Hans Gruß

Hans Gruß

Johann (Hans) Gruß, auch Gruss (* 12. März 1883 in Chemnitz; † 8. April 1959 in München) war ein deutscher Gastronom, Unternehmer, Theaterdirektor und „der erste Vergnügungsindustrielle des südlichen Deutschland“.[1]

Leben

Gruß begann seine Karriere in München in der Fürstenstraße als Gastwirt eines bekannten Gasthauses, „welches sich bis zuletzt in seiner Qualität erhielt, indem es mittags freiwillig einen billigen Kantinenbetrieb mit guter Kost für die Angestellten öffentlicher Körperschaften offen hielt.“[2] Im Jahr 1912 übernahm er das Kabarett Bonbonnière am Kosttor (nahe dem Platzl) von Emil Meßthaler[3] und machte es sehr schnell zu einem der bedeutendsten Künstlerkabaretts und Revue-Theater Deutschlands.[4] Zum musikalischen Leiter bestellte er Ralph Benatzky, als Conferencier verpflichtete er Fritz Grünbaum. Am 11. April 1928 musste das Haus allerdings wegen Konkurses schließen. Ihm gehörte auch das Cherubin-Theater.

Im Jahr 1920 übernahm Gruß auch noch das Deutsche Theater in München als Pächter und Leiter, das vorher ab 1918 dem Bayerischen Volksrat als Parlamentsgebäude gedient hatte. Er wollte mit seinem Operetten- und Revue-Theater der Stadt München den Anschluss an Europas Metropolen verschaffen, weshalb er das Theater umbauen, eine Nobelrestaurant einbauen ließ, in seinen Inszenierung nicht an Aufwand sparte und Ausstattungsrevuen nach dem Muster amerikanischer Varietes zur Aufführung brachte. In seinem vom Bühnenbildner Walter Schnackenberg ausgestatteten Theaterrestaurant Pavillon Gruß, das als elegantestes Lokal Münchens galt, bot er modernste Musik und engagierte deshalb 1922 den erst 17-jährigen „Tschäss-Musiker“ Peter Kreuder, der erst in den 1930er Jahren als Komponist von Filmmusik bekannt werden sollte. 1924 dirigierte Kreuder als 19-Jähriger das Ballorchester des Deutschen Theaters.[5] Gruß gründete zu dieser Zeit auch ein eigenes Ballett aus 36 Tänzerinnen. Mit seiner Unterstützung entwickelte sich München auch zu einem Zentrum des Modern modernen Tanzes.[6]

In den Goldenen Zwanzigern wirkten auch der Münchner Komiker und Kabarettist Karl Valentin und Liesl Karlstadt regelmäßig in Gruß' Ausstattungsrevuen mit. 1926 wurde Gruß vom Bühnenautor Herman Haller wegen eines Plagiatsvorwurfs auf Unterlassung verklagt, ein Valentin-Stück aus dem Programm zu nehmen.[7] Valentin erzählte später über ihn: „Wenn Herr Direktor Gruss im Deutschen Theater lächelnd und lieb in die Garderobe kam, wussten wir bestimmt, dass das Theater leer war. Tobte er aber auf der Bühne wie ein Wilder, war ausverkauft.“[8] Gruß belebte auch den Münchner Fasching. Er ließ den festlichen Bal paré und die beliebten Künstlerfeste wieder aufleben sowie das Faschingsfest Venetianische Nacht, die es bald zu Weltruhm brachte.[9]

Inzwischen galt Gruß längst als „welterfahrener Lebemann und „mit allen Wassern gewaschener“ Kabarett-Chef.[10] Trotz allen Ruhms blieb der „Unterhaltungsindustrielle“ gesellschaftlich kaum anerkannt. So hieß es 1928 im Zwiebelfisch noch resignierend: „Man kann es sich hier <in München> ungestraft erlauben, Männer wie Hans Gruß, die in einem Jahre für die kulturelle Entwicklung Münchens mehr tun, wie die Polizeiverwaltung in zehn, auf gleiche Stufe zu stellen mit geheimen Bordellwirten ....“[11]

In Konflikt mit dem damaligen Verständnis von Sitte und Moral kam Gruß im Jahr 1929, als ein vorbereitetes Gastspiel von Josephine Baker von der Polizei verboten wurde, weil „eine Verletzung des öffentlichen Anstandes und damit der öffentlichen Ordnung zu erwarten gewesen wäre“.[12] Gruß drohte in seiner Empörung sogar mit völliger Schließung seines Theaters.

Ab 1933 fiel er, obwohl NSDAP-Parteigenosse, wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten und seiner Aufführung von Stücken jüdischer Autoren bei den Nationalsozialisten in Ungnade[13] und musste als Intendant zurücktreten. Sein Nachfolger wurde Paul Wolz.

Gruß wurde als bekannte Persönlichkeit vom Schriftsteller Lion Feuchtwanger wie andere Personen seiner Zeit in dessen Roman Erfolg in der Person des Alois Pfaundler porträtiert.[14][15]

Zusätzlich hatte Gruß bereits 1924 noch am Starnberger See das mondäne Seerestaurant im Wellenbad Undosa gebaut,[16] das er in der Nachkriegszeit betrieb.

Sein Tod im April 1959 fand sogar in der AJR Information, einem Blatt der Jüdischen Flüchtlingsvereinigung in Großbritannien, in einer Kurzmeldung Beachtung,[17] da er trotz wachsender Widerstände in der Zeit des Nazi-Regimes jüdischen Autoren und Künstlern Arbeit gegeben hatte und letztlich deshalb das Deutsche Theater verloren hatte.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Autor Lion Feuchtwanger über seine Figur Alois Pfaundler in seinem Roman Erfolg, in der Hans Gruß porträtiert wurde.
  2. Ernst von Salomon: Der Fragebogen, Europäischer Buchklub, 1951, Seite 371 (Auszug)
  3. Biografie Emil Meßthaler (1869-1927)
  4. Rudolf Hösch: Kabarett von gestern, 1900-1933, Band 1, Henschelverlag, 1967, Seite 124 (Auszug)
  5. Martin H. Geyer: Verkehrte Welt, 1998, Seite 268 (Digitalisat)
  6. Welt und Wort, Band 15, Drei Säulen Verlag, 1960, Seite 74 (Auszug)
  7. Helmut Bachmaier: Kurzer Rede langer Sinn. Texte von und über Karl Valentin, Verlag Piper, 1990, ISBN 3492109071 bzw. ISBN 9783492109079, Seiten 193-195 (Auszüge)
  8. Stefan Henze, Andrea Heizmann (Hrsg.): Karl Valentin. Sämtliche Werke. Autobiographisches und Vermischtes, Band 7, Verlag Piper, 1996, Seite 30 (Auszug)
  9. Viktor Mann: Wir waren fünf. Bildnis der Familie Mann, Fischer Taschenbuch, 1976, ISBN 3436022071 bzw. ISBN 9783436022075, Seite 362 (Auszug)
  10. Hannes Burger, Hans Riehl, Martin Schäfer: Palast des Lächelns. Hundert Jahre Deutsches Theater in München, Verlag Hugendubel, 1996, Seite 42(Auszug)
  11. Der Zwiebelfisch. Eine kleine Zeitschrift über Bücher und andere Dinge, Bände 21-22, Verlag H. von Weber, 1928, Seite 172 (Auszug)
  12. Rolf Badenhausen, Ingrid Nohl: Ein Theatermann, Verlag Waidhas & Steinberger, 1977, Seite 207 (Auszug)
  13. Hans-Michael Körner, Jürgen Schläder: Münchner theatergeschichtliches Symposium 2000, 2000, Seite 218 (Digitalisat)
  14. Viktor Zmegac (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur, Band III/1, 2009, Seite 70 (Digitalisat)
  15. Lion Feuchtwanger: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz, Seite 512
  16. München und Umgebung: Tegernsee, Schliersee, Oberammergau, Garmisch-Partenkirchen, Baedeker's Reisehandbücher, Verlag K. Baedeker, 1955, Seite 161 (Auszug)
  17. AJR Information, Association of Jewish Refugees in Great Britain, Juni 1959, Seite 9 (pdf-Datei)

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