Klaus Schmidt (Historiker)

Klaus Schmidt (Historiker)
Klaus Schmidt

Klaus Schmidt (* 9. Dezember 1935 in Rheydt) ist ein deutscher protestantischer Theologe, Menschenrechtsaktivist, Historiker und Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Familie und Ausbildung

Klaus Schmidt wuchs in einer bürgerlichen Akademiker-Familie am Niederrhein auf, er überlebte den Bombenkrieg durch Evakuierung nach Schlesien, besuchte das humanistische Gymnasium in München-Gladbach und machte sein Abitur auf dem Jesuitenkolleg in Bad Godesberg. Er studierte an den Universitäten in Bonn, Hamburg, Heidelberg und Göttingen. Seit 1992 ist Klaus Schmidt mit der finnischen Sängerin und Roman-Autorin Ghita Gothóni verheiratet.

Beruflicher Werdegang

1961/62 war Klaus Schmidt Stipendiat des Ökumenischen Rats der Kirchen in den USA. Dortige Studien, Praktika und ein Anti-Rassismus-Training unter Martin Luther King verarbeitete er in dem Buch Religion – Versklavung und Befreiung. Ab 1965 war der Theologe Berufsschulpfarrer in Köln.

Politisches Engagement

Klaus Schmidt engagierte sich in der außerparlamentarischen Opposition, unter anderem als Vorsitzender des „Republikanischen Clubs“ in Köln. In den 1970er Jahren solidarisierte sich der Studierendenpfarrer mit Teilen der Studentenbewegung und unterstützte den befreundeten pro-sandinistischen ASTA-Auslandsreferenten Enrique Schmidt-Cuadra, der später Kommunikationsminister in Nicaragua und 1984 von Contras erschossen wurde.

Mit der Theologin Dorothee Sölle arbeitete Klaus Schmidt auch bei der provozierenden VeranstaltungsreihePolitisches Nachtgebet, die von 1968 bis 1972 regelmäßig in der Antoniterkirche (Köln) stattfand, zusammen und gab mit ihr zwei Bücher zum Thema Christentum und Sozialismus heraus. Über Jahre gab es evangelikale und christdemokratische Versuche, bei der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland im Zuge der Berufsverbotkampagnen der 1970er Jahre eine Entlassung des "linksradikalen Pfarrers" aus dem kirchlichen Dienst zu erwirken, diese scheiterten jedoch.

Aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen trat er, u.a. wegen des Bundeswehreinsatzes im Kosovo, nach mehrjähriger Mitgliedschaft aus. Er nahm und nimmt an Aktionen des Kölner Rom e.V. zugunsten von inhuman untergebrachten Roma-Familien und an lokalen Friedensaktivitäten teil.

Als Menschenrechtsaktivist auf den Philippinen

1987/88 arbeitete Schmidt als theologischer Dozent und Menschenrechtsarbeiter auf den Philippinen. Im Auftrag des dortigen Protestantischen Kirchenrats beteiligte er sich an „fact finding missions“ zur Aufdeckung blutiger Übergriffe von Militär und Paramilitärs. Das Militär entführte ihn und unterstellte ihm die Beteiligung an Guerilla-Aktionen. Wochenlang intervenierten neben der Deutschen Botschaft die rheinische Kirchenleitung, Außenminister Hans-Dietrich Genscher und zahlreiche politische und kulturelle Prominenz, darunter Schmidts Freund Günter Wallraff. Erst nach Verhandlungen vor dem philippinischen Höchsten Gericht (Supreme Court) wurde der Menschenrechtsaktivist freigelassen. 1989 nahm er seinen Dienst in der Berufs(fach)schule wieder auf.

Publizist

1970 bis 1992 war Klaus Schmidt Mitherausgeber und -redakteur der Zeitschrift Junge Kirche, die sich vorrangig mit den Themen Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung befasste. Nach seiner Pensionierung 1994 intensivierte Schmidt seine publizistische Arbeit, die sich auf Buch-Produktionen, Vorträge, Rundfunk- und Zeitschriftenbeiträge erstreckte. Er verfasste Doppel-Biografien über rheinische Demokraten und Demokratinnen im Umkreis der Revolution von 1848/49, so zu Johanna Kinkel und Gottfried Kinkel, zu Mathilde Franziska Anneke und Fritz Anneke, über den demokratischen Arzt Andreas Gottschalk und Franz Raveaux. Zu allen Biografien präsentierte er in Köln und anderen Städten Ausstellungen. Zu einem Standard-Werk wurde seine Monographie Glaube, Macht und Freiheitskämpfe zu 500 Jahren Protestanten im Rheinland[1].

Neben seiner Arbeit über Geschichte und Gestalten des rheinischen Protestantismus porträtierte er den katholischen Arzt Franz Vonessen, der sich während des „Dritten Reichs“ geweigert hatte, an Zwangssterilisierungen mitzuwirken, und den ebenfalls katholischen Waisenhausdirektor Friedrich Tillmann, der als Büroleiter die NS-„Euthanasie“ mitverantwortete[2].

Öffentlich wirkt Klaus Schmidt zudem als Stadtführer der Antonitercitytours in Köln, zumeist zu den Themen seiner Publikationen, etwa Franz Vonessen [3].

Auszeichnungen

2006 wurde Klaus Schmidt vom Landschaftsverband Rheinland mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet[4].

Veröffentlichungen

Monographien

  • Religion – Versklavung und Befreiung. Von der englischen Reformation zur amerikanischen Revolution. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1978. ISBN 3-1700-4712-4.
  • Gerechtigkeit, das Brot des Volkes. Johanna und Gottfried Kinkel. Eine Biographie. Radius-Verlag Stuttgart 1996. ISBN 978-3-9320-5010-7.
  • Kanzel, Thron und Demokraten. Die Protestanten und die Revolution 1848/49 in der preußischen Rheinprovinz. Schmidt von Schwind Verlag, Köln 1998. ISBN 978-3-932-0501-0-7.
  • Mathilde und Fritz Anneke. Aus der Pionierzeit von Demokratie und Frauenbewegung: Eine Biographie. Schmidt von Schwind Verlag. Köln 1998. ISBN 978-3-932-0501-4-5.
  • Franz Raveaux. Karnevalist und Pionier des demokratischen Aufbruchs in Deutschland. Greven Verlag. Köln 2001. ISBN 978-3-774-3032-6-3.
  • Andreas Gottschalk. Jüdischer Protestant, Armenarzt und Pionier der Arbeiterbewegung. Greven Verlag. Köln 2002. ISBN 3-7743-0336-3.
  • Das gefährdete Leben. Der Kölner Arzt und Gesundheitspolitiker Franz Vonessen (1892-1970). Eine Biographie. Greven Verlag. Köln 2004. ISBN 978-3-7743-0346-1.
  • Helmut Signon/K.S. (überarbeitet und aktualisiert), Alle Straßen führen durch Köln, Köln 2006.
  • Glaube, Macht und Freiheitskämpfe. 500 Jahre Protestanten im Rheinland. Greven Verlag. Köln 2007, 2. Aufl. 2007. ISBN 978-3-7743-0385-0.
  • 'Ich habe aus Mitglied gehandelt.' Der Kölner Waisenhausdirektor und NS-'Euthanasie'-Beauftragte Friedrich Tillmann (1903-1964). Metropol Verlag Berlin 2010. ISBN 978-3-940938-71-8
  • Kölns kleine Leute. Geschichten und Porträts. Greven Verlag. Köln 2011. ISBN 978-3-7743-0469-7.

Mitherausgeber und –autor (Auswahl)

  • Dorothee Sölle/K.S. (Hg.): Christentum und Sozialismus, Stuttgart 1974. ISBN 978-3-7743-0346-1.
  • Dorothee Sölle/K.S. (Hg.): Christen für den Sozialismus, Bd. 1, Analysen, Stuttgart 1975. ISBN 978-3-1700-2288-1.
  • Walter Dirks/K.S./ Martin Stankowski (Hg.): Christen für den Sozialismus, Bd. 2, Dokumente, Stuttgart 1975. ISBN 3-17-002289-X.
  • Gerhard Jankowski / K.S. (Hg.): Arthur Rackwitz - Christ und Sozialist zugleich. Mit einem Geleitwort von Helmut Gollwitzer und einer Laudatio zum 80. Geburtstag Arthur Rackwitz' von Aurel von Jüchen (Schwarz-Weiß-Reihe. Band 7), Hamburg 1976. ISBN 978-3-8871-084-8-9.
  • Fritz Bilz/K.S. (Hg.): Das war 'ne heiße Märzenzeit. Revolution im Rheinland 1848/49, Köln 1998. ISBN 3-89438-153-1.
  • Günther van Norden/ K.S. (Hg): Sie schwammen gegen den Strom. Widersetzlichkeit und Verfolgung rheinischer Protestanten im „Dritten Reich“, Köln 2006. ISBN 978-3-7743-038-2-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulrike Völler: 500 Jahre Protestanten. Artikel der Kölner Rundschau vom 8. Mai 2007.
  2. Engelbert Broich: Fast vergessene Opfer und eine zwiespältige Biographie: Klaus Schmidt porträtiert den Kölner Waisenhausdirektor und NS-„Euthanasie“-Beauftragten Friedrich Tillmann. Artikel vom 20. Juli 2010 auf www.kirche-koeln.de.
  3. Anselm Weyer: Subtile Spuren bei der Führung durch "Braunsfeld 1945". Artikel vom 13. September 2005 auf www.kirche-koeln.de.
  4. Pfarrer erhält den Rheinlandtaler. Artikel auf www.ekir.de vom 18. April 2006.

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