Kastell Lemanis

Kastell Lemanis

hf

Kastell Lympne
Alternativname Portus Lemanis,
Lemanis,
Stutfall Castle
Limes Britannien
Abschnitt Strecke 3, Sachsenküste
Datierung (Belegung) 3. bis 4. Jahrhundert n. Chr.
Typ Flotten-/Limitaneikastell
Einheit a) Classis Britannica (?),
b) numerus Turnacensium
Größe ca. 3,4 ha
Bauweise Steinbauweise
Erhaltungszustand fünfeckige Anlage,
Südseite vollkommen erodiert,
aufgehendes Mauerwerk des Nord- Ost- und Westwalls tw. noch bis zu 8 m hoch erhalten,
Osttor archäologisch nachgewiesen
Ort Lympne
Geographische Lage 51° 4′ 5,4″ N, 1° 1′ 17,6″ O51.0681527777781.0215638888889
Vorhergehend Kastell Anderitum (Pevensey) südwestlich
Anschließend Portus Dubris (Portchester) nordöstlich
Die Sachsenküstenkastelle um 380 n. Chr.
Befunde des Kastells
Charles Roach Smith

Kastell Lemanis oder auch Portus Lemanis ist ein ehemaliges römisches Kastell und war Bestandteil des Limes der Sachsenküste beim heutigen Lympne im County of Kent, England. Der Kastellplatz wurde bisher nur wenig erforscht: die einzige größere Ausgrabungskampangne wurde durch Charles Roach Smith in den Jahren von 1850 bis 1852 durchgeführt. Ansonsten fanden bislang nur mehr kleinere Untersuchungen am Kastellareal statt, z.B. die Freilegung des Osttores im Jahre 1976. Am Fuß der südlichen Klippen wurden auch Überreste einer angelsächsischen Festungsanlage gefunden, Stutfall (= mächtige Mauer); diese wurde direkt über den Grundmauern des römischen Kastells errichtet.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Name

Die heutige Ortschaft Lympne steht auf den Klippen über den sogenannten Romney Marsh in Kent. Es liegt etwa 11 km westlich der Hafenstadt Folkestone und 17 km östlich von Ashford entfernt. Die Ruinen des Kastells und des Hafens liegen südlich des heutigen Lympne auf einem kleinen Hügel, etwas unterhalb der mittelalterlichen Burganlage von Stutfall Castle, von dem man aus gut die Küste und die umliegende flache Marschlandschaft überblicken kann. Die Topographie der Küste hat sich hier seit der Römerzeit stark verändert. Die nahegelegene Isle of Oxney war früher Hügelland, das am Zusammenfluss dreier Flüsse lag, sie bildeten ein nach Nordost verlaufendes Tidebecken, das sich bis Hythe erstreckte. Die Geologie des Kastellhügels und seiner Böschungen ist sehr instabil, seit der Antike haben sich die oberen Erdschichten durch kontinuierliche Abrutschung erheblich nach unten verlagert. Dies führte dazu, dass große Teile der nördlichen bzw. östlichen Mauer sich heute nicht mehr an ihrer ursprünglichen Position befinden und auch das Hafenbecken immer mehr verschlammte. Diese Umstände waren wohl auch der Grund, dass Kastell und Hafen schließlich aufgegeben werden mussten.

Der römische Namen für das Kastell Lympne wird erstmals im Itinerarium Antonini im frühen 3. Jahrhundert erwähnt. Der Eintrag über Portus Lemanis führt an, dass es sechzehn Meilen von der Hauptstadt der Region Cantium, Durovernum (Canterbury, Kent) entfernt liegt. [1][2] Zum letzten Mal wird Lemanis in den antiken Quellen vom „Geographen von Ravenna“ im 7. Jahrhundert erwähnt. Er nennt Lemanis zwischen Dubris und dem bis heute nicht identifizierten Mutuantonis. Zu dieser Zeit war das Kastell aber schon lange aufgegeben. Heute ist die Fundstätte auch als Stutfall Castle bekannt.

Entwicklung und Funktion

Portus Lemanis gehörte 43 n. Chr. mit ziemlicher Sicherheit nicht zu den Landungsplätzen der römischen Invasionsarmee, möglicherweise diente es danach aber als Anlegestelle der römischen Kanalflotte (Classis Britannica) an der unwirtlichen und gefährlichen Küste gegenüber der Insel Vectis (heute Isle of Wight) wie z.B. auch der Hafen von Noviomagus Regnorum (Chichester, Sussex). In seiner Chronik aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts berichtet Eutrop, dass der Flottenadmiral Carausius um 285 n. Chr. den Auftrag bekommen habe, den Ärmelkanal von Portus Itius (Boulogne) aus zu befrieden, der von Piraten unsicher gemacht worden sei, die Eutrop als „Franken“ und „Sachsen“ bezeichnet.[3] Die dabei erwähnten Überfälle auf die britannische und gallische Küste behinderten im zunehmendem Maße den zivilen Seeverkehr und vor allem die Überführung von britannischen Handelswaren und Edelmetallen nach Gallien und Rom. Als Gegenmaßnahme richtete die römische Verwaltung auf beiden Seiten des Kanals einen eigenen Militärbezirk, das litus Saxonicum (Sachsenküste), ein, dessen Truppen in Britannien von einem Comes litoris Saxonici per Britanniam befehligt wurde. Als die römische Armee unter Flavius Stilicho 398 in Britannien militärisch noch einmal aktiv wurde, fand dieser möglicherweise erstmals Eingang in den römischen Amtskalender, die Notitia Dignitatum. Das weitverzweigte Flusssystem Britanniens ermöglichte es den germanischen Eindringlingen, mit ihren kleinen flachgehenden Ruderbooten rasch ins Innere der Insel voranzukommen. Die Römer legten daher an diesen exponierten Küstenbereichen - und besonders an Flussmündungen - Befestigungen an, die auch in Verbindung mit den römischen Militärlagern im gallischen Teil des litus Saxonicum standen. Das Sachsenküstenkastell Lemanis dürfte aber schon um 270 n. Chr. entstanden sein.[4] Ob die britannische Flotte ihren Hauptstützpunkt in Dover oder später in Lemanis hatte, wird kontrovers diskutiert.

Das Kastell schützte einen kleinen Hafen, der vor allem als Verlade- und Umschlagplatz für die Güter des regionalen Erzabbau- und Verhüttungsgewerbes diente, das in unmittelbarer Nähe an den Ufern der Flüsse Rother und Brede ansässig war. Lemanis war auch Ausgangspunkt einer Handelsroute zu den Zinnabbaugebieten in Cornwall bei Ictis (St. Michael's Mount). Westlich von Lemanis befanden sich die Erzminen der South Downs, die aber wahrscheinlich vom näher gelegenen Portus Dubris (Dover) aus verwaltet wurden. Neben der Ausfuhr von Eisen ist auch die Verschiffung von Holz und in Salzgärten gewonnenem Salz über Portus Lemanis bekannt.

Kastell

Die Befestigung stand bautechnisch am Übergang von den spielkartenförmigen früh- und mittelkaiserzeitlichen Kastellen zu den unregelmäßigen, wesentlich stärker befestigten und kleineren Exemplaren der Spätantike. Nach Befund des verbliebenen Mauerwerks dürfte das Kastell die Form eines unregelmäßigen Fünfeckes mit einem an der Hälfte abgewinkelten Nordwall gebildet haben. Die Wehrmauer umschloss eine Fläche von ca. 3,4 ha. Die Südfront des - heute nur mehr sehr schlecht erhaltenen - Kastells ist komplett verschwunden; bisher konnten auch nur zwei Gebäude der Innenbebauung nachgewiesen werden. Außer dem Lagerbad im Ostteil fand man noch Mauerreste des Fahnenheiligtumes und zwei Nebenräumen der Principia im Norden des Areals. Das einzige Tor hatte eine 3,3 m breite Durchfahrt, wurde von zwei U-Türmen flankiert und befand sich an der Ostmauer. Die Überreste des Nord-, West- und Ostwalles zeigen, dass ihr Gussmauerwerk sehr massiv konstruiert und nach dem aktuellen Stand der damaligen Bautechnik in regelmäßigen Abständen mit halbrunden, aus der Mauer vorkragenden Türmen verstärkt war. Aufgrund des instabilen Untergrundes standen sie auf Piloten, die aus Eichenstämmen gewonnen wurden. Vermutlich gab es davon bis zu 14 Stück, sie waren teilweise auch mit Innenkammern versehen. Die bis zu 3,9 m breite Mauer bestand aus zwei Schalen von Quadersteinen, die man mit einem Mörtelgemisch aus Sand, Kalk und Tierblut als Bindemittel um einen festgestampften Gussmörtelkern aus Bruchsteinen aufgezogen hatte. Ihre Reste stehen in situ noch an einigen Abschnitten 6-8 m hoch und über dem römischen Bodenniveau. Für ihren Bau wurde hauptsächlich wiederverwendetes Material, wahrscheinlich von Vorgängergebäuden, verwendet. In den für diese Zeit typischen Ziegelbändern zur Stabilisierung der äußeren Mauerverblendung fand sich u.a. eine beträchtliche Menge an Dachziegeln (tegulae), auch die Grundmauern des Osttores bestehen größtenteils aus zweitverwendeten Material. Vor der Westmauer konnten Spuren eines Wehrgrabens beobachtet werden.

Garnison

Folgende Besatzungseinheiten sind für Lemanis bekannt:

Zeitstellung Truppenname Bemerkung
1. - 2 Jahrhundert n. Chr. ? Classis Britannica
(die britannische Flotte)
Dachziegel mit dem Stempel CL.BR weisen auf die Anwesenheit von Marineangehörigen in Lemanis hin. Auch ein Weihealtar aus Kalkstein, der dem Meeresgott Neptun gewidmet war, aufgefunden als Spolie, während der Grabungen von Roach-Smith im Jahre 1850, wurde im Jahr 133 n. Chr. von einem praefectus der römischen Kanalflotte gestiftet, der vorher das Kommando über ein Kavallerie-Regiment in Pannonia superior (im heutigen Ungarn) innehatte. Die Inschrift darauf lautet wie folgt:
Neptuno Aram L(ucius) Aufidius Pantera praefect(us) clas(sis) Brit(annicae)
„Ein Altar für Neptun, [gewidmet von] Lucius Aufidius Pantera, Präfekt der britannischen Flotte.“[5] [6]
Spätantike numerus Turnacensium,
(eine Einheit Turnacensier)
Laut der Notitia Dignitatum wurde die Festung im 4. Jahrhundert n. Chr. von einem Praepositus befehligt und war mit germanischen Söldnern aus der Region um die heutige Stadt Tournai im nördlichen Gallien, die zu den Limitanei des Comes litoris Saxonici per Britanniam gehörten, bemannt.[7]

Vicus, Lagerbad und Hafen

Der Vicus, das Lagerdorf, lag an der Römerstraße nach Durovernum Cantiacorum (Canterbury). Rund um den Hafen war ebenfalls ein Vicus nachweisbar, römische Siedlungen werden auch beim nahen Ruckinge und Dymnchurch vermutet.

Das Badegebäude wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Südosten des Kastellareals, circa 15 m vor der Ostmauer, ausgegraben. Dabei wurden insgesamt vier Räume freigelegt: Raum 1 (Maße: ca. 3,60 x 6,40 m) und Raum 2 (3,35 x 6,40 m). Sie sind beide mit einem Hypokaustum ausgestattet das von einem im Osten angelegten Praefurnium beheizt wurde. Raum 1 ist mit den in einer rechteckigen Nische (noch vor dem Praefurnium liegend, ca. 2,70 x 1,50 m) und in einer Apsis an der Südseite (ca. 4,60 m) angelegten Alvei, wohl als Caldarium zu deuten. Die Funktion der Räume 3 (ca. 3,60 x 6,40 m) und 4 (ca. 3,35 x 6,40 m) ist unklar geblieben. Raum 4 könnte eventuell mit einer Schlauchheizung, die vielleicht nachträglich eingebaut wurde, beheizt worden sein. Barry Cunliffe deutet diesen Befund jedoch als Praefurnium (1980), seine These liefert allerdings keine Erklärung für vier parallel zueinander laufenden Steinreihen die eher als Wangen von Heißluftkanälen zu deuten sind. Das Bad dürfte gleichzeitig mit dem Kastell erbaut worden sein. Dementsprechende Befunde, die genauer darüber Auskunft geben könnten, fehlen.[8]

Der inzwischen völlig verlandete antike Hafen liegt östlich der Kastellruine, ein paar hundert Meter von der heutigen Küste entfernt. Er lag in römischer Zeit noch am Eingang einer Lagune. Hinter dem Kiesstrand breitete sich ein ausgedehntes Feuchtgebiet aus, das sich von Fairlight (Hastings) fast bis zum ehemaligen römischen Hafen erstreckte.

Einzelnachweise

  1. ITER IV: „die Route von Londinium nach Portus Lemanis - 68.000 Schritte“.
  2. Thomas Codrington: Roman Roads in Britain. London 1903.
  3. Matthias Springer: Die Sachsen. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-17-016588-5, S. 33.
  4. Nic Fields (2006), S. 24.
  5. CBA Report 18: The Saxon Shore, S. 29
  6. CIL 7, 18= The Roman inscriptions of Britain (RIB) 66.
  7. Praepositus numeri Turnacensium, Lemannis, Notitia Dignitatum, Occ.XXVIII.
  8. Barry Cunliffe: 1980; S. 257; Stephen Johnson: 1976, S. 95.

Literatur

  • Charles Roach Smith: The antiquities of Richborough, Reculver and Lympne. 1850.
  • Andrew Pearson: The Roman Shore Forts; Coastal Defences of Southern Britain. Tempus, Stroud 2002, ISBN 0-7524-1949-8.
  • Nic Fields: Rome’s Saxon Shore Coastal Defences of Roman Britain AD 250–500. Osprey Books, 2006, ISBN 978-1-84603-094-9 (Fortress 56).
  • Manfred Philipp: Kastellbäder in den nördlichen Provinzen des römischen Reiches. Dissertation, Textband I, Innsbruck 1999, S. 128.
  • David Johnston: The Saxon Shore journal, Research Report Nr. 18. Council for British Archaeology (CBA), 1977 (PDF).
  • Robin George Collingwood: The Archaeology of Roman Britain. Methuen, London 1930.
  • Robin George Collingwood, Richard Pearson Wright: The Roman Inscriptions of Britain. Volume 1: Roger S. O. Tomlin: Inscriptions on Stone. New edition with addenda and corrigenda. Sutton, Gloucester 1995, ISBN 0-7509-0917-X.
  • Alec Detsicas: The Cantiaci. Sutton, London 1987.
  • Andrew Robert Burn: The Romans in Britain - An Anthology of Inscriptions. Blackwell, Oxford 1969.
  • John Kenneth Sinclair St. Joseph: Air Reconnaissance of Southern Britain. In: Journal of Roman Studies. Band 43, Society for the Promotion of Roman Studies, London 1953, S. 81-97.

Weblinks


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