Franz von Sickingen

Franz von Sickingen
Franz von Sickingen, 1520

Reichsritter Franz von Sickingen (* 2. März 1481 auf Burg Ebernburg über Bad Münster am Stein-Ebernburg; † 7. Mai 1523 auf Burg Nanstein über Landstuhl) war Anführer der rheinischen und schwäbischen Ritterschaft. Als Unterstützer von Anhängern der Reformation stritt er für die Säkularisation der kirchlichen Güter und führte seine Standesgenossen im Ritterkrieg an. Nach Belagerung und Übergabe seiner Burg Nanstein starb er dort an einer schweren Verwundung, die er bei der Beschießung erlitten hatte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Wappen derer von Sickingen[1]

Adelsgeschlecht Sickingen

Das Adelsgeschlecht Sickingen stammte ursprünglich aus Sickingen (Burgen von Sickingen) im heute nordbadischen Kraichgau. Der Ort Sickingen wurde 1936 nach Flehingen eingemeindet, das heute ein Ortsteil von Oberderdingen ist.

Die im Jahre 1606 in den Reichsfreiherren- und 1784 in den Reichsgrafenstand erhobene Linie von Sickingen zu Hohenburg ist die einzige, die noch existiert. Die Linie Sickingen-Schallodenbach erlosch im Jahre 1668, Sickingen-Ebernburg 1768, Sickingen-Sickingen 1834.

Familie

Franz von Sickingen wurde an der unteren Nahe geboren, wo schon sein Großvater Reinhard ansässig gewesen war. Seine Mutter war Margarethe von der Hohenburg im Unterelsass. Als der Vater Schweickhardt im März 1505 starb, hinterließ er Franz, seinem einzigen Sohn, neben der Ebernburg als Stammsitz nicht nur einen großen nichtterritorialen Streubesitz zwischen Nahe, Unterelsass und Kraichgau, sondern offenbar auch ein bedeutendes Vermögen, das zum Teil aus Bargeld, zum Teil aus wirtschaftlichen Investitionen (Silber- und Kupferbergbau), zum Teil aus Schuldverschreibungen verschiedener Reichsfürsten bestand.

Franz heiratete um 1500 – verschiedene Quellen nennen 1498, 1499 bzw. 1502[2][3][4] – Hedwig aus dem Adelsgeschlecht der Flersheimer. Sie wurde die Mutter seiner sechs Kinder und starb am 9. Januar 1515 bei der Geburt des siebten. Bis zum Tod seiner Frau kümmerte sich Franz von Sickingen vor allem um die Konsolidierung seiner Besitzungen.

Zwist mit dem Kaiser

Als Witwer machte Sickingen sich daran, die Verhältnisse des Ritterstandes zu verbessern. Denn modernere Methoden der Kriegsführung nahmen dem Rittertum immer mehr von seiner früheren militärischen Bedeutung, so dass auch der politische Einfluss der Ritter schwand. Sie verarmten wirtschaftlich und gerieten in immer größere Abhängigkeit von den Landesfürsten. Deren Machtfülle einzuschränken war Sickingens Ziel, außerdem wollte er ein Wiedererstarken des Ritterstandes und eine Stärkung der Stellung des Kaisers erreichen.

Der als kühn und unbeugsam geltende Sickingen focht zunächst im kaiserlichen Sold. Trotz des geltenden Landfriedens von 1495 führte er ab 1515 zahlreiche Fehden auf der Grundlage des altdeutschen Fehderechts, das ein Faustrecht darstellte. Das im Reich dominierende Römische Recht lehnte er ab, weil es nach seiner Meinung die Bauern und den niederen Adel, zu dem auch die Ritter zählten, benachteiligte. Meist fanden Sickingens Unternehmungen die Duldung des Pfalzgrafen bei Rhein, des pfälzischen Kurfürsten Ludwig des Friedfertigen. Als Sickingen aber mit der Reichsstadt Worms in Streit geriet, bei dem ihn Götz von Berlichingen unterstützte, wurde er 1515 von Kaiser Maximilian I. geächtet.

Deshalb trat Sickingen, um sein politisches Überleben zu sichern, in die Dienste des französischen Königs Franz I. In dessen Auftrag eroberte er mit einem Aufgebot von 16.000 Landsknechten und 7.000 Reitern die Reichsstadt Metz für Frankreich. Mit 20.000 Gulden in Gold und einem Monatssold für Franz’ Kriegsknechte kaufte sich die Stadt von der Plünderung frei. Die erfolgreichen Fehden gegen Worms, Lothringen, Metz, die Landgrafschaft Hessen und die Reichsstadt Frankfurt brachten Sickingen einen Zuwachs an politischem Gewicht im Reich und weitere beträchtliche Vermögensgewinne ein. Kurz vor seinem Tod zog Kaiser Maximilian den Soldritter, der ihm in französischen Diensten gefährlich war, wieder in das eigene Lager.

Kaiserwahl und Reformation

Nach dem Tode Maximilians im Jahre 1519 war dessen Nachfolge umstritten. Als Führer der Streitmacht, die den Reichstag bei der Wahl des neuen Kaisers zu beschützen hatte, nutzte Sickingen die Möglichkeit, die Wahl in seinem Sinne zu beeinflussen. So wurde nicht Franz I. von Frankreich, sondern der Habsburger Carlos I. von Spanien als Karl V. deutscher Kaiser.

Im selben Jahr lernte Sickingen Ulrich von Hutten kennen, der ihm die Idee einer Reformation der Kirche „an Haupt und Gliedern“ vermittelte, einer radikalen Beschneidung der weltlichen Rolle der Kirche und Reduktion auf die reine Predigt des Evangeliums.

Sickingen hatte sich schon früh für die Sache Martin Luthers eingesetzt und ihm z. B. Asyl angeboten. Während Luther davon keinen Gebrauch machte, sammelten sich 1521/22 eine ganze Reihe anderer bedeutender Köpfe der Reformation auf Sickingens Ebernburg, die wegen ihrer reformatorischen Gesinnung meist ihre Anstellung verloren hatten oder sogar hatten fliehen müssen. Die Ebernburg trug deswegen schon im 16. Jahrhundert den Titel „Herberge der Gerechtigkeit“. Anfang der 1520er Jahre hielten sich dort die Reformatoren Martin Bucer, Johannes Oekolampad, Johann Schwebel, Kaspar Aquila und Kaspar Hedio auf. Diese Theologen begannen sehr bald mit der Einführung kirchlicher Reformmaßnahmen. So sind – lange vor Luther – deutschsprachige Gottesdienste und evangelische Abendmahlsfeiern (mit Austeilung von Brot und Wein) auf der Ebernburg belegt. Mit dem Beginn von Sickingens Feldzug gegen Trier löste sich die Theologengemeinschaft allerdings wieder auf; den meisten der Genannten gelang es, andernorts wieder eine Stelle als Pfarrer zu bekommen.

Johann Schwebel gilt als der eigentliche Verfasser der unter Franz’ Namen veröffentlichten reformatorischen Schrift

Ein sendbrieff, so Franciscus von Sickingen seinem schweher, dem edlen und ernvesten juncker Diethern von Henschuchßheym zu underrichtung etzlicher artickel christliches glaubens kürtzlingen zugeschickt hadt. Datum Ebernburg, am andern tag Petri und Pauli 1522.

Das Datum bezeichnet den 30. Juni, der dem Peter-und-Paul-Tag folgt.

Ritteraufstand und Tod

1521 war der erfolgreiche Heerführer Sickingen das Idol des niederen Adels geworden, der sich in Bedrängnis zwischen der Geldwirtschaft der aufblühenden Städte und den Machtinteressen der Territorialherren befand. Das Einverständnis Karls V. voraussetzend, betrieb Sickingen seine bisher erfolgreiche Fehdepolitik weiter, u. a. gegen die Städte Straßburg und Köln. Der Konflikt mit den süddeutschen Städten brachte Sickingen allerdings erstmals in finanzielle Schwierigkeiten, wozu auch die schlechte Zahlungsmoral Kaiser Karls beitrug, der Sickingen ab 1521 fast 100.000 Gulden schuldete – teilweise als bares Darlehen, teilweise als Auslage für die Anwerbung von Söldnern zu einem dann fehlgeschlagenen Frankreichfeldzug.

1522 unternahm Sickingen als Führer der rheinisch-schwäbischen Ritterschaft (Landauer Einung) den Versuch, das Kurfürstentum und Erzbistum Trier im Sinne der Reformation zu säkularisieren. Mit dem Angriff auf Trier begann er seinen „Pfaffenkrieg“, der auch als „Ritterkrieg“, „Pfälzischer Ritteraufstand“ oder „Trierer Fehde“ in die Literatur eingegangen ist.

Im Gegensatz zu Sickingens früheren Gegnern konnte sein jetziger Gegenspieler Richard von Greiffenklau zu Vollrads, Kurfürst und Erzbischof von Trier, auf eine breite Unterstützung durch andere Landesfürsten bauen. Die kaiserliche Unterstützung, auf die Sickingen gehofft hatte, blieb aus, die Aufständischen wurden sogar mit der Reichsacht belegt.

Nach der gelungenen Eroberung der kurtrierischen Städte Blieskastel und St. Wendel scheiterte die Belagerung Triers im September 1522. Nach dem Winter holte die Fürstenkoalition, zu der neben Kurtrier auch die Kurpfalz unter Ludwig dem Friedfertigen und die Landgrafschaft Hessen unter Philipp dem Großmütigen gehörten, zum Gegenschlag aus. Unter dem Druck ihrer vereinigten Streitmacht musste sich Sickingen Ende April 1523 auf seine westpfälzische Burg Nanstein bei Landstuhl zurückziehen. Dem massiven Beschuss durch die Belagerer hielt die Befestigung lediglich zwei Tage stand, dann musste Sickingen kapitulieren. Er selbst war am 1. Mai während der Beschießung schwer verwundet worden. Zeitgenössischen Berichten zufolge stand er direkt hinter einer Schießscharte, als eine Kanonenkugel dort einschlug, das Mauerwerk zum Einsturz brachte und den Ritter unter sich begrub. Eine schwere Verletzung des Unterleibs führte am 7. Mai zu seinem Tod. Sickingen starb ungebeugt und getreu seinem Wahlspruch

Allein Gott die Ehr – lieb den gemeinen Nutz – beschirm die Gerechtigkeit!

Bereits 1510 hatte Sickingen auch einen Ganerbenanteil an der 50 Kilometer von Landstuhl entfernten Burg Drachenfels im südpfälzischen Wasgau erlangt. Deswegen wurde diese Burg am 10. Mai 1523 von den Siegern zerstört, obwohl der Burgvogt, der mit acht Knechten allein anwesend war, sie angesichts der gewaltigen Übermacht kampflos übergeben hatte. Auch alle anderen Burgen, die vollständig oder teilweise im Eigentum Sickingens gestanden hatten, wurden in den Folgewochen von der Fürstenkoalition übernommen.

Sickingens Nachfahren

1542, 19 Jahre nach dem Tode Sickingens, wurden seine Söhne wieder in die alten Rechte der Familie eingesetzt[5], mussten jedoch die Lehnshoheit der Kurpfalz anerkennen. Sie führten auch in den übrigen Teilen ihres Gebietes die Reformation ein. Die verschiedenen Zweige der Familie traten allerdings im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wieder zum Katholizismus über.

Bedeutung

„Letzter Ritter“

Obwohl Sickingen mit seinen Bemühungen, dem Ritterwesen zu neuer Blüte zu verhelfen, scheiterte und er auch den Rittertitel wahrscheinlich nur ererbt hatte, ohne je zum Ritter geschlagen worden zu sein, wurde ihm von manchen voller Respekt der Titel „Letzter Ritter“ zuerkannt. Diesen Ehrentitel teilt er sich mit seinem Zeitgenossen Kaiser Maximilian I.

Andenken

Sickingen-Städte

Verschiedene Städte und Gemeinden taten sich anlässlich des 500. Geburtstages zu einer Interessengemeinschaft zusammen, gaben gemeinsam eine Sickingenzeitung heraus und nennen sich seither – teilweise inoffiziell – Sickingenstadt. Zu der Interessengemeinschaft zählen Bad Münster am Stein-Ebernburg, Bretten, Landstuhl und Oberderdingen.

  • In Bad Münster am Stein-Ebernburg trägt die Franz-von-Sickingen-Schule den Namen des Ritters. Am Fuße der Ebernburg wurde 1889 ein Denkmal für Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten errichtet mit der Widmung Den Vorkämpfern deutscher Einheit und Grösse.
  • In Landstuhl, die seit 1995 auch offiziell Sickingenstadt als Namensbestandteil führt, sind Einrichtungen nach dem Ritter benannt, so z. B. das Sickingen-Gymnasium, an dem bereits der Schriftsteller Ludwig Thoma Lateinschüler war, oder der Sickingen-Sport-Club (SSC Landstuhl 03). In der Landstuhler Kirche St. Andreas steht ein großes Standbild des Ritters. Aus Anlass des 475. Todestages Franz von Sickingens 1998 wurde ein Sickingen-Jahr ausgerufen und dem bekanntesten Sohn der Stadt an seinem Sterbetag eine Gedenkfeier auf der Burg Nanstein gewidmet.[6]

Geographie

Geographische Bezeichnungen beziehen sich auf Sickingen.

  • Eine Anhöhe auf dem Petrisberg bei Trier, von der aus Sickingen während der Belagerung die Stadt mit Kanonen beschossen haben soll, heißt noch heute Franzens Knüppchen.
  • 1930 wurde in Wien-Favoriten die Sickingengasse nach dem Ritter benannt.

Kultur und Literatur

Kulturelle Ereignisse und literarische Werke gehen auf Sickingens Namen zurück oder beschäftigen sich mit seinem Leben.

  • Die Burgspiele Landstuhl, deren Aufführungen seit 1963 auf Burg Nanstein stattfinden, haben Theaterstücke im Programm, die sich mit Sickingens Schicksal befassen.[7]
  • Ferdinand Lassalle veröffentlichte 1859 das Drama Franz von Sickingen: eine historische Tragödie.

Literatur

  • Kurt Baumann: Franz von Sickingen (1481–1523). In: Pfälzer Lebensbilder. Band 1, Speyer 1964, S. 23–42.
  • Michael Benz: Sickingen-Bildnisse. Gesamtarchiv Schloss Ebnet, München 1985.
  • Thomas Bergholz: Die Grafschaft Sickingen. In: Emil Sehling (Hrsg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. Band 18: Rheinland-Pfalz I, Tübingen 2006, S. 685–701.
  • Otto Böcher: Die Theologen der Ebernburg: Kaspar Aquila, Martin Bucer, Johannes Oekolampad und Johannes Schwebel. In: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und Volkskunde. Band 66/67, 2000, S. 403–423.
  • Gerhard Kaller: SICKINGEN, Franz von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 10, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X, Sp. 24–26.
  • Karlheinz Schauder: Franz von Sickingen. Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern 2006.
  • Reinhard Scholzen: Franz von Sickingen. Ein adeliges Leben im Spannungsfeld zwischen Städten und Territorien. In: Beiträge zur pfälzischen Geschichte. Band 9, Trierer Dissertation 1996, ISBN 3-927754-17-X.
  • Heinrich UlmannSickingen, Franz von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 151–158.
  • Klaus Eberhard Wild: Franz von Sickingen. Ein Ritter in unruhiger Zeit. Sutton Verlag, Erfurt 2007, ISBN 978-3-86680-063-2.
  • Stephan Alexander Würdtwein: Kriege und Pfedschaften des Edlen Franzen von Sickingen. Kirchgessner Verlag, Oberderdingen-Flehingen 1998 (zum Sickingenjahr 1998 unveränderter Nachdruck der ersten Biographie über Franz von Sickingen).
  • Otto Zierer: Bild der Jahrhunderte. Band 14, Bertelsmann, München o. J., S. 84 f.

Weblinks

 Commons: Franz von Sickingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Scheiblersches Wappenbuch.
  2. Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz: Vor 480 Jahren: Der 10. Oktober 1522. Franz von Sickingen in der Reichsacht. 2002, abgerufen am 14. September 2011.
  3. Gerhard Kaller: SICKINGEN, Franz von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 10, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X, Sp. 24–26.
  4. Stadt Bad Kreuznach: Hedwig von Flersheim. Abgerufen am 14. September 2011.
  5. Verbandsgemeinde Landstuhl: Burg Nanstein – Geschichte. Abgerufen am 14. September 2011.
  6. Anke Herbert: Landstuhl im Sickingenjahr 98. In: Die Rheinpfalz. Ludwigshafen, 5. Mai 1998 (Sonderbeilage).
  7. Heinrich Kraus: De letschte Ritter. Volksstück in Westpfälzer Mundart. (Erstaufführung 1996 durch die Burgspiele Landstuhl).
  8. Albert H. Keil: Franz. Mundartsonett. 1997, abgerufen am 14. September 2011.

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