Günter Weigand

Günter Weigand

Günter Weigand (* 1924 in Allenstein, damals Ostpreußen) war ein selbsternannter „Sozialanwalt“, Volkswirt und Amateur-Ankläger, der Opfer eines Justiz- und Psychiatrieskandals wurde.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und beruflicher Werdegang

Günther Weigand verbrachte seine Jugend in Düsseldorf, sein Vater war Justizbeamter. Die Ehe seiner Eltern verlief nicht glücklich, er hatte deshalb eine seelisch bedrückte Kindheit.

Weigand war von 1942 bis 1945 im Kriegsdienst. Nach Ende des Krieges legte er das Notabitur ab und arbeitete 7 ½ Jahre im Postdienst, zuletzt als Inspektor. 1953 begann er neben dieser Tätigkeit ein Theologie-Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität, weil er Ordensgeistlicher werden wollte.

1954 beendete Günter Weigand den Postdienst und wechselte 1954/55 von der Theologie zur Sozialwissenschaft. Er schloss das Studium 1958 als Diplom-Volkswirt ab und promovierte später zum Dr. rer. pol. (Doktor der Staats- und Wirtschaftswissenschaften). Weigand hatte mit seinen Arbeitgebern häufig Streit und wechselte mehrmals seinen Arbeitsplatz. So war er bei der Deutschen Bank, einem Kommunal-Verlag sowie als Krankenpfleger tätig.

In seiner Freizeit engagierte sich Weigand für Mitbürger, die Probleme mit der Justiz hatten. Um seinem Handeln eine Bezeichnung zu geben, die einem Beruf entspricht, ernannte sich Weigand selbst zum Sozialanwalt.

Beschäftigung mit dem „Fall Blomert“

Bekannt wurde Günter Weigand durch die Blomert-Weigand-Affäre, in deren Folge er als „Geißel von Münster“ bezeichnet wurde.

Der Münsteraner Paul Blomert war Angestellter der Kanzlei des damaligen Oberbürgermeisters Busso Peus. Dieser drohte Blomert mit der Entlassung, falls er nicht seine Eheprobleme löse. Blomert ging im Anschluss nach Hause und sagte zu seiner Frau: „Lebe wohl und sorg dich um die Kinder!“ Kurz darauf hörte die Ehefrau drei Schüsse aus dem Schlafzimmer und fand ihren Mann anschließend schwer verletzt auf. Blomert verstarb am selben Tag.

Die Polizei ging von Selbstmord aus, während Paul Blomerts Vater sowie seine Brüder einen Mordfall vermuteten und Günter Weigand kontaktierten. Nachdem eine Obduktion Paul Blomerts von der Staatsanwaltschaft abgelehnt wurde, verteilte Weigand Flugblätter, auf denen stand: „Warum musste Paul Blomert sterben?“ Die Flugblatt-Aktion führte infolge des öffentlichen Drucks zu einer Obduktion. Diese brachte keine neuen Befunde. Ein Schnellgutachter erklärte Weigand indes für geisteskrank. Als Weigand mit einem Haftbefehl abgeholt werden sollte, tauchte er unter.

Psychiatrieskandal, Gerichtsverhandlungen und Haft

In Berlin wurde Weigand nach seiner Flucht verhaftet und kam in zahlreiche psychiatrische Kliniken, u.a. war er für 98 Tage in der forensischen Anstalt in Eickelborn eingesperrt. Nach vier Wochen bekam er seine Habseligkeiten wieder.[1]

Im Anschluss folgten Gerichtsverhandlungen mit insgesamt 122 Sitzungstagen, in denen bezüglich Paul Blomert festgestellt wurde, dass dieser Selbstmord begangen hat. Günter Weigand wurde im Mai 1966 zu zwei Jahren Haft und 1100 DM Geldstrafe verurteilt, u.a. wegen 23-facher Beleidigung sowie mehreren Fällen von übler Nachrede, falscher Anschuldigung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Beamtennötigung. Außerdem wurde ihm die Zahlung der Verhandlungskosten auferlegt, insgesamt zwischen 400.000 und 2.000.000 DM.[2] In der Revisionsverhandlung vor dem Bundesgerichtshof wurde dieses Urteil im November 1967 bestätigt.[3]

Heinrich Böll war von der Sache Weigand „so beunruhigt, daß er eine ansehnliche Summe für die Verteidigung zur Verfügung gestellt habe.“[4]

Seine Freiheitsstrafe verbüßte Weigand in der Justizvollzugsanstalt Siegburg bei Bonn, wo er auch seine spätere Ehefrau kennenlernte. Nach Ablauf der ersten elf Monate wurden ihm im Dezember 1968 acht der restlichen dreizehn Monate erlassen.[5] Von Verfahrungskosten musste Weigand insgesamt 50.000 DM zahlen.

Spätere Jahre

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis sorgte Weigand bis in die 1980er als sog. Sozialanwalt in anderen Fällen für mediale Aufmerksamkeit.[6] 1979 veröffentlichte er im Selbstverlag das Buch Der Rechtsstaat wird uns nicht geschenkt zum Thema Justiz und Gesellschaft.[7] Ebenfalls 1979 erhielt Weigand in einem Vergleich 13.230 DM Schmerzensgeld und Schadensersatz für die unberechtigte Einweisung in die Psychiatrie.[8][9]

Beurteilung Günter Weigands

Gemäß Strafrechtsexperte Karl Peters handelte es sich bei Günter Weigand, zusammen mit Frank Arnau und Hans Martin Sutermeister, um einen „erbitterten Kämpfer für das Recht“.[10]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. … BIS AUF WEITERES IN EINER ANSTALT VERWAHRT Die Affäre Weigand in: Der Spiegel 5/1965 vom 27. Januar 1965
  2. EIN MORD, WIE IHN JEDER BEGEHT…: SPIEGEL-Reporter Gerhard Mauz zum Urteil gegen Günter Weigand in DER SPIEGEL 19/1966 vom 2. Mai 1966
  3. PERSONALIEN: Ludwig Martin in: Der Spiegel 47/1967 vom 13. November 1967
  4. Gerhard Mauz: Ist das der mit der Grastrommel? Über die Bedeutung der BVG-Entscheidung zugunsten Günter Weigands. In: Der Spiegel. Nr. 52, 1978, S. 60 (online).
  5. Berufliches: Günter Weigand in: DER SPIEGEL 23/1969 vom 2. Juni 1969
  6. JUSTIZ: Anderer Trottel in: Der Spiegel 16/1986 vom 14. April 1986
  7. Gerhard Mauz: Mein Ziel war nie, die Mörder zu ermitteln - Gerhard Mauz über ein Buch des Sozialanwalts Dr. Günter Weigand. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1979, S. 80 (online). Mein Ziel war nie, die Mörder zu ermitteln - Gerhard Mauz über ein Buch des Sozialanwalts Dr. Günter Weigand in: Der Spiegel 50/1979 vom 10. Dezember 1979
  8. Spiegel-Artikel vom 2. April 1979
  9. Gerhard Mauz: Ich möchte wieder als Arzt arbeiten. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1981, S. 77 (online).
  10. Karl Peters: „XIII. Kämpferische“ In: Justiz als Schicksal: ein Plädoyer für die andere Seite. De Gruyter, 1979. Seite 192. ISBN 9782010057120

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