Josef Haubrich

Josef Haubrich
Portrait Dr. Josef Haubrich von Heinrich Hoerle (1931)

Josef Haubrich (* 15. Juni 1889 in Köln; † 4. September 1961[1] in Bad Münstereifel) war ein Kölner Jurist und Kunstsammler, der seine bedeutende Sammlung expressionistischer Kunst über die Jahre des Nationalsozialismus bewahren konnte und sie 1946 seiner Heimatstadt schenkte. Nach Haubrich wurde der nahe dem Neumarkt entstandene Bereich von Kultureinrichtungen Josef-Haubrich-Hof und das von 1967 bis 2001 existierende dortige Ausstellungsgebäude Josef-Haubrich-Kunsthalle genannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit, Jugend und Ausbildung

Josef Haubrich wurde 1889 als erstes Kind von Nikolaus Wilhelm Haubrich und Maria Christine Hubertine Wilhelmine Haubrich, geb. Ritzefeld geboren. Er wuchs mit seinen Geschwistern Leo und Paula in wohlhabenden bürgerlichen Verhältnissen heran und hatte durch seinen kunstinteressierten Vater schon als Kind und Jugendlicher Kontakt zur damals etablierten Kunst, etwa durch Studienreisen, aber auch durch die neu entstandenen städtischen Museen in Köln wie das Wallraf-Richartz-Museum, das Museum für Angewandte Kunst, das Schnütgen-Museum und das Rautenstrauch-Joest-Museum.

Nach dem Besuch einer Mittelschule und des Gymnasiums an der Kreuzgasse legte Haubrich 1907 das Abitur ab und zog zum Sommersemester desselben Jahres nach München, um ein Jurastudium aufzunehmen; im Winter darauf wechselte er jedoch nach Berlin. In beiden Städten suchte er den Anschluss an die örtliche Kunstszene, verlor jedoch sein Studium nicht aus den Augen. Zwei Semester verbrachte er wieder heimatnah an der Universität Bonn, so dass er 1910 am Oberlandesgericht Köln sein Referendarexamen ablegen und seine Dissertation unter dem Titel „Die Diskontierung von Buchforderungen“ schreiben konnte.

Kontakt zur Kunstszene in der Vorkriegszeit

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieges war Bewegung in die Kölner Kunstwelt gekommen; das Wallraf-Richartz-Museum kaufte ein erstes Gemälde von van Gogh und eine Sammlung mit Bildern von Wilhelm Leibl auf; außerdem fand 1912 die für die moderne Kunst wegweisende Sonderbundausstellung mit Werken von van Gogh, Cézanne, Picasso und vielen anderen statt. Die Begegnung mit den über rund 600 Werken aktueller Kunst dürfte für den jungen Haubrich prägend für seine Begeisterung an neuen Entwicklungen in der Kunst gewesen sein. Hinzu kam 1914 die Kölner Werkbundausstellung mit weiteren Impulsen.

Nach seinem Referendariat legte Haubrich 1915 in Berlin sein Assessorexamen ab; 1916 darauf hielt er sich weitere Wochen in Berlin auf, um sich seiner Musterung zu unterziehen, bei der er wegen eines Herzfehlers dauerhaft wehrunfähig geschrieben wurde. Eine Begegnung mit Herwarth Walden und den Werken von Franz Marc in dieser Zeit gilt dem Biografen Peter Fuchs als Geburtsstunde von Haubrichs Leidenschaft für den Expressionismus. Seine erste selbsterworbene Plastik war eine Skulptur von Wilhelm Lehmbruck, der vielen noch als allzu avantgardistisch galt.

Haubrich eröffnete gemeinsam mit einem Freund eine Anwaltspraxis, die recht schnell florierte, und heiratete 1916 Johanna Kux. Aus der Ehe gingen die gemeinsamen Kinder Karl-Klaus (* 1917) und Ruth Luise (* 1919) hervor.

Aufbau der Sammlung in der Weimarer Republik

In den Jahren nach Kriegsende legte Haubrich den Grundstock für seine umfangreiche Sammlung expressionistischer Kunst. War ein Aquarell von Otto Dix in der Inflationszeit noch für einen halben US-Dollar zu erwerben, so zahlte er 1923/1924 für zwei Werke von James Ensor etwa 10.000 Goldmark, den damaligen Gegenwert von mehreren hochwertigen Immobilien. Haubrich wurde stellvertretender Vorsitzender des Kölnischen Kunstvereins und schrieb unter dem Pseudonym Dr. Ludwig Josef Kunstrezensionen in der sozialdemokratischen Rheinischen Zeitung. Dabei sparte er nicht mit Kritik an der städtischen Kulturverwaltung, der er vorwarf, den Ankauf moderner Kunst zu vernachlässigen.

Nachdem seine Ehefrau 1922 starb und Haubrich mit seinen beiden Kindern zurückblieb, heiratete er 1923 Amalie Antonie Timmermanns; die Ehe wurde jedoch nach kurzer Zeit geschieden und er ging 1929 eine dritte Ehe mit der jüdischen Frauenärztin Alice Gottschalk ein.

Bewahrung „Entarteter Kunst“ 1933–1945

Ein Stück der Sammlung Haubrich: Weiblicher Halbakt mit Hut von Ernst Ludwig Kirchner, 1911

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fiel das Sammelgebiet Haubrichs in die Kategorie „Entartete Kunst“, und Haubrich wurde – wegen der „Rassezugehörigkeit“ seiner Ehefrau – aus dem Kölnischen Kunstverein ausgeschlossen, was aber eher pro forma umgesetzt worden sein soll. Von seinem Anwaltssozius musste er sich aus denselben Gründen trennen; die Kanzlei wurde aufgeteilt und Haubrich arbeitete von da an in seinem Privathaus.

Haubrich setzte seine Erwerbungen fort und rettete so eine ganze Reihe der in den Museen unerwünschten Kunstwerke. Während nach 1937 aus dem Wallraf-Richartz-Museum 47 Exponate – beinahe der gesamte nachimpressionistische Bestand – entfernt wurden, erweiterte Haubrich zwischen 1933 und 1945 seine Sammlung um 45 Stücke. Nach Gestapo-Durchsuchungen schaffte er einen Großteil seiner Sammlung aus seinem Haus; einen Teil lagerte er im Depot des Wallraf-Richartz-Museums, weitere Stücke außerhalb Kölns bis nach London.

Nach Kriegsausbruch konzentrierte sich Haubrich auf seine Anwaltstätigkeit und zog sich ansonsten ins Privatleben zurück. Der zunehmende Gestapo-Druck vor allem auf seine Frau trieb diese Anfang 1944 in den Suizid. Haubrich heiratete im November 1944 die verwitwete Paula Anna Berta Wegelin. Im Januar 1945 wurde er noch zum Landsturm eingezogen, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in Dienst gestellt. Bald darauf erfuhr er, dass sein Sohn Karl-Klaus im Kessel von Königsberg umgekommen war. Als bei den Kämpfen im Hürtgenwald die Burg Untermaubach unter Beschuss der US-Armee geriet, schaffte er in einer nächtlichen Aktion dort gelagerte Stücke des Kölnischen Kunstvereins und eigene Kunstwerke zurück nach Köln, das immer noch Luftangriffen ausgesetzt war.

Engagement im Nachkriegs-Köln

1951 baute Wilhelm Riphahn ein neues Haus für Josef Haubrich

Als bei Kriegsende 1945 Köln zu großen Teilen in Trümmern lag, hatte die Sammlung Haubrich den Krieg beinahe vollständig und unversehrt überstanden. Die einmarschierenden Amerikaner stellten Haubrichs Haus mit der Sammlung unter besonderen Schutz und vermittelten ihm eine Stelle als Anwalt bei der Militärjustiz. Im Juni 1945 übernahm jedoch die britische Besatzungsmacht Köln und unterstellte den neukonstituierte Stadtrat – dem Haubrich 1946 bis zu seinem Tod angehörte – vollständig dem Kommandeur der Militärregierung. Darüber hinaus wurde Haubrichs Privathaus beschlagnahmt.

Haubrich beschloss in dieser Situation, seine gesamte Sammlung der Stadt Köln als Schenkung zu überlassen. Am 2. Mai 1946 nahm der Stadtrat in Anwesenheit Haubrichs die Schenkung an. Sie enthielt hunderte von Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Plastiken, darunter Werke von Hans Arp, Ernst Barlach, Max Beckmann, Marc Chagall, Lovis Corinth, Otto Dix, Max Ernst, George Grosz, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Paula Modersohn-Becker, Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff, Maurice Utrillo und vielen anderen. Der materielle Wert der Sammlung betrug vor der Währungsreform etwa 7 Mio. Reichsmark, nach der Währungsreform und gesteigerter Nachfrage etwa 5 Mio. DM. Der Sammler knüpfte wenige Bedingungen an die Schenkung, nahm aber noch jahrelang Einfluss auf weitere Zukäufe und die Entwicklung der Bestände. Dabei unterstützte er gemäß Schenkungsvertrag durchaus die Erweiterung und „Durchmischung“ mit Werken anderer Herkunft.

Grabstätte von Alice und Josef Haubrich sowie Lucy Millowitsch-Haubrich auf dem Melaten-Friedhof

Haubrich trug als Vorsitzender des städtischen Kulturausschusses zum Neubau des Wallraf-Richartz-Museums bei, das 1953 bis 1957 nach Plänen von Rudolf Schwarz verwirklicht wurde. Bis zur Fertigstellung des neuen Museums wurde die Sammlung – „die bedeutendste Kollektion moderner Kunst in Deutschland“ in 30 europäischen Städten auf Ausstellungen gezeigt.[2]

Haubrich engagierte sich weiterhin in zahlreichen Organisationen und Gremien, darunter das Kuratorium der Kölner Werkschulen, der Bundesvorstand des Deutschen Werkbundes, der Landschaftsversammlung Rheinland und als Juror bei diversen Kunstpreisen. Von Wilhelm Riphahn ließ er sich 1951 in Köln-Müngersdorf ein neues Haus erbauen, in dessen so genanntem „Tuskulum“, einem Rundbau, seine Bibliothek und – leihweise – einzelne Stücke seiner Sammlung untergebracht wurden. Nachdem seine vierte Ehefrau 1959 verstorben war, heiratete er 1960 in Venezuela die Kölner Schauspielerin Lucy Millowitsch.

Im September 1961 starb Haubrich unerwartet bei einem Urlaubsaufenthalt in Bad Münstereifel an einem Hirnschlag. Er wurde auf dem Kölner Westfriedhof bestattet, 1987 allerdings zum Melaten-Friedhof umgebettet.[3]

Nachwirkung

Einer der Ausstellungsräume für die Sammlung Haubrich im Museum Ludwig

Noch zu Lebzeiten Haubrichs war die Kollektion im neuerrichteten Bau des Wallraf-Richartz-Museums, heute Museum für angewandte Kunst, untergebracht worden. 1976 kam hier die umfangreiche Sammlung Ludwig dazu. Mit dem Neubau des Museum Ludwig, das zunächst auch das Wallraf-Richartz-Museum mitbeherbergte, fand die Sammlung Haubrich ihren Platz in der Dauerausstellung im ersten Stock des Ausstellungsgebäudes.

Bereits kurz nach Haubrichs Tod – vom 8. Oktober bis 12. November 1961 – gab es im Wallraf-Richartz-Museum eine Ausstellung mit dem Thema „Josef Haubrich im Bildnis“. Im März 1964 beschloss der Hauptausschuss des Stadtrates, den Platz vor der im Bau befindlichen neuen Kunsthalle zu Ehren des Stifters Josef-Haubrich-Hof zu nennen. Die Kunsthalle wurde 1967 eröffnet und anlässlich des 90. Geburtstages von Josef Haubrich am 15. Juni 1979 in Josef-Haubrich-Kunsthalle umbenannt. 2002 wurde das Gebäude abgerissen, um einem neuen Museumskomplex Platz zu machen.[4]

Auszeichnungen

Literatur

  • Peter Fuchs (Hrsg.): Josef Haubrich. Sammler und Stifter. Kunst des XX. Jahrhunderts in Köln. Greven, Köln 1959
  • Peter Fuchs: Josef Haubrich. Sammler und Stifter moderner Kunst. Nachrichtenamt der Stadt Köln, 1979 (teilweise wortgleich mit Fuchs-Ausgabe von 1959)
  • Otto H. Förster: Ein Lions-Freund als Kunstsammler und Museumsstifter – L Josef Haubrich zum Gedenken. In: Lions Heft 12, Dezember 1962
  • Horst Keller: Haubrich, Josef. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, S. 73 f. (Onlinefassung).
  • Hans Schmitt-Rost: Josef Haubrich Ein Freund. Herausgegeben von den Freunden des Wallraf-Richartz-Museums Köln, Köln 1963
  • Josef Haubrich: Umgang mit modernen Malern. Kultur, die nicht nur von Vergangenem zehrt. In: Die Zeit, Nr. 37/2008, aus Haubrichs Erinnerungsblättern

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Diverse Publikationen nennen den 5. September als Todesdatum, meist zitiert nach Biograf Peter Fuchs (1979), so das Personenlexikon Köln, die NDB u. a.; der Grabstein auf Melaten sowie die Kartei der Friedhofsverwaltung auf dem Westfriedhof weisen den 4. September 1961 aus, ebenso im Nachlass von Ernst Schwering des Historischen Archivs: archive.nrw.de: „Kondolenzschreiben […] zum Tode von Josef Haubrich (Sept. 4)“; außerdem Werner Schäfke in Das neue Köln 1945–1995, S. 167
  2. Werner Schäfke: Das neue Köln 1945–1995, Ausstellungskatalog, 1995, ISBN 3-927396-62-1, S. 269
  3. Telefonische Auskunft Friedhofsverwaltung Köln, Frau Aust, Umbettung von Josef und Alice Haubrich am 3. Juni 1987
  4. Werner Schäfke: Das neue Köln 1945–1995, Ausstellungskatalog, 1995, ISBN 3-927396-62-1, diverse Fundstellen

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