- Sonderbund (Malerei)
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Der Sonderbund, offiziell Sonderbund Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler, wurde im Jahr 1909 in Düsseldorf als eine Vereinigung von Künstlern, Sammlern und Museumsfachleuten unter dem Vorsitz von Karl Ernst Osthaus, Gründer des Folkwang Museums in Hagen, ins Leben gerufen. Das Ziel war die Förderung künstlerischer Aktivitäten und die Zusammenarbeit von Künstlern und Publikum.[1]
Inhaltsverzeichnis
Gründung und Ausstellungen des Sonderbunds
Vorgeschichte und Gründung
Im Jahr 1905 hatte sich der Kunstverband Düsseldorf gegründet, dem Max Clarenbach, August Deusser und Wilhelm Schmurr angehörten, und der der direkte Vorläufer des Ausstellungsclubs Weisse Nessel war, dessen Name sich auf die weiße Wandbespannung der Ausstellungsräume aus gebleichtem Baumwollstoff bezog. Aus diesem ging der Sonderbund hervor.[2]
Im Jahr 1909 schlossen sich die Düsseldorfer Maler Julius Bretz, Max Clarenbach, August Deusser, Walter Ophey, Wilhelm Schmurr und andere zusammen und gründeten die Gruppe Sonderbund, dessen Name vermutlich auf den Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer (1874–1960) zurückgeht. Sie bezog sich auf die vom 10. bis 31. Mai 1908 veranstaltete ersten Sonder-Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle. Die Gruppe, die bislang aus sieben Künstlern bestand, erweiterte sich um Otto von Wätjen, Ernst te Peerdt, Rudolf Bosselt (1871–1938) und den Typografen Fritz Hellmuth Ehmke (1878–1965). Später kam der aus Hagen stammende Christian Rohlfs hinzu, der von den jüngeren Mitgliedern eine künstlerische Vorbildfunktion erhielt.[2] In den folgenden Jahren entwickelte sie sich zu einer der bedeutendsten Ausstellungsbewegungen der Moderne in Deutschland. Ihr erster Vorsitzender war Karl Ernst Osthaus, sein Stellvertreter der Kölner Zigarettenfabrikant Josef Feinhals.[3]
Von Mai bis Juni 1909 fand die zweite Sonder-Ausstellung Düsseldorfer Künstler in der Düsseldorfer Kunsthalle statt. Gezeigt wurden 85 Bilder von Düsseldorfer Künstlern zusammen mit 15 Werken des französischen Impressionismus, die zwischen die Werkgruppen der Maler des Sonderbundes gehängt wurden, womit sich die Zielsetzung des Sonderbundes nach Forderung einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der französischen und der Düsseldorfer Kunst bereits ankündigte. Nach dieser in der Öffentlichkeit umstrittenen Ausstellung erfolgte die offizielle Gründung des Sonderbund Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler, so der volle Name, in Düsseldorf.[2]
Ausstellungen 1910 und 1911
Nach Gründung des Sonderbundes, dessen Ziel es unter anderem war, „die Probleme der gegenwärtigen Kunst durch Ausstellungen von Werken konsequent […] in Düsseldorf verständlich zu machen“ und „die neuen zeiternsten Bestrebungen der Düsseldorfer Kunst nach außen bekannt zu machen“[4], fanden drei weitere Ausstellungen statt.
Vom 16. Juli bis 9. Oktober 1910 fand im Städtischen Kunstpalast die zweite Ausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler statt. Sie trug den Untertitel Deutsche und französische Neukunst, die damit auf die Gegenüberstellung von Expressionismus und Fauvismus hinwies. Gezeigt wurden 242 Gemälde und Plastiken sowie 278 kunstgewerbliche Arbeiten. Vertretene Künstler der Ausstellung waren unter anderem Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Emil Nolde, Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky sowie André Derain, Maurice de Vlaminck, Édouard Vuillard, Georges Braque und Pablo Picasso, die zum ersten Mal in Düsseldorf mit ihren Werken zu sehen waren.[4]
1911, von Mai bis Juli, fand die dritte Sonderbund-Ausstellung in der Städtischen Kunsthalle statt, die den Untertitel Rheinische und französische Kunst trug. Gezeigt wurden 147 Exponate, darunter 101 französische Werke.[5]
Die Ausstellung 1912
Von den Gemeinschaftsausstellungen des Sonderbunds war die Internationale Kunstausstellung des Sonderbundes westdeutscher Kunstfreunde und Künstler 1912, am bedeutendsten. Sie war die vierte und fand – nach den drei Ausstellungen in Düsseldorf in den Vorjahren – im Jahr 1912 in Köln, Am Aachener Tor, vom 25. Mai bis zum 30. September statt. Laut Katalog sollte dort die „vielumstrittene Malerei unserer Tage“, die Moderne, systematisch vertreten sein. Mitorganisator war Alfred Flechtheim[6].
Im Mittelpunkt der insgesamt 634 Werke, die auf 29 Säle verteilt waren, standen nach Vincent van Gogh mit 107 Werken, dem die Säle 1 bis 5 zugeteilt waren, die Franzosen, die in kleinen Einzelpräsentationen in den Sälen 6 bis 9 gezeigt wurden: Paul Cézanne mit 24 Bildern und zwei Aquarellen in Saal 6, Paul Gauguin, der in einem eigenen Saal – Saal 7 – ausgestellt war. Die umfangreiche, gleichwohl getrennte Präsentation ermöglichte die Darstellung der Künstler in ihrer einmaligen, spezifischen Bildsprache.
Pablo Picasso, der in Saal 8 gezeigt wurde, war mit 16 Werken vertreten neben Henri Matisse, Georges Braque, André Derain, Auguste Herbin, Maurice de Vlaminck und Odilon Redon mit zwei Stillleben, Kees van Dongen sowie den Fauves in Saal 10 und 11. In Saal 10, dem Saal der Niederländer, hing Piet Mondrian mit einer Hyazinthe-Zeichnung in direkter Nachbarschaft zu P. Alma, und Otto van Rees Henri Edmond Cross und Paul Signac teilten sich Saal 9. Die Schweizer Künstler wie Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini waren in Saal 12, österreichische Vertreter wie Oskar Kokoschka, Egon Schiele und Albert Paris Gütersloh in Saal 15, Edvard Munch in Saal 20, sowie Mitglieder der deutschen Brücke und eine Auswahl der Künstler des Blauen Reiters – unter anderem Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky und Franz Marc – in den Sälen 21 bis 24 zu sehen. August Deusser erhielt mit Saal 25 den größten Platz.
Die ein Jahr später dem Rheinischen Expressionismus verbundenen Künstler waren vertreten durch Carlo Mense, Heinrich Nauen, Hans Thuar, Olga Oppenheimer und Walter Ophey. Dieser wurde in Saal 21 gemeinsam mit je einem Gemälde von August Macke, Franz Matthias Jansen, William Straube und Max Clarenbach und je zwei Werken von Rudolf Levy sowie zwei Plastiken von Wilhelm Lehmbruck ausgestellt. Fünf Werke von Heinrich Nauen, zwei Gemälde von August Macke und je ein Gemälde von Helmuth Macke, Max Pechstein und Georg Tappert wurden in Saal 22 gezeigt.[7] Des Weiteren waren zu sehen Paula Modersohn-Becker, Hanns Bolz, Otto Freundlich, Karl Hofer, Alexander Kanoldt und Paul Klee. Ferner gab es die Säle I–IV, in denen eine kunstgewerbliche Ausstellung der „Gilde“ zu sehen war.[8][9]
Die Ausstellung markierte den Abschied von den konzeptionslosen Sammelschauen des 19. Jahrhunderts, indem sie, international ausgerichtet, programmatisch und nichtkommerziell, einen neuen Ausstellungstypus begründete. In Anerkennung der modernen Malerei wurden die Exponate auf einer weißen Wand und mit zumeist einreihiger Hängung ausgestellt; diese Mittel verhalfen dem Eigenwert der Farbe und Form zu größerer Wirkung und beeinflussten nachfolgende Einrichtungen von Ausstellungen bis in die Gegenwart. Das Vorbild hierfür war eine geplante Ausstellung zeitgenössischer französischer Künstler wie Édouard Manet und Paul Cézanne im Jahr 1897 in der Nationalgalerie Berlin; der Gemäldekauf und die im Vorfeld neuartig angelegte Präsentation stammte von dessen Direktor Hugo von Tschudi. Sie wurde jedoch von Kaiser Wilhelm II. abgelehnt und nach alten Regeln ausgeführt; die akademische Malerei dominierte weiterhin, und die französischen Künstler erhielten nur einen abgelegenen Ausstellungsraum. Weitere Neuerungen in Köln waren unter anderem die Kurzführer zu den ausgestellten Werken je Raum, Straßentransparente und Erfrischungsräume.[10]
Der Sonderbund löste sich am 31. Juli 1915 offiziell auf, nachdem es Querelen zwischen Künstlern und dem Vorstand zur Auswahl der Bilder durch eine Jury gegeben hatte. Der neue 1. Vorsitzende des Sonderbunds, der Maler August Deusser, blockierte nach der Ausstellung in Köln 1912 alle Aktivitäten des Bundes, sodass es keine weiteren Ausstellungen mehr gab.[11]
Bedeutung
Die Sonderbund-Ausstellung 1912 war die erste Zusammenfassung moderner Kunst in Europa und hatte nicht nur einen hohen Stellenwert für die Künstler, sondern ebenfalls für den Kunstmarkt, ein Effekt, der erst wieder 43 Jahre später mit der documenta 1 in Kassel vergleichbar werden sollte.[12] Sie inspirierte die Planung der Armory Show 1913 in New York – die sich in Struktur[13], im Titel und unter anderem an der Typografie des Katalogs an ihr Vorbild anlehnte[14] –, nachdem Arthur B. Davies, Präsident der „Association of American Painters and Sculptors“, den Katalog des Sonderbunds zu Gesicht bekommen hatte. Daraufhin schickte er einen Mitarbeiter, Walt Kuhn, nach Deutschland, der in Köln am letzten Tag der Ausstellung ankam. Ein knappes halbes Jahr später wurden bei dieser ersten amerikanischen Präsentation moderner europäischer Kunst in New York viele Exponate der Kölner Ausstellung gezeigt.[15]
Im Jahr 1913 verhalf der Kunsthändler Herwarth Walden der Moderne in Deutschland zu einer weiteren Ausstellung, genannt Erster Deutscher Herbstsalon, in einem eigens angemieteten Gebäude in Berlin an der Potsdamer Straße. Unter den 366 ausgestellten Gemälden fanden neben dem Blauen Reiter, den Kubisten, Henri Rousseau und Robert Delaunay im Gegensatz zu Köln und New York die italienischen Futuristen Aufnahme. Die Ausstellungen von 1912 und 1913 zeigten die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher, wenn nicht gegensätzlicher Tendenzen der Moderne auf.[16]
Literatur
- Internationale Kunstausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler zu Cöln 1912. Städt. Ausstellungshalle am Aachener Tor vom 25. Mai–30. Sept., ill. Katalog. Faks.-Ausg. getreu d. Originalkatalog vom Jahre 1912, gelegentl. d. Ausstellung Westkunst in Köln 1981. Köln, Wienand 1981 DNB
- Wulf Herzogenrath (Hrsg.): Sonderbund 1912, Werkbund 1914, Pressa USSR 1928: Kommentarband zu den Nachdrucken der Ausstellungskataloge. Köln 1981, ISBN 3-87909-111-0, darin: H. von Wedderkop: Führer durch die Sonderbundausstellung (1912), S. 240–269.
- Bernd Klüser, Katharina Hegewisch (Hrsg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Insel Verlag, Frankfurt a. M./ Leipzig 1991, ISBN 3-458-16203-8.
- Stefan Kraus: Walter Ophey 1882–1930. Leben und Werk. Mit einem Werkverzeichnis der Gemälde und Druckgraphik. Hatje, Stuttgart 1993, ISBN 3-7757-0403-5. (zugl. Dissertation, Universität Köln 1991)
- Magdalena M. Moeller: Der Sonderbund. Seine Voraussetzungen und Anfänge in Düsseldorf, Köln 1984, ISBN 3-7927-0798-5.
- Uwe M. Schneede: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48197-3.
Weblinks
- Katja Förster: Auf der Suche nach einem vollkommenen Sein, darin: Franz Marc und der Sonderbund, (PDF; 1,56 MB)
- Dietrich Clarenbach: Wenn man Rheinländer und dazu noch Nüsser’ ist, kann man, was man will…
Einzelnachweise
- ↑ Rika Wettstein: Hans Goltz – Sonderbund. bad-bad.de, abgerufen am 29. Oktober 2009.
- ↑ a b c Stefan Kraus, Stuttgart 1993, S. 18 f.
- ↑ Bernd Klüser, Katharina Hegewisch (Hrsg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts, S. 40
- ↑ a b Stefan Kraus, Stuttgart 1993, S. 20
- ↑ Stefan Kraus, Stuttgart 1993, S. 21 f.
- ↑ Dolchstöße, faz.net, 25. Oktober 2010, abgerufen am 12. April 2011
- ↑ Stefan Kraus, Stuttgart 1993, S. 25
- ↑ Bernd Klüser, Katharina Hegewisch (Hrsg.), S. 41 f.
- ↑ Uwe M. Schneede: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert, C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48197-3, S. 61 f.
- ↑ Uwe M. Schneede: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert, München 2001, S. 61–65
- ↑ Antonina Kostretska: Munch 1912 im Sonderbund Köln, Grin Verlag 2008
- ↑ Bernd Klüser, Katharina Hegewisch (Hrsg.), S. 43
- ↑ Stefan Kraus, Stuttgart 1993, S. 24
- ↑ Bernd Klüser, Katharina Hegewisch (Hrsg.), S. 47
- ↑ Uwe M. Schneede, S. 62 f.
- ↑ Uwe M. Schneede, S. 64 f.
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