- Paul Spiegel
-
Paul Spiegel (* 31. Dezember 1937 in Warendorf, Münsterland; † 30. April 2006 in Düsseldorf) war ein deutscher Journalist und Unternehmer. Paul Spiegel war seit 2000 bis zu seinem Tod Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sein jüdischer Name war „Jitzhak Ben Chaim“ („Issak, Sohn des Chaim“).
Inhaltsverzeichnis
Leben
Paul Spiegel stammt aus einer ursprünglich in Versmold in Westfalen beheimateten Familie von Viehhändlern. Nach der NS-Machtergreifung zog die Familie von Hugo Spiegel zunächst in das benachbartete Warendorf um. Nach der Reichspogromnacht 1938 ging die Familie nach Brüssel. Sie überlebte den Holocaust in Flandern, wo er von einer frommen katholischen Bauernfamilie mit Hilfe des Pfarrvikars versteckt wurde. Zuvor war seine Schwester während einer Razzia in Brüssel verhaftet worden; sie kam in einem Konzentrationslager ums Leben. Sein Vater Hugo Spiegel überlebte die Konzentrationslager Buchenwald, Auschwitz und Dachau. 1945 kehrte die Familie als erste jüdische Familie nach Warendorf zurück. Der Vater baute die Synagogengemeinde wieder auf. Paul Spiegel beendete hier seine Schulausbildung. Er schildert diese Geschehnisse in seinem Buch Wieder zu Hause?.
Im Jahr 1958 begann er ein Volontariat bei der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung in Düsseldorf. Bei dieser Zeitung war er bis 1965 auch als Redakteur tätig. In den 1960er-Jahren arbeitete er außerdem für verschiedene andere Zeitungen, wie die Montrealer Nachrichten, Nieuw Israelietisch Weekblad (Amsterdam), Neue Welt (Wien), Jüdische Rundschau Maccabi (Basel), Der Mittag (Düsseldorf), Neue Rhein Zeitung (Düsseldorf), Westfälische Rundschau (Dortmund). In den Jahren 1973 und 1974 war er Chefredakteur der Zeitschrift Mode und Wohnen. Danach leitete er zwölf Jahre lang die Öffentlichkeitsarbeit des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands (RSGV) in Düsseldorf. 1986 gründete er mit Initiative des Fernsehmoderators Hans Rosenthal eine Künstler- und Medienagentur, mit der er unter anderem Birgit Schrowange vertrat.
1964 heiratete er Gisèle Spatz, mit der er zwei Töchter hatte. Seine Tante ist die Holocaust-Überlebende Marga Spiegel.
Paul Spiegel starb in den Morgenstunden des 30. April 2006 in Düsseldorf, nachdem er bereits am 3. Februar des Jahres einen Herzinfarkt erlitten und sich zudem eine Lungenentzündung zugezogen hatte.[1] Er ist auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof beerdigt worden.
Öffentliche Ämter
Paul Spiegel war seit 1967 Mitglied des Gemeinderates der Israelitische Kultusgemeinde Düsseldorf. 1978 wurde er dort Vorstandsmitglied und war von 1984 bis 2002 Vorsitzender des Gemeinderates der Israelitischen Kultusgemeinde Düsseldorf. 1989 wurde Spiegel als Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland berufen und übernahm in den Jahren 1989 bis 2000 den Vorsitz der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. 1993 wurde Paul Spiegel Mitglied und Vizepräsident der Exekutive des Zentralrats der Juden in Deutschland. 1995 übernahm er den Vorsitz des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein. Als Nachfolger von Ignatz Bubis wurde er am 9. Januar 2000 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.[2]
In seine Amtszeit als Zentralratspräsident fiel im Januar 2003 der Abschluss des ersten Staatsvertrages zwischen Zentralrat und der deutschen Bundesregierung sowie, im Dezember 2002, der erste Besuch eines israelischen Staatspräsidenten bei einer Synagogen-Eröffnung (der Bergischen Synagoge) auf deutschem Boden.
Seit 1991 war Paul Spiegel Mitglied des WDR-Rundfunkrats.
Im August 2000 hat er gemeinsam mit Uwe-Karsten Heye und Michel Friedman den Verein „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V.“ gegründet, der sich bundesweit für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland einsetzt.[3][4]
Auszeichnungen
- 1993: Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen
- 1997: Bundesverdienstkreuz I. Klasse
- 2000: Offizier der französischen Ehrenlegion
- 2001: Heinrich-Albertz-Friedenspreis der Deutschen Arbeiterwohlfahrt
- 2001: Internationaler Quirinus-Preis (Neuss)
- 2001: Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Warendorf
- 2001: Preis für Zivilcourage des Christopher Street Day Berlin
- 2003: Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen
- 2003: Ehrenvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf
- 2004: Ehrendoktorwürde der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Schriften
- Shavua Tov! Eine gute Woche! Jüdische Türme aus Schwäbisch Gmünd. Einhorn-Verlag – Dietenberger, Schwäbisch Gmünd 2001, ISBN 3-98072-973-7.
- Wieder zu Hause? Ullstein, München 2003, ISBN 3-54836-395-4.
- Was ist koscher? Ullstein, München 2003, ISBN 3-54836-713-5.
- Gespräch über Deutschland. Ein Interview mit Wilfried Köpke. Herder, Freiburg im Breisgau 2006, ISBN 3-45129-292-0.
Zitate
Wikiquote: Paul Spiegel – Zitate- „Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder.“
- „Man kann nicht a priori Nein zum Krieg sagen. Die Konzentrationslager wurden auch nicht von Friedensdemonstrationen befreit, sondern von der Roten Armee.“
Quellen
- ↑ Paul Spiegel ist tot. Spiegel-Online vom 30. April 2006.
- ↑ Der Spiegel vom 9. Januar 2000: Zentralrat der Juden – Paul Spiegel tritt Bubis-Nachfolge an, abgerufen am 24. November 2009
- ↑ http://www.gesichtzeigen.de/index.php/navigation/verein/
- ↑ Bundesministerium für Justiz: Gesicht Zeigen!
Weblinks
Wikinews: Paul Spiegel – in den NachrichtenCommons: Paul Spiegel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Paul Spiegel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Website der Internationalen Künstler- und Medienagentur Paul Spiegel
- Rede Paul Spiegels anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938, in Berlin 2000
- Zentralratspräsident Spiegel gestorben (nicht mehr online verfügbar), Tagesschau, 30. April 2006
- Reaktionen: Politiker und Kirchen würdigen Spiegels Verdienste, 30. April 2006
Vorsitzende, Präsidenten und Generalsekretäre des Zentralrats der Juden in DeutschlandVorsitzende: Heinz Galinski | Herbert Lewin | Werner Nachmann | Heinz Galinski
Präsidenten: Heinz Galinski | Ignatz Bubis | Paul Spiegel | Charlotte Knobloch | Dieter Graumann
Generalsekretäre: Hendrik van Dam | Alexander Ginsburg | Micha Guttmann | Stephan Kramer
Wikimedia Foundation.
Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:
Paul Spiegel — (December 31, 1937 in Warendorf, Germany April 30, 2006 in Düsseldorf, Germany) was leader of the Zentralrat der Juden (Central Council of Jews) in Germany and the main spokesman of the German Jews. He was widely praised for his leadership of the … Wikipedia
Spiegel (Familienname) — Spiegel ist ein deutschsprachiger Familienname. Adelshäuser Herren von Spiegel zum Desenberg und Spiegel zu Peckelsheim, Uradel in Westfalen, siehe Spiegel (westfälisches Adelsgeschlecht) Familie von Spiegel, Uradel in Sachsen und Schlesien,… … Deutsch Wikipedia
Spiegel (surname) — Spiegel is a surname of German origin. In German language Spiegel means mirror.Spiegel is an ancient German Christian surname. Family tradition says it was taken from a town or lake named Spiegel. There is a small community south of Munich named… … Wikipedia
Paul Karell — Paul Carell (eigentlich Paul Karl Schmidt; * 2. November 1911 in Kelbra (Kyffhäuser); † 20. Juni 1997 in Rottach Egern) war SS Obersturmbannführer, Pressesprecher von Außenminister Joachim von Ribbentrop und nach 1945 erfolgreicher Buchautor und… … Deutsch Wikipedia
Paul Karl Schmidt — Paul Carell (eigentlich Paul Karl Schmidt; * 2. November 1911 in Kelbra (Kyffhäuser); † 20. Juni 1997 in Rottach Egern) war SS Obersturmbannführer, Pressesprecher von Außenminister Joachim von Ribbentrop und nach 1945 erfolgreicher Buchautor und… … Deutsch Wikipedia
Paul D. Wolfowitz — Paul Wolfowitz Paul Wolfowitz am 19. Sept. 2001 Paul Dundes Wolfowitz (* 22. Dezember 1943 in Brooklyn … Deutsch Wikipedia
Paul Dundes Wolfowitz — Paul Wolfowitz Paul Wolfowitz am 19. Sept. 2001 Paul Dundes Wolfowitz (* 22. Dezember 1943 in Brooklyn … Deutsch Wikipedia
Paul McCartney — bei einem Konzert in Dublin (2010) Sir James Paul McCartney, MBE (* 18. Juni 1942 in Liverpool) ist ein britischer Musiker, Singer Songwriter, Komponist sowie mehrfacher Grammy Preisträger. Weltw … Deutsch Wikipedia
Paul Potts — im Pavillon Theatre in Rhyl, UK (2008) Chartplatzierungen (vorläufig) Vorlage:Infobox Chartplatzierungen/Wartung/vorläufige Chartplatzierung Erklärung der Daten … Deutsch Wikipedia
Paul Carell — (eigentlich Paul (Karl) Schmidt; * 2. November 1911 in Kelbra; † 20. Juni 1997 in Rottach Egern) war im Zweiten Weltkrieg Pressechef von Außenminister Joachim von Ribbentrop und SS Obersturmbannführer. In den 1950er Jahren war er Journalist bei… … Deutsch Wikipedia