Charlotte Neuland

Charlotte Neuland
Charlotte Knobloch

Charlotte Knobloch, geborene Neuland, (* 29. Oktober 1932 in München) ist seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, seit 2003 Vizepräsidentin des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), seit 2005 Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses (WJC) und seit dem 7. Juni 2006 Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland. Vorher war sie seit 1997 als Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden tätig.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Charlotte Neuland ist die Tochter des Rechtsanwalts und späteren bayerischen Senators Fritz Neuland. Ihre Mutter Margarethe – nichtjüdisch geboren – konvertierte ihrem Mann zuliebe zum Judentum. Nach der Scheidung der Eltern 1936 wurde sie von ihrer Großmutter Albertine Neuland erzogen, die 1944 im KZ Theresienstadt ermordet wurde.[1] Eine ehemalige Hausangestellte ihrer Eltern rettete Charlotte vor dem Holocaust; sie brachte das Mädchen zum Bauernhof ihrer katholischen Familie nach Franken und gab es als eigenes uneheliches Kind aus. 1945 kehrte Charlotte mit ihrem Vater nach München zurück. 1951 heiratete sie Samuel Knobloch, einen Überlebenden des Krakauer Ghettos. Das Ehepaar wollte eigentlich nach Amerika auswandern, aber die Geburt ihrer ersten beiden Kinder durchkreuzte die Pläne. Nach den Geburten und den ersten beruflichen Erfolgen ihres Mannes blieb die Familie in München. Charlotte Knobloch hat drei Kinder und ist Witwe.

Wirken

Ostansicht der Münchner Hauptsynagoge einen Tag vor ihrer Einweihung am 9. November 2006

Charlotte Knobloch gründete die deutsche Sektion der Womens International Zionist Organisation (WIZO) mit und war Schatzmeisterin des Jüdischen Frauenbundes in Deutschland.

Während ihrer Zeit als Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München wurde seit 2004 in München das neue Jüdische Zentrum für die auf rund 9.500 Mitglieder angewachsene Gemeinde der Stadt gebaut. Es besteht aus einer neuen Hauptsynagoge, einem Gemeindehaus und einem Jüdischen Museum. Die Synagoge wurde am 9. November 2006 eröffnet, das von der Stadt München gebaute und betriebene Jüdische Museum sowie das Gemeindezentrum folgten im März 2007.

Ihre Ziele im Jüdischen Weltkongress beschrieb sie mit: „Schwerpunkt meiner Arbeit im Weltkongress wird die weitere Vernetzung der deutschsprachigen Jüdischen Gemeinden in Europa und der Brückenschlag zur jüdischen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten sein. Auch der Kampf gegen den wachsenden Antisemitismus vor allem in Osteuropa, hat eine hohe Priorität.“[2]

Die Beziehung ihrer orthodox ausgerichteten Gemeinde zur liberalen jüdischen Gemeinde München Beth Shalom war lange Zeit nicht frei von Spannungen. Diese in der Union progressiver Juden in Deutschland vereinigte Münchener Gemeinde, sowie die Union selbst, stritten um öffentliche Anerkennung und bessere Eingliederung in die Strukturen des Zentralrates. Charlotte Knobloch war an diesen Auseinandersetzungen, auch in ihrer Funktion als Vizepräsidentin des Zentralrats, zeitweise beteiligt.

Am 7. Juni 2006 wurde sie als Nachfolgerin von Paul Spiegel zur Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland gewählt.

Charlotte Knobloch

Engagement

Neben zahlreichen Aufforderungen zum Kampf gegen extreme, einem neuen Nationalismus anhängende Gruppierungen, äußerte Charlotte Knobloch im Tagesspiegel am Sonntag vom 11. Juni 2006 aber auch den Wunsch, mehr Patriotismus für Deutschland zuzulassen: „Warum sollen die Deutschen nicht stolz auf ihr Land sein?“ Die Menschen in Deutschland könnten stolz darauf sein, wie man nach dem Kriege „dieses Land mit den Händen aufgebaut habe“. In derselben Argumentation warnte sie auch vor Schuldgefühlen, die in der jungen Generation wegen der deutschen Vergangenheit unberechtigter Weise existierten: „Wir müssen alles dafür tun, den jungen Leuten nicht das Gefühl zu geben, sie seien schuldig an der Vergangenheit.“ Im Oktober 2006 forderte Knobloch zu entschlossenerem Vorgehen gegen Antisemitismus auf: „Antisemitische und rechtsradikale Attacken haben eine Offensichtlichkeit und Aggressivität erreicht, die an die Zeit nach 1933 erinnern.“

Im Februar 2007 forderte Charlotte Knobloch die Bundesregierung zu einer deutlicheren Haltung gegen den Iran auf. Bundeskanzlerin Merkel müsse als ersten Schritt deutsche Wirtschaftssanktionen gegen die islamische Republik einleiten. Aufgrund der EU-Ratspräsidentschaft komme Deutschland hier eine besondere Rolle zu.[3]

Im Mai 2007 lehnte sie die Beteiligung von deutschen Unternehmen am Bau einer geplanten Transrapid-Strecke im Iran als „fatales politisches Signal“ ab. Knobloch äußerte, „mit Blick auf die nuklearen Ambitionen und die menschenverachtenden Äußerungen des iranischen Machthabers ist es skandalös, Geschäfte mit diesem Regime zu machen“.[4]

Nach der von Papst Benedikt XVI. veränderten Fassung der Karfreitagsfürbitte verlangte sie im März 2008 eine Rücknahme der als diskriminierend aufgefassten Passagen und machte davon die Wiederaufnahme des Dialogs mit der katholischen Kirche abhängig. Die neue Fassung („Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott, unser Herr, ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen …“) interpretierten viele Juden als indirekten Aufruf zur Judenmissionierung. Charlotte Knobloch erklärte dazu: „Gerade diesem deutschen Papst … hätte ich zugemutet, dass er aufgrund seines Alters das Diskriminieren des Judentums, die Ausgrenzung des Judentums kennengelernt hat.“[5]

Ehrungen und Auszeichnungen

2005 wurde Charlotte Knobloch für ihr herausragendes Engagement zur Aussöhnung von Juden und Nicht-Juden und ihr langjähriges Wirken für die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) zur Ehrenbürgerin von München ernannt. Im Jahr 2008 erhielt sie den Georg-Meistermann-Preis der Stadt Wittlich. 2008 wurde sie mit dem großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Quelle: Dokumentationsstelle Yad Vashem
  2. Zentralrat der Juden in Deutschland: … und noch ein Spitzenamt. Vize-Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, ist neue Vize-Präsidentin des Jüdischen Weltkongresses. in: Zukunft 5. Jahrgang, Heft 1 vom 28. Januar 2005 / 18. Schwat 5765
  3. Zentralrat der Juden fordert Wirtschafts-Sanktionen gegen Iran.; Radio Vatikan am 10. Februar 2007
  4. Klaus Ott: Transrapid bisher schöngerechnet; in: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 29. Mai 2007
  5. Jüdische Gemeinde in Deutschland fordert Rücknahme der umstrittenen Karfreitagsfürbitte; Der Standard am 21. März 2008



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