die Linie Gemmingen-Michelfeld ab. Dieser jüngere Stamm der Familie nennt sich ab 1612 – seit dem Erwerb der Burg Hornberg am Neckar – von Gemmingen-Hornberg.[2]

Linie Michelfeld

Hans der Kecke

Hans von Gemmingen (1431–1487), genannt Hans der Kecke oder Keckhans, wurde zum Begründer der Linie Gemmingen-Michelfeld. Um 1455 heiratete er Brigida von Neuenstein zu Michelfeld. Die Anfänge in Michelfeld waren bescheiden. Sein Schwiegervater verkaufte ihm 1460 ein Sechstel des bei Sinsheim gelegenen Dorfes. Zehn Jahre später konnte er ein weiteres Drittel von anderen Eigentümern erwerben und kurz vor seinem Tod einen kurpfälzischen Anteil am Dorf.

Hans der Kecke diente lebenslang den Heidelberger Pfalzgrafen. Nach militärischem Dienst in seinen jungen Jahren wurde er 1465 pfälzischer Vogt in Germersheim. Dieses Amt versah er bis zu seinem Tod im Jahr 1487. Hans von Gemmingen-Michelfeld entspricht dem Bild vom armen Ritter, der zur Versorgung seiner Kinder auf die Institutionen der Kirche angewiesen ist.

Georg und Erpho

Der Sohn Georg von Gemmingen (1458–1511) war am Dom zu Speyer und am Dom zu Worms bepfründet. 1487 bestellte ihn der Bischof von Speyer zu seinem Generalvikar, und ein Jahr später wurde Georg vom Speyerer Domkapitel zum Propst gewählt. Seine Mahnschreiben an den Klerus seines Amtsbezirks zeigen Georg als einen gewissenhaften Amtsträger der Kirche, der sich darum bemüht, verbreitete Missstände abzustellen. In Worms wird er 1494 als Domdekan genannt. Georg von Gemmingen war mit dem Straßburger Humanisten Jakob Wimpfeling befreundet, der von 1484 bis 1498 in Speyer Domprediger war. Wimpfeling besuchte den kranken Freund noch kurz vor dessen Tod am 15. März 1511.

Nach Georgs Tod wählte das Domkapitel dessen Bruder Erpho von Gemmingen (1469–1523) zum Nachfolger; im Oktober 1511 ist Erpho in Speyer als Dompropst und Archidiakon bezeugt. Wie sein Bruder Georg war er Doktor beider Rechte und am Wormser und Speyerer Dom bepfründet. In Worms war er 1498 Domdekan. Als Abgeordneter des Speyerer Bischofs reiste er 1507 zum Reichstag nach Konstanz. Der Erzbischof von Mainz – sein Bruder Uriel – schickte ihn 1508 nach Rom, um dort für ihn das Pallium zu besorgen. Außer diesen wenigen Daten ist aus dem Leben Erphos fast nichts bekannt. Am 24. November 1523 ist er in Speyer gestorben.

Orendel und Weirich

Orendel von Gemmingen (1464–1520) war der einzige Sohn Hans’ des Kecken, der nicht dem geistlichen Stand angehörte. Orendel bemühte sich, durch Kauf und Tausch in den alleinigen Besitz von Michelfeld zu kommen, was ihm durch Verträge mit dem Bischof von Speyer, dem Grafen von Oettingen, dem Pfalzgrafen in Heidelberg und den Vettern in Gemmingen schließlich gelang. Wie sein Vater wurde Orendel nach militärischem Dienst für die Kurpfalz 1493 Vogt im pfälzischen Oberamt Germersheim. 1499 berief ihn der Kurfürst mit dem Titel eines kurpfälzischen Kammermeisters zu seinem leitenden Finanzbeamten. Sein Bruder Uriel – Erzbischof im Erzbistum Mainz – bestellte ihn 1509 zum Oberamtmann der Mainzer Ämter Miltenberg, Bischofsheim, Külsheim, Buchen und Königshofen.

Orendel von Gemmingen war in erster Ehe mit Katharina von Sickingen verheiratet, einer Schwester des berühmt gewordenen Franz von Sickingen. 1491 fand die Hochzeit auf der Ebernburg statt, dem neuen Stammsitz der Herren von Sickingen in der linksrheinischen Pfalz. Katharina starb zwei Jahre später, wenige Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Weirich. Orendels zweite Ehe blieb kinderlos; 1520 ist er in Michelfeld gestorben.

Weirich von Gemmingen (1493–1548) vermählte sich 1519 mit Dorothea von Handschuhsheim, die wenige Wochen später starb. Sie war die Tochter Dieters (VI.) von Handschuhsheim und dessen Frau Gertraud von Gemmingen-Guttenberg, der Schwester Dietrichs († 1526), Wolfs († 1555) und Philipps († 1544). In zweiter Ehe war Weirich mit Benedicta von Nippenburg verheiratet.

Weirich war offenbar in die Unternehmungen seines berühmten Onkels verstrickt, und Franz von Sickingen soll ihn auch der reformatorischen Bewegung zugeführt haben. Folgt man der Inschrift auf Weirichs Epitaph – heute auf Burg Hornberg –, dann hat er 1525 in Michelfeld die Reformation eingeführt. Der mit seiner Familie 1530 aus Heilbronn vertriebene Täufer Endris Wertz lebte viele Jahre unter seinem Schutz im Michelfelder Schloss. Für die Überzeugungen der Täufer hatte Weirich Verständnis.

Literatur

  • Gerhard Kiesow: Von Rittern und Predigern. Die Herren von Gemmingen und die Reformation im Kraichgau. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1997, ISBN 3-929366-57-6
  • Reinhold Bührlen: Die Freiherren von Gemmingen. In: Rund um den Ottilienberg 2 (1982), S. 41–47.
  • Franz Falk: Der Dompropst Georg von Gemmingen, Wimphelings Freund. In: Historisch−politische Blätter für das katholische Deutschland 121 (1898), S. 869–886.
  • Franz Xaver Glasschröder: Die kirchlichen Reformbestrebungen des Speyerer Dompropsts Georg von Gemmingen (1458–1511). In: Beiträge zur Geschichte der Renaissance und Reformation (Festgabe Joseph Schlecht), München/Freising 1917, S. 115–123.
  • C.W.F.L. Stocker: Familien-Chronik der Freiherren von Gemmingen. Heilbronn 1895.

Einzelnachweise

  1. Bührlen S. 41.
  2. Bührlen S. 41f.

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