Kulturpolitische Gesellschaft

Kulturpolitische Gesellschaft

Die Kulturpolitische Gesellschaft e. V., abgekürzt auch KuPoGe, ist eine am 10. Juni 1976 in Hamburg-Altona gegründete bundesdeutsche Vereinigung kulturpolitisch interessierter Personen und Institutionen mit Sitz in Bonn.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Kulturpolitische Gesellschaft wurde auf Anregung von Teilnehmern der „Loccumer Kulturpolitischen Kolloquien“ der Evangelischen Akademie in Loccum 1976 in Hamburg gegründet. Initiatoren waren mehrere in der Ära der sozialliberalen Koalition bekannt gewordene kulturpolitische Akteure wie Hermann Glaser und Hilmar Hoffmann. Gründer des Vereins waren der Gründungsvorsitzende Olaf Schwencke sowie [[Alfons Spielhoff. Bis in die 1980er Jahre hinein war die Kulturpolitik der jeweiligen Bundesregierungen wenig spektakulär. In den oft mehrstündigen Regierungserklärungen pflegten kulturpolitische Themen allenfalls drei bis vier Minuten einzunehmen. Die Förderstrukturen waren wenig transparent; überdies fehlte es angesichts der föderalistischen Struktur und der Länderkompetenz für Kultur an einem übergreifenden Erfahrungsaustausch und an programmatischen Debatten. Bis heute sind die Aktivitäten der Bundesländer auf dem Gebiet der Kultur nur schwer zu quantifizieren und wegen der unterschiedlichen Behandlung in den jeweiligen Landeshaushalten kaum zu vergleichen.

In dieser Situation lag die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft nahe, die sich zur Aufgabe machte, die kulturpolitische Entwicklung in den Städten, Regionen, Ländern sowie bundesweit und im internationalen Vergleich zu beobachten, kunstschaffende und -vermittelnde Einrichtungen zu beraten und neue Programme, Trägerschaftsstrukturen und Finanzierungsmodelle anzuregen. Der Verein ist weder ein berufsständischer Interessenverband noch an Parteien, Kirchen oder Gewerkschaften gebunden. Obwohl er den Dialog mit der Politik sucht, versteht er sich nicht als Lobby wie der 1981 gegründete Deutsche Kulturrat oder der Kulturrat NRW, in denen die Kulturpolitische Gesellschaft als institutionelles Mitglied oder mit Gaststatus vertreten ist, sondern eher als „Denkfabrik“.

Als Hauptziel des Vereins formulierten die Gründer, den Prozess der kulturellen Demokratisierung voranzutreiben. Zur Umsetzung dieses Ziels sei es, wie es in der Grundsatzerklärung von 1976 hieß, notwendig,

  • die Trennung der ästhetischen und geistigen Welt von den Realitäten des Alltags zu überwinden;
  • die Entfaltung und Entwicklung sozialer, kommunikativer und ästhetischen Möglichkeiten und Bedürfnisse sowie Beteiligung aller Bürger am Kulturleben zu fördern;
  • kulturelle Alternativen und Innovationen zum traditionellen Kulturangebot zu ermöglichen.

Die Kulturpolitische Gesellschaft erregte Aufsehen mit Thesenpapieren wie Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik (1976) oder der Hagener Erklärung (1993). Sie hat den Begriff Soziokultur in der kulturpolitischen Debatte verankert und sich für die Gründung des Fonds Soziokultur (1986) eingesetzt, in dessen Gremien sie seit 1988 mitwirkt. Von 1990 bis 1994 baute sie ein Büro für die neuen Bundesländer in Berlin auf.

Nachdem die Gesellschaft zunächst in Köln angesiedelt war, zog sie 1982 nach Hagen um, wo ihr der Hohenhof im Stadtteil Emst als Geschäftsstelle diente. Seit Juni 1996 hat sie ihren Sitz in Bonn, wo sie im Vereinsregister des Amtsgerichts eingetragen ist (VR 8284) und im Haus der Kultur, Weberstraße 59 residiert.

1977 führte die Kulturpolitische Gesellschaft die erste von bisher 55 Tagungen in Loccum durch. 1993 wurde in Dortmund ein Kongress unter dem Titel Blick zurück nach vorn ausgerichtet. Im Jahr 2001 bildete die Tagung kunst.macht.kulturpolitik den Auftakt einer Serie von bisher fünf kulturpolitischen Bundeskongressen mit gleichem Titel.

Struktur

Die Kulturpolitische Gesellschaft nimmt Institutionen und Einzelpersonen als Mitglieder auf. Im Jahr 1981 hatte die Kulturpolitische Gesellschaft 650 Mitglieder; im Jahr 2003 waren es 1.400 Einzel- und 200 korporative Mitglieder, darunter Kulturdezernenten, Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller sowie Mitarbeiter kulturpolitisch relevanter Einrichtungen.

Regional- und Landesgruppen der Kulturpolitischen Gesellschaft existieren in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin-Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rhein-Neckar, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Vorsitzender des Vereins ist seit 1997 Oliver Scheytt. Seit 1988 ist Norbert Sievers Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft. Der Verein hat außerdem zwei Vizepräsidenten, einen Schatzmeister und 16 Beisitzer.

Die Kulturpolitische Gesellschaft wird vom Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gefördert.

Aktivitäten

Das Aufgabengebiet der Gesellschaft umfasst derzeit:

  • die Intensivierung der kulturpolitischen Debatte;
  • die publizistische Vermittlung von Informationen und Meinungen zur Kulturpolitik;
  • die Erarbeitung von wissenschaftlichen Expertisen, Bestandsaufnahmen und Forschungsaufträgen.

Die Kulturpolitische Gesellschaft ist Träger des 1996 gegründeten Instituts für Kulturpolitik, das seit 2000 vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert wird und in dem auch der EU-geförderte Cultural Contact Point Germany (CCP) angesiedelt ist. Diese Kultur-Kontaktstelle wurde 1998 als Ansprechpartner eingerichtet und informiert mit Seminaren, elektronischem Newsletter und auf der Website zum Thema europäische Kulturförderung.

Seit 2008 unterhält die Kulturpolitische Gesellschaft die aus EU-Mitteln und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Kontaktstelle Deutschland "Europa für Bürgerinnen und Bürger" (KS EfBB). Sie fördert Veranstaltungen und Publikationen, die den Bürgern die Europäische Union, ihre Institutionen sowie die zugrunde liegenden Werte näher bringen und der europäischen Integration dienen.

Ferner betreibt der Verein ein Projekt „Studium/Arbeitsmarkt Kultur“ und die Initiative „Faires Praktikum“ gegen Ausbeutung von Praktikanten im Kulturbetrieb.

Die Kulturpolitische Gesellschaft gibt seit 1977 vierteljährlich die Kulturpolitischen Mitteilungen (früher Kulturpolitischer Lagebericht), viermal jährlich einen Mitgliederrundbrief und seit 2001 das Jahrbuch für Kulturpolitik heraus. Ferner erscheinen, meist in Kooperation mit dem Essener Klartext Verlag drei Schriftenreihen: Dokumentationen (seit 1978, bisher 68 Titel), edition umbruch (seit 1993, bisher 25 Titel) und Materialien.

Jährlich verleiht die Gesellschaft einen Kulturpreis an eine beispielhafte soziokulturelle oder kulturpolitische Initiative.

Träger des Kulturpreises der Kulturpolitischen Gesellschaft

  • 1977 Bürgerhilfe Sozialpsychatrie Frankfurt/M. e.V.
  • 1978 Arbeiterinitiative der Arbeitersiedlung Eisenheim in Oberhausen
  • 1979 Verein SO 36 und Bürgerinitiative SO 36 in Berlin-Kreuzberg
  • 1980 Europäisches Ausbildungszentrum für Handwerker im Denkmalschutz, Insel San Servolo, Venedig
  • 1981 Selbstverwaltetes Kommunikationszentrum „KOMM“, Nürnberg
  • 1982 Regionale Arbeitsstelle zur Förderung ausländischer Kinder und Jugendlicher (RAA) im Ruhrgebiet, Oberhausen
  • 1983 TRAUM-A-LAND, Verein zur Förderung alternativer Lebensformen in der Provinz e.V., Boxberg-Wölchingen
  • 1984 Kultur Kooperative Ruhr (KKR), Dortmund
  • 1985 Soziokulturelle Zentren „Club Voltaire“, Tübingen, und „Goldener Anker“, Pforzheim
  • 1986 Museum der Arbeit, Hamburg
  • 1986 Freizeitheim Linden, Hannover (zusätzliche Auszeichnung für soziale Kulturarbeit).
  • 1987 Jugendkunstschule im Kreativ-Haus, Münster
  • 1988 Büro für ungewöhnliche Maßnahmen, West-Berlin
  • 1989 Kinderzirkus Giovanni, Hannover-Wettbergen
  • 1990 Kinderkunst-Galerie Sonnensegel, Brandenburg
  • 1991 Deutschlandsender Kultur, Berlin-Ost
  • 1992 Kulturscheune Lange Wiese, Haunetal
  • 1994 Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager, Papenburg
  • 1995 Radio SFB4 MultiKulti, Berlin
  • 1996 Deutsch-Polnisches Literaturbüro Oderregion e.V., Frankfurt/Oder
  • 1999 Bremer Initiative für Kultur »Anstoß« & Bremer Kulturrat
  • 2001 Ehrenamtliche Mitarbeiter des Reiss-Museums, Mannheim
  • 2002 Cranach-Stiftung, Wittenberg
  • 2003 Werkstatt der Kulturen, Berlin
  • 2004 Stiftung Geißstraße 7, Stuttgart
  • 2005 Kulturelles Aktionsprojekt (KAP) Torgau e.V., Torgau
  • 2006 Kulturhaus Kresslesmühle, Augsburg
  • 2007 Unperfekthaus, Essen
  • 2008 48 Stunden Neukölln, Berlin
  • 2009 künstLich e.V., Lich
  • 2010 Archiv der Jugendkulturen, Berlin

Literatur

  • Oliver Scheytt (Hrsg. unter Mitarbeit von Michael Zimmermann): Was bleibt? Kulturpolitik in persönlicher Bilanz. Kulturpolitische Gesellschaft/Klartext Verlag, Bonn/Essen 2001 (Edition Umbruch 16), S. 151 ff., ISBN 3-89861-053-5
  • Max Fuchs: Kulturpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-90647-8
  • Ralf Kleinfeld, Annette Zimmer, Ulrich Willems (Hrsg): Lobbying. Strukturen, Akteure, Strategien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, S. 265–268, ISBN 3-8100-3961-6
  • Volker Thomas: Die Kulturpolitische Gesellschaft: Das Machbare erkennen und gemeinsam umsetzen. Goethe-Institut, Online-Redaktion, April 2007 (Web-Ressource)
  • Kulturpolitische Gesellschaft (Hrsg.): Kultur.Macht.Europa – Europa.Macht.Kultur. Begründungen und Perspektiven europäischer Kulturpolitik. Dokumentation des vierten Kulturpolitischen Bundeskongresses. Klartext Verlag, Essen 2009 (Edition Umbruch 23), ISBN 978-3-89861-942-4

Weblinks


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