Ignatz Bubis

Ignatz Bubis
Ignatz Bubis (1997)

Ignatz Bubis (* 12. Januar 1927 in Breslau; † 13. August 1999 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Kaufmann, Politiker (FDP) und Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Bubis war das jüngste von sieben Kindern. Aus Angst vor antisemitischen Übergriffen verließ die Familie 1935 Breslau und zog in das polnische Dorf Dęblin. Im Februar 1941 musste Bubis mit seinem Vater ins Dębliner Ghetto ziehen. Die Mutter war 1940 an Krebs gestorben. Vom Judenrat des Ghettos wurde Bubis zum Postboten ernannt. 1942 wurde der Vater in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet. Auch Ignatz Bubis' Bruder und eine Schwester kamen durch die Nationalsozialisten ums Leben. Bubis selbst wurde Ende 1944 in das Zwangsarbeitslager Tschenstochau (poln. Częstochowa) gebracht, wo er in einer Munitionsfabrik arbeitete. Am 16. Januar 1945 wurde das Lager von der Roten Armee befreit.

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende ging Bubis nach Deutschland. Zuerst machte er Geschäfte in der Sowjetischen Besatzungszone und musste 1949 wegen der Verfolgung durch die sowjetische Geheimpolizei in den Westen flüchten, da er des Schwarzmarkthandels mit großen Mengen Kaffees beschuldigt wurde. In Berlin und in Pforzheim betätigte er sich im Schmuck- und Goldhandel. 1956 kam Bubis mit seiner Frau Ida nach Frankfurt, wo er sich mit dem Immobilienhandel befasste. Bubis engagierte sich in der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und seit 1969 in der Frankfurter FDP.

Immobilienhandel und Frankfurter Häuserkampf

Ende der sechziger Jahre plante die Stadt Frankfurt, durch den Abriss alter Gründerzeitvillen im Frankfurter Westend Platz für Bürohäuser zu schaffen. Abriss- und Baugenehmigungen wurden ohne weitere Prüfung erteilt. Eine „Aktionsgemeinschaft Westend“ wollte den Stadtteil aber als Wohngebiet erhalten und widersetzte sich der geplanten Umwandlung. Im Frankfurter Häuserkampf wurden Wohnhäuser besetzt, die Bubis erworben hatte und leerstehen ließ, um sie abreißen zu lassen. Ignatz Bubis wurde wie auch andere Frankfurter Juden in der Öffentlichkeit als Investor stark kritisiert. 1979 kandidierte Bubis als Beisitzer für den Frankfurter Kreisvorstand der FDP. Durch die Bauskandale war auch diese Kandidatur stark umstritten.

In dem Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder Der Müll, die Stadt und der Tod wurde angeblich auf Bubis angespielt. Bubis beteiligte sich 1985 an Protesten gegen eine Aufführung, die er als „subventionierten Antisemitismus“ bezeichnete.[1]

Positionen in der Jüdischen Gemeinde

Seit 1966 war Bubis Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und wurde später ihr Vorsitzender. 1978 wurde er erstmals in das Direktorium des Zentralrates der Juden in Deutschland gewählt. 1985 wurde er in dessen Verwaltungsrat und 1989 zum zweiten Vorsitzenden des Zentralrats gewählt.

1992, nach dem Tod des Vorsitzenden Heinz Galinski, wurde Bubis zu dessen Nachfolger gewählt. 1997 im Amt bestätigt, übte er den Vorsitz bis zu seinem Tod im Jahre 1999 aus. Bubis wurde als „Missionar eines toleranten Zusammenlebens von jüdischen und nichtjüdischen Deutschen, von türkischen und kurdischen, albanischen und serbischen Mitbürgern“ beschrieben.[2]

Bubis war im Jahr 1993 als möglicher Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. Er lehnte eine Kandidatur jedoch mit der Begründung ab, für ein jüdisches Staatsoberhaupt sei die Zeit in Deutschland noch nicht reif.

1998 kritisierte Bubis den Schriftsteller Martin Walser nach dessen „Friedenspreisrede in der Paulskirche“ und warf ihm latenten Antisemitismus vor.

Einen Monat vor seinem Tod äußerte sich Bubis resigniert über seine Amtszeit, in der er fast nichts habe bewegen können.

Parteipolitisches Engagement

Ignatz Bubis war seit 1969 Mitglied der FDP, deren Bundesvorstand er lange Jahre angehörte. Bis zu seinem Tode vertrat er seine Partei auch im Magistrat und in der Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt am Main.

Bubis gehörte zu den entschiedensten Unterstützern von Migranten in der FDP. 1992 kritisierte er die Änderung des Asylrechts[3] und unterstützte 1992/1993 die Gründung der Liberalen Türkisch-Deutschen Vereinigung (LTD), bei deren Veranstaltungen er oftmals als Redner auftrat. Im Mai 1999 schlug er den Bundesvorsitzenden der LTD, Mehmet Gürcan Daimagüler, auf dem Bremer Parteitag für den Bundesvorstand der FDP vor.

Familie

Ignatz Bubis war mit Ida Bubis, geb. Rosenmann, verheiratet und Vater einer Tochter namens Naomi Bubis (* 1963).

Ehrungen

Das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhielt er 1992, den Theodor-Heuss-Preis und das Große Bundesverdienstkreuz 1996; am 3. Oktober 1999 verlieh ihm die Stadt Darmstadt postum den Ricarda-Huch-Preis. Mit dieser Auszeichnung werden Persönlichkeiten geehrt, „deren Wirken in hohem Maße bestimmt ist durch unabhängiges Denken und mutiges Handeln“, und die die „Ideale der Humanität und Völkerverständigung als Werte der historisch-kulturellen Identität der europäischen Gesellschaft fördern“.

Im Dezember 2000 wurde in Frankfurt am Main die Obermainbrücke in Ignatz-Bubis-Brücke umbenannt.

Auszeichnungen

Bestattung, Nachruf

Bubis wurde auf eigenen Wunsch in Israel beerdigt, nicht weil er sich Deutschland nicht verbunden gefühlt hätte, sondern weil er fürchtete, dass auf sein Grab neonazistische Anschläge verübt werden könnten, so wie es mit dem Grab von Galinski geschehen war.

Während der Beerdigung von Ignatz Bubis in Israel wurde sein Grab mit schwarzer Farbe beschmutzt. Auf einem Video der Nachrichtenagentur Reuters ist zu erkennen, wie ein schwarzer Farbstrahl ins Grab schießt, während die Totengräber Erde schaufeln.[4] Die Tat wurde vom israelischen Künstler Meir Mendelssohn begangen, der damit nach eigenen Angaben die Person von Ignatz Bubis kritisieren und diskriminieren wollte. Der Corriere della Sera schrieb in diesem Zusammenhang: „Der deutsche Jude Ignatz Bubis wurde als Inkarnation der Alternative zum Zionismus betrachtet. Eine unbequeme Persönlichkeit in Israel.“[5] Immer wieder verteidigte er die Bundesrepublik im Ausland als demokratisch geläuterten Staat.[1]

Ignatz-Bubis-Preis

Hauptartikel: Ignatz-Bubis-Preis

Die Stadt Frankfurt am Main verleiht seit 2001 den Ignatz-Bubis-Preis für Verständigung.

Schriften

  • Ignatz Bubis, Ich bin ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. 1993.
  • Ignatz Bubis: Liberalismus. In: Werner Bruns, Walter Döring (Hrsg): Der selbstbewusste Bürger. Die Liberalen Perspektiven. Bouvier, Bonn 1995.
  • Ignatz Bubis: Damit bin ich noch längst nicht fertig. 1996 (Autobiografie).

Literatur

  • Fritz Backhaus, Raphael Gross, Michael Lenarz (Hrsg.): Ignatz Bubis. Ein jüdisches Leben in Deutschland. Jüdischer Verlag im Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-633-54224-6 (Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main, Jüdisches Museum, 16. Mai – 11. November 2007).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Joachim Güntner: Citoyen und Jude. Ignatz Bubis in einer Ausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt. In: NZZ 18. Mai 2007.
  2. Volker Müller: Das Mahnmal im Herzen. Ein Mann der Aufklärung und des Ausgleichs. In: Berliner Zeitung, 14./15. August 1999, S. 3.
  3. Volker Müller: Die Bitterkeit des unbeirrbaren Mahners. In: Berliner Zeitung, 31. Juli 1999, S. 2.
  4. Die Grabschändung blieb fast unbemerkt. In: Der Tagesspiegel, 17. August 1999.
  5. Aus Pressestimmen. In: Berliner Zeitung, 18. August 1999.

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