Neugeborenensepsis

Neugeborenensepsis
Klassifikation nach ICD-10
P36 Bakterielle Sepsis beim Neugeborenen
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Die Neugeborenensepsis ist eine Blutvergiftung (Sepsis), die bei Neugeborenen auftritt. Eine Sepsis entsteht bei einer Person, wenn Krankheitserreger in ihren Körper eindringen und ihn infizieren, das Abwehrsystem aber nicht in der Lage ist, diese erfolgreich zu bekämpfen. Dann können sich die Krankheitserreger mit dem Blut über den ganzen Körper verteilen, vermehren und so die Infektion auf den ganzen Körper ausweiten. Das Abwehrsystem versucht weiter, die eingedrungenen Krankheitserreger zu beseitigen, deren Ausbreitung zu unterbinden und durch die Krankheitserreger verursachte Schäden zu reparieren. Diese Reaktionen des Abwehrsystems werden Entzündungsreaktion genannt und äußern sich gegen außen mit den fünf Entzündungszeichen Rötung (lateinisch: Rubor), Überwärmung (lateinisch: Calor), Schwellung (lateinisch: Tumor), Schmerz (lateinisch: Dolor) und eingeschränkter Funktion (lateinisch: Functio laesa). Nicht bei jeder Entzündungsreaktion wird jedes dieser fünf Zeichen bemerkt. Weitere Veränderungen können zu diesen Entzündungszeichen hinzutreten, dazu gehören Fieber, Krankheitsgefühl sowie im Blut Anstieg oder Abfall der weißen Blutkörperchen, Anstieg des Entzündungsfaktors CRP, beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit und Anstieg des Procalcitonin. Bei der Sepsis findet eine Entzündungsreaktion überall dort statt, wo sich Krankheitsserreger befinden. Da die Krankheitserreger sich bei der Sepsis mit dem Blut aber über den ganzen Körper, sozusagen das ganze System, verteilen können, wird auch von einer systemischen Entzündungsreaktion gesprochen. Durch diese systemische Entzündungsreaktion wird die Funktion betroffener Organe des Körpers eingeschränkt. So hilft die überschießende Entzündungsreaktion dem Körper nicht bei der Bekämpfung der Krankheitserreger, sondern bedroht im Gegenteil das Leben des Betroffenen, wenn lebenswichtige Organe durch die überschießende Entzündungreaktion funktionsunfähig werden und ein septischer Schock auftritt, der ohne sofortige Behandlung im Tod des Betroffenen endet.

Ein Neugeborenes wird vor Infektionen geschützt, indem es vor der Geburt über den Mutterkuchen Abwehrkörper (Antikörper) von der Mutter erhält. Dabei wird von einer Leihimmunität gesprochen. Zudem erhalten Neugeborene mit der Muttermilch zahlreiche sogenannte antiinfektiöse Faktoren, die sie gegen eine Infektion schützen sollen. Insbesondere bei Frühgeborenen und Neugeborenen mit tiefem Körpergewicht reicht dieser Schutz zur Bekämpfung der Krankheitserreger aber nicht immer aus, so dass nach Kontakt mit gewissen Krankheitserregern vor, während oder nach der Geburt eine Neugeborenensepsis auftreten kann.

Unterschiedliche Veränderungen im Bereich des Allgemeineindrucks, der Atmung, der Haut, des Verdauungstraktes, der Nerven und des Kreislaufs können bei einem Neugeborenen auf das Vorliegen einer Neugeborenensepsis hinweisen. Da der Übergang vom gesund wirkenden Neugeborenen zum schwerst kranken Neugeborenen mit einem septischen Schock, das ohne sofortige Behandlung stirbt, oft in nur wenigen Stunden erfolgt, muss bei Veränderungen sofort mit einer Antibiotikabehandlung und weiteren Maßnahmen begonnen werden. Die Ergebnisse von Blut-, Urin- und/oder Hirnflüssigkeitsuntersuchungen, die die Diagnose Neugeborenensepsis bestätigen würden, können für den Beginn der Behandlung nicht abgewartet werden. Sie sind hingegen für den weiteren Verlauf und die Anpassung der Behandlung von Bedeutung.

Inhaltsverzeichnis

Formen

Bei der Neugeborenensepsis wird je nachdem, wann sie auftritt, zwischen einer Frühsepsis, im Englischen Early onset Sepsis (EAS), und einer Spätsepsis, im Englischen Late onset Sepsis (LOS), unterschieden.

Bei der Frühsepsis (Early onset Sepsis (EAS)) treten die ersten Beschwerden bei den betroffenen Neugeborenen meistens bereits am ersten Lebenstag, eventuell bis zum fünften Lebenstag, auf. Dabei stammen die verantwortlichen Krankheitserreger aus dem Mastdarm und der Scheide der Mutter und werden kurz vor der Geburt über das Fruchtwasser oder durch Kontakt im Geburtskanal während der Geburt von der Mutter auf ihr Kind übertragen. Es wird dabei von einer vertikalen Übertragung der Krankheitserreger gesprochen.

Bei der Spätsepsis (Late onset Sepsis (LOS)) hingegen zeigen sich erste Krankheitszeichen bei den Neugeborenen erst nach fünf bis sieben Lebenstagen. Auch bei ihnen stammen die auslösenden Erreger zumeist aus dem Fruchtwasser oder dem Geburtskanal. Erreger aus der Umgebung sind selten. Wenn die Spätsepsis bei Neugeborenen, die im Spital sind, auftritt und die Krankheitserreger somit aus der Spitalumgebung auf das Neugeborene übertragen werden, wird auch von einer nosokomialen Sepsis gesprochen.

Ursachen

Frühsepsis

Bei der Frühsepsis werden noch vor oder während der Geburt die auslösenden Krankheitserreger von der Mutter auf das Kind übertragen. Am häufigsten handelt es sich bei diesen Krankheitserregern um Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B oder um Escherichia coli. Aber auch Staphylococcus aureus, Klebsiellen, Enterokokken, Streptokokken anderer Gruppen, Listeria monocytogenes und Anaerobier, wie Bacteroides fragilis, können eine Frühsepsis verursachen.

Diese Erreger stammen in der Regel aus dem Mastdarm der Mutter und steigen über die Scheide in den Gebärkanal und in die Gebärmutter auf. Dort bewirken sie eine Entzündung der Eihäute und gelangen in der Folge ins Fruchtwasser, das das noch nicht geborene Kind umgibt. Die Krankheitserreger werden mit dem Fruchtwasser von den betroffenen Kindern verschluckt und können so in die Lunge gelangen, wo sie eine Lungenentzündung auslösen können. Die Krankheitserreger können aber auch während des Geburtvorgangs im Geburtskanal von den Neugeborenen aufgenommen werden und eine Infektion bewirken.

Von der Mutter erhalten Kinder während der Schwangerschaft über den Mutterkuchen zwar Abwehrkörper, eine sogenannte Leihimmunität, und nach der Schwangerschaft über die Muttermilch antiinfektiöse Substanzen zur Bekämpfung von Infektionen, aber diese genügen nicht immer, um eine Infektion und die sie auslösenden Krankheitserreger erfolgreich zu bekämpfen. So können sich die Krankheitserreger mit dem Blut über den ganzen Körper des Neugeborenen verteilen und auch an anderen Stellen zu weiteren Infektionen führen. Darauf versucht das Abwehrsystem zu reagieren und bewirkt eine überschießende Entzündungsreaktion, was zum Funktionsverlust lebenswichtiger Organe und damit zum septischen Schock führt, an dem die Neugeborenen ohne rechtzeitige Behandlung versterben. Dabei kann der Übergang vom gesund wirkenden Neugeborenen zum schwerst kranken Neugeborenen bis hin zum Tod oft nur wenige Stunden dauern.

Spätsepsis

Bei der Spätsepsis (Late onset Sepsis (LOS)) hingegen zeigen sich erste Krankheitszeichen bei den Neugeborenen erst nach fünf bis sieben Lebenstagen. Hier stammen die auslösenden Erreger meist ebenso aus dem Geburtskanal, wurden aber durch das Immunsystem entweder länger unterdrückt, so dass nur eine latetente Infektion vorlag oder die Symptomatik entsteht durch Absiedlungen des Erregers. Typisches Beispiel einer late-onset-Infektion/Sepsis ist die B-Streptokokken-Meningitis. Generell können auch gesunde Neugeborene zuhause an einer LOS erkranken (etwa 10% der Streptokokken-Infektionen sind lt. nationalem Referenzzentrum eine LOS). Daher ist hier von einer nosokomialen Sepsis z.B. durch Venenkatheter dringend zu differenzieren. Auch bei der Spätsepsis kann das Abwehrsystem des Neugeborenen die Krankheitserreger und die Infektion nicht effektiv bekämpfen, sodass sich diese mit dem Blut über den ganzen Körper verteilen können. Darauf versucht das Abwehrsystem zu reagieren und bewirkt eine überschießende Entzündungsreaktion, was zum Funktionsverlust lebenswichtiger Organe und damit zum septischen Schock führt, an dem die Neugeborenen ohne rechtzeitige Behandlung versterben. Dabei kann der Übergang vom gesund wirkenden Neugeborenen zum schwerst kranken Neugeborenen bis hin zum Tod oft nur wenige Stunden dauern.

Risikofaktoren

Es sind Risikofaktoren für das Auftreten einer Frühsepsis oder einer Spätsepsis bei Neugeborenen bekannt.

So nimmt das Risiko für das Auftreten einer Frühsepsis bei einem Neugeborenen deutlich zu, wenn das Kind zu früh, das heißt vor Erreichen der 37ten Schwangerschaftswoche, geboren wird und/oder ein niedriges Geburtsgewicht aufweist, in der Scheide und/oder im Mastdarm der Mutter Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B vorhanden sind, die Mutter an einem Amnioninfektionssyndrom leidet, ein vorzeitiger Blasensprung (≥ 18 Stunden vor der Geburt) aufgetreten ist, bei der Mutter während der Schwangerschaft eine Bakteriurie oder ein Harnwegsinfekt mit Beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B aufgetreten ist oder die Mutter früher bereits ein Kind geboren hat, das nach der Geburt an einer Frühsepsis litt. Beim Amnioninfektionssyndrom handelt es sich um eine Entzündung der Eihäute, die auch Chorioamnionitis genannt wird. Typische Zeichen für das Vorliegen einer Chorioamnionitis bei der Mutter können Fieber (≥ 38°C) unter der Geburt, eine Gebärmutter, die beim Drücken auf den Bauch schmerzt, grünes, übel riechendes Fruchtwasser und eine Vermehrung der weißen Blutkörperchen und des Entzündungsparameters CRP im Blut der Mutter sein. Zudem kann vor der Geburt eine anhaltende Beschleunigung des Herzschlags des Kindes im Bauch der Mutter darauf hindeuten, dass ein Amnioninfektionssyndrom vorliegt.

Das Risiko für das Auftreten einer Spätsepsis ist bei einem Neugeborenen ebenfalls erhöht, wenn es zu früh geboren wurde, aber auch wenn es eine Infusion, eine künstliche Ernährung oder eine Beatmung benötigt. Zudem erhöhen Platz- und Personalmangel das Risiko für das Auftreten einer Spätsepsis bei einem Neugeborenen.

Häufigkeit

Etwa bei einem bis drei von tausend Kindern, die lebend geboren werden, tritt eine Neugeborenensepsis auf.[1] Die Häufigkeit des Auftretens der Frühform der Neugeborenensepsis ist mit etwa 1.9 Prozent bei Frühgeborenen mit einem Körpergewicht unter 1500 Gramm deutlich erhöht.[2] Insbesondere die Häufigkeit der Frühsepsis konnte jedoch mit geeigneten Maßnahmen gesenkt werden.[3]

Symptome

Bei der Frühsepsis zeigen sich bei den betroffenen Neugeborenen Veränderungen meist bereits am ersten Lebenstag, bei der Spätsepsis in der Regel erst nach dem fünften bis siebten Lebenstag. Je nach Ort der Erstinfektion, das heißt, wo die Krankheitserreger in den Körper des Neugeborenen eingedrungen sind, und der Ausbreitung der eingedrungenen Krankheitserreger im Körper des Neugborenen können verschiedene Veränderungen im Bereich der Atmung, der Haut, des Verdauungstraktes, der Nerven und des Kreislaufs sowie allgemeine Veränderungen bei einem Neugeborenen auf das Vorliegen einer Neugeborenensepsis hinweisen. Bei diesen Veränderungen wird auch von Infektzeichen gesprochen.

Allgemeine Hinweise auf das Vorliegen einer Infektion bei einem Neugeborenen, sind eine Trinkschwäche, eine zu niedrige Körpertemperatur oder weniger häufig Fieber, eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Berührungen und der Eindruck, dass ein Kind nicht gut aussieht.

Im Bereich der Atmung weisen Atemaussetzer (Apnoe) und/oder ein Atemnotsyndrom auf eine Neugeborenensepsis hin. Ein Atemnotsyndrom zeigt sich durch eine Zunahme der Atemfrequenz, eine Zyanose mit violetter bis bläulicher Verfärbung der Haut, der Schleimhäute, der Lippen und der Fingernägel sowie Einziehungen der Haut im Bereich des Brustbeins oder zwischen den Rippen, Nasenflügeln und Stöhnen beim Ausatmen. Dabei unterscheidet sich das Atemnotsyndrom bei einer Neugeborenensepsis nicht von einem Atemnotsyndrom, das aus einem anderen Grund, beispielsweise einem Surfactant-Mangel oder einer Mekoniumaspiration, auftritt.

Im Bereich der Haut sind Blässe, die bereits erwähnte Zyanose, punktförmige Einblutungen in die Haut, Eiterbläschen, umkapselte Eiteransammlungen, eine Entzündung der Nabelschnur, eine Entzündung des Nagelwalls (Umlauf), eine Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten oder der Bindehaut der Augen und Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe mögliche Infektzeichen.

Im Bereich des Verdauungstraktes sind Erbrechen, ein geblähter Bauch, eine verzögerte Magenentleerung mit zunehmenden Magenresten, Verstopfung, Durchfall, Nahrungsverweigerung und das Fehlen von Darmgeräuschen hinweisend für eine Neugeborenensepsis. Als Spätzeichen einer Neugeborenensepsis im Bereich des Verdauungstraktes sind eine Vergrößerung von Leber und Milz, eine sogenannte Hepatosplenomegalie, möglich.

Mögliche Infektzeichen im Bereich des Nervensystems sind eine Apathie, eine Bewusststeinsstörung mit Schläfrigkeit, ein verminderter oder erhöhter Muskeltonus, Krampfanfälle und gespannte Fontanellen. Dabei weisen Überstreckung, Krampfanfälle und eine Vorwölbung der Fontanellen auf das Vorliegen einer Hirnhautentzündung hin. Eine Neugeborenensepsis geht insbesondere bei der Spätsepsis gehäuft, das heißt in bis zu 25 Prozent, mit einer Hirnhautentzündung einher.

Im Bereich des Kreislaufs bestehen die Zeichen einer Neugeborenensepsis aus einer Zunahme der Herzfrequenz, Blässe und schlechterer Durchblutung der Haut mit einer verlängerten Rekapillarisierungszeit. Bei einer verlängerten Rekapillarisierungszeit dauert es nach dem Druck auf den Fingernagel oder einen Hautbereich, durch welchen sich die kleinen Blutgefäße entleeren und die Oberfläche blass wird, länger, bis sich die Gefäße wieder füllen und die normale Farbe in das Gebiet zurückkehrt. Der Blutdruckabfall, der ein weiteres Infektzeichen ist, tritt erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Neugeborenensepsis auf, wenn die Sepsis ohne Behandlung weiter fortschreitet und sich der Zustand und der Kreislauf der betroffenen Neugeborenen zunehmend verschlechtern bis ein septischer Schock auftritt.

Der Übergang vom gesund wirkenden Neugeborenen zum schwerst kranken Neugeborenen mit einem septischen Schock, das ohne sofortige Behandlung stirbt, erfolgt dabei oft in nur wenigen Stunden.

Diagnostik

Sind bei einem Neugeborenen Risikofaktoren für eine Neugeborenensepsis vorhanden, müssen die Neugeborenen genau beobachtet werden. Es muss sofort an das Vorliegen einer Neugeborenensepsis gedacht werden, wenn sich Infektzeichen bei den Neugeborenen zeigen oder sich deren Allgemeinzustand verschlechtert, sodass man den Eindruck hat, etwas stimmt mit dem Kind nicht.

Treten bei einem Neugeborenen Infektzeichen auf, sollen unumgehend Blutentnahmen beim Kind durchgeführt und Blutkulturen angelegt werden. Die Blutkultur, bei der Krankheitserreger im Blut festgestellt werden können, würde das Vorliegen einer Neugeborenensepsis beweisen. Da das Ergebnis der Blutkulturen meist erst nach 48 bis 72 Stunden vorliegt, die Therapie aber sofort begonnen werden muss, helfen die Blutkulturen bei der Entscheidung für oder gegen eine Behandlung in erster Linie jedoch nicht weiter. Veränderungen im Blut, die in kurzer Zeit gemessen werden können, können hingegen bei der Entscheidung weiterhelfen. So weist ein Mangel an weißen Blutkörperchen, eine sogenannte Leukopenie, mit einer Linksverschiebung auf das Vorliegen einer Neugeborenensepsis hin. Eine Leukopenie tritt auf, da die weißen Blutkörperchen zur Abwehr der Krankheitserreger und der Infektion verbraucht werden. Es kann aber auch eine Leukozytose mit einer erhöhten Anzahl weißer Blutkörperchen im Blut des Neugeborenen gemessen werden, da vermehrt weiße Blutkörperchen zur Bekämpfung der Infektion hergestellt werden. Eine Linksverschiebung bedeutet, dass mehr unreife als reife Granulozyten, bestimmte weiße Blutkörperchen, als normalerweise im Blut vorhanden sind, ebenfalls wegen des vermehrten Verbrauchs zur Abwehr der Infektion und damit der gesteigerten Produktion neuer weißer Blutkörperchen. Zudem kann im Blut der Entzündungsparameter CRP angestiegen sein. Dieser steigt meist aber erst zu spät an, um für die Diagnose und den rechtzeitigen Behandlungsbeginn von Bedeutung zu sein. Daneben können weitere Faktoren, wie Procalcitonin, Interleukin 6 oder Interleukin 8 im Blut verändert sein, wobei deren Bedeutung bei der Diagnose einer Neugeborenensepsis noch unklar ist.

Weiter kann bei Verdacht auf das Vorliegen einer Spätsepsis im Urin der betroffenen Neugeborenen nach den verursachenden Krankheitserregern gesucht werden, indem der Urin untersucht und Urinkulturen entnommen werden.

Liegt bei einem Neugeborenen der Verdacht auf eine Hirnhautentzündung vor, soll zusätzlich zu den Blutentnahmen, den Blutkulturen und den Urinuntersuchungen eine sogenannte Lumbalpunktion durchgeführt werden. Dabei wird im Bereich der Lendenwirbelsäule Hirnflüssigkeit entnommen und anschließend bezüglich Zellzahl, Eiweißgehalt und Zuckergehalt untersucht. Zudem sollen eine Gram-Färbung durchgeführt und Kulturen angelegt werden, um festzustellen, ob und wenn ja welche Krankheitserreger in der Gehirnflüssigkeit vorhanden und somit für die Hirnhautentzündung verantwortlich sind.

Es gilt, aus den Symptomen des Neugeborenen, dessen Infektrisiko anhand der Risikofaktoren und den Ergebnissen von dessen Blut-, Urin- und/oder Hirnflüssigkeitsuntersuchungen abzuwägen, ob ein Neugeborenes an einer Neugeborenensepsis erkrankt ist und ob eine Behandlung sofort begonnen werden soll oder ob bei fehlendem Verdacht noch abgewartet werden kann.

Differentialdiagnose

Folgende Erkrankungen von Neugeborenen können zu ähnlichen Symptomen wie die Neugeborenensepsis führen:

Therapie

Besteht anhand der Symptome des Neugeborenen, dessen Infektrisiko und dessen Blut-, Urin- und/oder Hirnflüssigkeitsuntersuchungsergebnissen der Verdacht, dass ein Neugeborenes an einer Neugeborenensepsis erkrankt ist, soll sofort eine Behandlung des Neugeborenen mit Antibiotika über eine Infusion begonnen werden. Dazu werden Antibiotika gewählt, die gegen die üblicherweise bei einer Neugeborenensepis auftretenden Krankheitserreger wirksam sind. Wichtig ist, dass vor Beginn der Antibiotikabehandlung bei dem Neugeborenen Blutkulturen abgenommen werden, um festzustellen, ob wirklich eine Neugeborenensepsis vorliegt oder nicht und welche Krankheitserreger für die Neugeborenensepsis verantwortlich sind. Klingen die Symptome unter der Behandlung ab und verbessert sich der Zustand des Neugeborenen, spricht dies für die Diagnose der Neugeborenensepsis und die Fortführung der Behandlung. Verschlechtert sich der Zustand des Neugeborenen weiter, muss daran gedacht werden, dass in seltenen Fällen auch andere Erreger für die Neugeborenensepsis verantwortlich sein könnten, die auf die Behandlung nicht ansprechen, und die begonnene Behandlung soll durch Antibiotika gegen solche Erreger ergänzt werden. Liegen die Ergebnisse der Blutkulturen, Urinkulturen und/oder Kulturen der Hirnflüssigkeit vor und bestätigt sich der Verdacht auf das Vorhandensein einer Neugeborenensepsis, soll mit der Antibiotikabehandlung weitergefahren werden. Können in den Blutkulturen, Urinkulturen und/oder den Kulturen der Hirnflüssigkeit keine Krankheitserreger gefunden werden, sind die anderen Untersuchungen ebenfalls unauffällig und haben sich für die anfänglichen Hinweise auf das Vorliegen einer Neugeborenensepsis andere Erklärungen gefunden, soll die Behandlung unumgehend beendet werden, da sie unnötig ist und jede unnötige Antibiotikabehandlung zu sogenannten Resistenzen führen kann, sodass Antibiotika wirkungslos werden. Wenn aber die betroffenen Neugeborenen weiterhin Zeichen für das Vorliegen einer Neugeborenensepsis aufweisen und deshalb eine Neugeborenensepsis nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, soll die Antibiotikabehandlung weitergeführt werden, auch wenn in den Blutkulturen, Urinkulturen und/oder den Kulturen der Hirnflüssigkeit keine Krankheitserreger gefunden wurden.

Bei einer Frühsepsis kann die Antibiotikabehandlung mit einer Aminopenicillin/Aminoglycosid- oder einer Cephalosporin (der dritten Generation)/Aminopenicillin-Kombination begonnen werden, wobei sich bei Vorhandensein oder Verdacht auf eine Hirnhautentzündung eine Aminopenicillin/Cephalosporin (der dritten Generation)/Aminoglykosid-Kombination empfiehlt. Diese Kombinationen wirken meist aber nicht gegen Anaerobier. Verschlechtert sich der Zustand des Neugeborenen trotz der begonnenen Antibiotikabehandlung, muss daran gedacht werden, dass Anaerobier die Neugeborenensepsis verursacht haben könnten und die Behandlung soll durch Metronidazol ergänzt werden.

Bei einer nosokomialen Spätsepsis kann die Antibiotikabehandlung mit einer Cephalosporin (der dritten Generation)/Aminoglycosid- oder Cephalosporin (der dritten Generation)/Vancomycin-Kombination begonnen werden. Eine Alternative bildet die Kombination aus einem Carbapenem und Vancomycin. Bei Vorhandensein oder Verdacht auf eine Hirnhautentzündung empfiehlt sich eine Vancomycin/Cephalosporin (der dritten Generation)/Aminoglykosid-Kombination. Bei Verdacht auf einen Pilz als Auslöser der Neugborenensepsis kann eine Amphotericin B/Flucytosin-Kombination oder Fluconazol angewendet werden. Sobald die Blutkulturen, Urinkulturen und/oder die Kulturen der Hirnflüssigkeit gezeigt haben, welches der Krankheitserreger der Neugeborenensepsis ist und gegen was dieser Krankheitserreger empfindlich ist, kann die begonnene Behandlung auf eine gegen den Krankheitserreger gezielte und effiziente Behandlung umgestellt werden.

Neben der Behandlung zur gezielten Bekämpfung der verursachenden Krankheitserreger müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Zustand des Neugeborenen zu stabilisieren. Dazu gehört eine Beatmung bei Atemschwierigkeiten, damit alle Zellen des Körpers des Neugeborenen genügend Sauerstoff erhalten. Der Blutdruck kann durch die Gabe von Flüssigkeit über eine Infusion und bei Bedarf die Verabreichung von Kreislauf-stützenden Medikamenten (Katecholaminen) stabilisiert werden. Wenn durch den übermäßigen Verbrauch von Blutgerinnunsfaktoren im Rahmen einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) die Blutungsneigung steigt, können den betroffenen Neugeborenen Vitamin K, Antithrombin III oder gefrorenes Frischplasma gegeben werden. Bei einer zu geringen Menge an Blutplättchen mit einer Blutung können die fehlenden Blutplättchen durch die Gabe von Blutplättchen ersetzt werden. Eine Unterzuckerung, eine Übersäuerung, eine Verschiebung der Salze und/oder eine Blutarmut müssen ausgeglichen werden.

Zudem kann mit verschiedenen Maßnahmen, beispielsweise der Gabe von Immunglobulinen, versucht werden, das Abwehrsystem des Neugeborenen zu stärken.

Prognose

Wird frühzeitig der Verdacht auf eine Neugeborenensepsis gestellt und mit einer entsprechenden Antibiotikabehandlung begonnen, klingen die Beschwerden des Neugeborenen meist rasch ab und sein Allgemeinzustand bessert sich. In zehn bis fünfundzwanzig Prozent der an einer Neugeborenensepsis erkrankten Neugeborenen wird die Behandlung jedoch zu spät eingeleitet und die Neugeborenen versterben. Bei den überlebenden Neugeborenen kann eine sogenannte pulmonale Hypertonie, das heißt ein Bluthochdruck im Bereich der Blutgefäße im Lungenkreislauf, fortbestehen und zu ernstzunehmenden gesundheitlichen Konsequenzen führen.[4] Nach einer Neugeborenensepsis mit einer Entzündung der Hirnhäute durch Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B oder durch Gram-negative Bakterien können bei einem hohem Anteil der Betroffenen Schäden im Bereich des Nervensystems bestehen bleiben.

Prävention

In gewissen Ländern wie der Schweiz und Österreich werden vor der Geburt, etwa zwischen der 35. und 37. Schwangerschaftswoche, bei Frauen Abstriche in der Scheide und dem Mastdarm durchgeführt, um festzustellen, ob bei ihnen Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B in Mastdarm und/oder Scheide vorhanden sind, die bei den Kindern eine Frühsepsis auslösen könnten. Fällt der Abstrich positiv aus, werden der Mutter während der Geburt mit einem Beginn mindestens vier Stunden vor der eigentlichen Geburt über eine Infusion Antibiotika, in der Regel Penicillin G oder als Alternative Ampicillin, gegeben. Bei einer Allergie gegen Penicillin kann ein Cephalosporin der zweiten Generation und bei einer Allergie gegen Penicillin und Cephalosporine Clindamycin verwendet werden. Durch diese Antibiotikagabe kann das Risiko für eine Frühsepsis mit Beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B deutlich gesenkt werden. Außerdem werden der Mutter während der Geburt Antibiotika über eine Infusion gegeben, wenn die Ergebnisse der Abstriche nicht bekannt sind oder mehr als fünf Wochen alt sind und ein vorzeitiger Blasensprung (≥ 18 Stunden vor der Geburt) aufgetreten ist, die Mutter während der Geburt an Fieber (≥ 38°C) leidet, was auf ein Amnioninfektionssyndrom hinweist, oder eine Frühgeburt, das heißt eine Geburt vor Abschluss der 37ten Schwangerschaftswoche, droht. Auch werden Frauen, die bereits ein Kind geboren haben, das nach der Geburt an einer Neugeborenensepsis mit Beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B litt, während der Geburt mit Antibiotika behandelt. Abstriche aus der Scheide und dem Mastdarm sind bei ihnen nicht notwendig. Ebenso sind bei Frauen die während der Schwangerschaft an einer Bakteriurie oder einem Harnwegsinfekt mit Beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B litten keine Abstriche notwendig. Diese Frauen sollen während der Schwangerschaft bei Entdeckung der Bakteriurie oder des Harnwegsinfekts und unter der Geburt mit Antibiotika behandelt werden. Wird bei einer Schwangeren primär ein Kaiserschnitt zur Geburt des Kindes durchgeführt, das heißt, ohne dass ein Blasensprung und Wehen aufgetreten sind, kann auf eine Antibiotikagabe verzichtet werden, da das Risiko für das Auftreten einer Frühsepsis mit Beta-hämolysierenden Streptokokken bei einer Geburt in diesem Fall gering ist.

Eine prophylaktische Gabe von Abwehrstoffen (Immunglobulinen) an Frühgeborene, um dadurch die Häufigkeit von Infektionen bei ihnen zu senken, ist umstritten und wird nicht empfohlen, da wahrscheinlich nur sehr unreife Frühgeborene davon profitieren und das Auftreten ernstzunehmender Nebenwirkungen nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Um einer nosokomial erworbenen Spätsepsis bei Neugeborenen vorzubeugen, gilt es, die Hygienemaßnahmen im Umgang mit Neugeborenen, insbesondere das sorgfältige Waschen und Desinfizieren der Hände, genau zu befolgen.

Literatur

  • F.C. Sitzmann: Pädiatrie. Duale Reihe, Georg Thieme Verlag (2002), 2. Auflage, 117-126. ISBN 3-13-125332-0.
  • M. Stauber, T. Weyerstahl: Gynäkologie und Geburtshilfe. Duale Reihe, Georg Thieme Verlag (2001), 706-707. ISBN 3-13-125341-X.
  • C.M.Stan, M. Meisser, M. Boulvain: Neugeborenensepsis durch Streptokokken der Gruppe B. Eine kritische Betrachtung zu aktuellen und zukünftigen Strategien ihrer Prävention. Der Gynäkologe, Jul 2002, Volume 35, Number 7.
  • H. Schneemann, L. Young, M. A. Koda-Kimble: Angewandte Arzneimitteltherapie: Klinisch-pharmazeutische Betreuung in Fallbeispielen. Springer Verlag (2001), 742-746. ISBN 3-540-41356-1.
  • K. Werdan, H. P. Schuster, U. Müller-Werdan: Sepsis und MODS. Springer Verlag (2005), 4. Auflage, 557-572. ISBN 3-540-00004-6.
  • B. Koletzko: Kinder- und Jugenmedizin. Springer Verlag (2007), 13. Auflage, 91-94. ISBN 3-540-48632-1.
  • B. Hoffmann: Crashkurs Pädiatrie. Urban & Fischer Verlag (2007), 2. Auflage, 36-37. ISBN 3-437-43201-X.
  • D. Reinhardt: Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Springer Verlag (2007), 8. Auflage, 411-416. ISBN 3-540-71898-2.
  • Centers for Disease Control and Prevention, S. Schrag, R. Gorwit, K. Fultz-Butts, A. Schuchat: Prevention of Perinatal Group B Streptococcal Disease. MMWR 2002; 51 (RR-11): 1–22. http://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/rr5111a1.htm
  • D. M. Money, S. Dobson: The Prevention of Early-Onset Neonatal Group B Streptococcal Disease. J Obstet Gynaecol Can 2004; 26: 826–832.
  • Royal College of Obstreticians and Gynaecologists: Prevention of early onset neonatal group B streptococcal disease. Guideline Nr 36, Nov 2003: 1–10, online

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Weisman LE, Stoll BJ, Cruess DF et al. (1992). Early onset group B streptococcal sepsis: A current assessment. J Pediatr 121:428-433
  2. Stoll B, Gordon T, Korones SB et al. (1996). Early-onset sepsis in very low birth weigt neonates: A report from the National Institute of child Health and Human Development Neonatal Research Network. J Pediatr 129:63-71
  3. Schrag SJ, Zywicki S, Farley MM et al. (2000). Group B streptococcal disease in the era of intrapartum antibiotic prophylaxis. N Engl J Med 342:15-20.
  4. H. Burchardi, R. Larsen, R. Kuhlen, K. W. Jauch, J. Schölmerich. Die Intensivmedizin. Springer Verlag (2008).10. Auflage. S. 1108


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