St-Sulpice de Paris

St-Sulpice de Paris
Saint-Sulpice, Chor von Nordosten
Innenansicht
Die in der heutigen Gestalt von Cavaillé-Coll erbaute Hauptorgel von St.-Sulpice. Widor war dort 64 Jahre Organist.

Die Pfarrkirche Saint-Sulpice ist eine katholische Pfarrkirche im Pariser Stadtteil Saint-Germain-des-Prés (im 6. Arrondissement). Sie ist dem heiligen Sulpicius II. von Bourges als Namenspatron geweiht.

Die Kirche hat eine Länge von 118 m und eine Breite von 57 m. Unter den Kirchenschiffen befinden sich diverse Krypten, deren Grundflächen zusammen fast genauso groß sind wie die Grundfläche der Kirche selbst.

Saint-Sulpice wurde von einigen der größten Familien Frankreichs (darunter die Familien Condé, Conti und Luynes) zur Grabstätte auserkoren.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der romanische, mehrfach erweiterte Vorgängerbau aus dem 12. Jahrhundert wurde im 17. Jahrhundert abgerissen. 1646 wurde der Grundstein zu einem Neubau nach den Plänen von Christophe Gamard gelegt, 1655 übernahm Louis Le Vau die Bauleitung. Nach dessen Rücktritt legte Daniel Gittard einen Entwurf vor, der ab 1660 verwirklicht wurde. Bereits 1678 unterbrach Geldmangel die Bauarbeiten. Nur der Chor samt Umgang und Kapellen sowie das Nordquerhaus und die Vierungspfeiler waren damals fertig. Langhaus, Vierung und südlicher Querhausarm wurden erst zwischen 1719 und 1736 durch Gilles-Marie Oppenordt errichtet.

Saint-Sulpice ist eine dreischiffige Basilika mit Umgangschor und kaum über die Fluchtlinie vortretendem Querhaus. Zwischen den Strebepfeilern sind Kapellen eingezogen, unter denen die Marienkapelle (Chapelle de la Vierge) am Chorhaupt hervortritt. Das Mittelschiff ist zweizonig aufgebaut: unten Pfeilerarkaden mit einer vorgelagerten korinthischen Pilasterordnung, darüber die Wölbungszone mit einer Längstonne samt Stichkappen für die Obergadenfenster. Die Gesamtdisposition ist als Reduktion des Schema der gotischen Pariser Kathedrale Notre-Dame zu verstehen, vermittelt über die Pfarrkirche St-Eustache de Paris. Auch Detailformen in den älteren Bauteilen (scheitelrippenartiges Profil, schlusssteinartige Rosetten) erinnern an gotische Vorbilder.

Die westliche Doppelturmfassade gehört, wiewohl noch zur Zeit der Bauarbeiten am Langhaus errichtet, einer neueren Stilstufe an. Aus einem Wettbewerb ging 1732 der Theaterarchitekt Giovanni Niccolò Servandoni, ein Florentiner französischer Abstammung, als Sieger hervor. Sein Entwurf gewann in der Realisierung mehr und mehr antikisch-römische Größe und weist schon auf den frühen Klassizismus voraus, eine Tendenz, die Jean-François Chalgrin mit seinem Entwurf für neue Turmfreigeschosses (nur Nordturm realisiert) fortschrieb.

Servandoni war in Paris eigentlich berühmt geworden mit seinen barocken Bühnen- und Festdekorationen, die ihn auch nach Lissabon, Dresden und London führten. Und eine ähnliche Tendenz zur theaterhaften Prachtentfaltung findet sich auch hier, allerdings in einer etwas zwiespältigen Version. Was auf einer Bühne wirkt, wirkt nicht unbedingt an einer Kirchenfassade. Servandoni hat hier bei weitem nicht das erreicht, was bei anderen großen Barockkirchen so überzeugend wirkt. Die Fassade von St-Sulpice ist proportional unausgewogen. Die beiden großen übereinander liegenden Säulenhallen werden von den Türmen nicht zusammengefasst.

Im Jahr 1642 gründete Jean-Jacques Olier (1608–1657) hier die Kongregation der Sulpizianer, einen katholischen Orden und das Priesterseminar St. Sulpice, mit dem Hauptzweck der akademischen und spirituellen Priestererziehung, die bis heute existiert. Dieses Priesterseminar und die Schule von Saint-Sulpice waren geistige Horte der Französischen Revolution. Aus ihnen sind Sieyès und Talleyrand, führende Köpfe der Revolution, hervorgegangen.

Während der Revolution wurde die Kirche als Siegestempel (Temple du Victoire) bezeichnet, woran heute noch ein Schild über der Mitteltür des Haupteinganges erinnert, kurz danach aber geplündert und beschädigt. Im Rahmen der Wiederaufbauarbeiten wurde die erste Südkapelle mit zwei Fresken von Eugène Delacroix aus den Jahren 1858-1861 geschmückt, die den Kampf Jakobs mit dem Engel und die Geschichte Heliodorns zeigen.

Die Orgeln

Hauptorgel

Herstellerplakette von Aristide Cavaillé-Coll am Spieltisch der Orgel

Die Kirche beherbergt eine Orgel, die auf ein Instrument von François-Henri Clicquot aus dem Jahre 1781 zurückgeht, von dem ein Teil des Pfeifenwerks noch vorhanden ist. Es wurde von Aristide Cavaillé-Coll in seinen Neubau von 1862 integriert, damals mit 100 Registern eine der größten Orgeln Europas. Die Orgel ist kaum verändert und eines der Hauptwerke des spätromantisch-sinfonischen Orgelbaus. Zwei Register wurden ausgetauscht und das zunächst dem 3. Manual als Bombardenwerk zugeordnete Werk als Solowerk auf das 5. Manual verlegt, so dass jetzt das Positif vom 3. Manual und das Récit vom 4. Manual angespielt werden. Zwei Pedalregister (Principal 16′ und 8′) wurden 1934 ergänzt, so dass die Orgel heute über 102 Register verfügt. Zwischen 1988 und 1991 wurde das denkmalgeschützte Instrument (Monument Historique) durch den Orgelbauer Jean Renaud aus Nantes einer umfassenden Restaurierung und Generalreinigung unterzogen. Trotzdem ist die Orgel in einem so originalen Zustand, wie man ihn sonst selten findet, was vor allem der Reihe von großen Organisten wie Louis James Alfred Lefébure-Wely (1863–1870), Charles-Marie Widor (1870–1933), Louis Vierne (Stellvertreter Widors ab 1892), Marcel Dupré (1933–1971) und Jean-Jacques Grunenwald (1973–1982) zu verdanken ist, die ihr Instrument respektierten und liebten, und damit vor Veränderungen schützten. Von 1850 bis 1863 war der aus Trier stammende Georg Schmitt Organist. Seit 1985 ist Daniel Roth Titularorganist in Saint-Sulpice, der sich auch um die Ernennung der Orgel zur UNESCO-Weltkulturerbe einsetzt.

In Saint-Sulpice finden regelmäßig sonntägliche Orgelkonzerte statt (Auditions du Dimanche, jeweils im Anschluss an das Hochamt, in der Regel von 11:30 bis 12:05 Uhr, während der anschließenden Messe ist eine Besichtigung der Orgelempore möglich).

Disposition
I Grand-Chœur C–g3
Jeux de combinaison:
Salicional 8′
Octave 4′
Cornet V (ab d1)
Fourniture IV
Cymbale VI
Plein jeu IV
Bombarde 16′
Basson 16′
Première trompette 8′
Deuxième trompette 8′
Basson 8′
Clairon 4′
Clairon doublette 2′
Pédale C–f1
Jeux de fond:
Principal 32′
Principal 16′
Contrebasse 16′
Soubbasse 16′
Principal 8′
Flûte 8′
Violoncelle 8′
Flûte 4′
Jeux de combinaison:
Bombarde 32′
Bombarde 16′
Basson 16′
Trompette 8′
Ophicléide 8′
Clairon 4′
II Grand-Orgue C–g3
Principal Harmonique 16′
Montre 16′
Bourdon 16′
Flûte conique 16′
Montre 8′
Diapason 8′
Bourdon 8′
Flûte harmonique 8′
Flûte traversière 8′
Flûte a pavillon 8′
Quinte 51/3
Prestant 4′
Doublette 2′
III Positif C–g3
Jeux de fond:
Violon basse 16′
Quintadon 16′
Salicional 8′
Viole de Gambe 8′
Unda maris 8′
Quintaton 8′
Flûte traversière 8′
Flûte douce 4′
Flûte octaviante 4′
Dulciane 4′
Jeux de combinaison:
Quinte 21/3
Doublette 2′
Tierce 13/5
Larigot 11/3
Piccolo 1′
Plein jeu harm. III–VI
Basson 16′
Trompette 8′
Baryton 8′
Clairon 4′
IV Récit expressif C–g3
Jeux de fond:
Quintaton 16′
Diapason 8′
Bourdon 8′
Violoncelle 8′
Voix céleste 8′
Prestant 4′
Doublette 2′
Fourniture V
Cymbale IV
Basson-Hautbois 8′
Cromorne 8′
Voix humaine 8′
Jeux de combinaison:
Flûte harmonique 8′
Flûte octaviante 4′
Dulciana 4′
Nazard 21/3
Octavin 2′
Cornet V
Bombarde 16′
Trompette 8′
Clairon 4′
Machine à grêle
Rossignol
Trémolo
V Solo C–g3
Jeux de fond:
Bourdon 16′
Flûte conique 16′
Principal 8′
Bourdon 8′
Flûte harmonique 8′
Violoncelle 8′
Gambe 8′
Keraulophone 8′
Prestant 4′
Flûte octaviante 4′
Jeux de combinaison:
Quinte 51/3
Octave 4′
Tierce 31/5
Quinte 21/3
Septième 21/7
Octavin 2′
Cornet V
Bombarde 16′
Trompette 8′
Clairon 4′
Trompette en chamade 8′

Chororgel

Die Chororgel mit 22 Registern wurde 1844 von Doublaine & Callinet gebaut und 1857 von Aristide Cavaillé-Coll repariert und vergrößert.

Organisten

Der Gnomon

Der Gnomon (im Hintergrund) und die Messingschiene, die den Meridianverlauf kennzeichnet

1727 errichtete der englische Uhrmacher Henry Sully im Auftrag des Priesters Languet de Gercy einen Gnomon in der Kirche, der die exakte Bestimmung der Wintersonnenwende und daraus folgend des Ostersonntags ermöglichte. In den Boden des Gebäudes wurde eine Linie aus Messing eingelassen, die den Meridian von Paris kennzeichnet, der erst zehn Jahre zuvor von Jacques Cassini als Nullmeridian festgelegt worden war. Diese führt zu einem etwa 11 Meter hohen Obelisken aus weißem Marmor. Zur Wintersonnenwende (am 21. Dezember) fällt ein Lichtstrahl auf die Messingschiene des Obelisken. Zum Äquinoktium (Frühlings- und Herbstanfang) fällt der Lichtstrahl auf eine in den Boden eingelassene Kupferplatte in der Nähe des Altars.


Beisetzungen

In der Kirche Saint-Sulpice wurden bestattet:

außerdem:

Andere Ereignisse

  • Im Jahr 1822 heirateten hier Victor Hugo und Adèle Foucher.
  • Im Jahr 1841 heirateten hier Heinrich Heine und die Schuhverkäuferin Eugenie Crescentia Mirat, die sich seit 1834 kannten.
  • Der Marquis de Sade und Charles Baudelaire wurden hier getauft (1740 bzw.1821).
  • Dan Browns Roman "Sakrileg" enthält eine Szene am Anfang, in der der gefallene Mönch Silas in der Kirche unter dem Verlauf des Meridians nach dem Heiligen Gral sucht. Auch in der Hollywood-Filmversion "The Da Vinci Code - Sakrileg" spielt eine Szene in St. Sulpice.

Fontaine Visconti

Vor der Kirche steht der Visconti-Brunnen, erbaut 1844 nach Plänen von Louis Visconti, nach dem er benannt ist. Der Brunnen trägt aber auch noch andere Namen, beispielsweise Fontaine des Quatre Evêques (‚Brunnen der vier Bischöfe‘). Keiner der vier dargestellten Kirchenoberen hat es jemals zum Kardinal gebracht, weshalb auch der Name Fontaine des Quatre points Cardinaux gebräuchlich ist, wobei point die Bedeutung von ‚nie‘ hat. Der Brunnen hätte dann die Bezeichnung: Brunnen derjenigen, die nie Kardinäle waren. Die Namen der Bischöfe sind: Jacques Bénigne Bossuet, François Fénelon, Jean-Baptiste Massillon und Esprit Fléchier. Die Löwen zu Füßen der hier Geehrten haben nicht die übliche klassische Würde, sondern zeigen ausgesprochen aggressives Verhalten, allerdings in dieser Form sehr überzeugend.

Literatur

  • Julia Droste-Hennings, Thorsten Droste: Paris. Eine Stadt und ihr Mythos. DuMont-Reiseverlag, Köln 2003, ISBN 3-7701-6090-8, S. 241f
  • Heinfried Wischermann: Architekturführer Paris. Gerd Hatje Verlag, Ostfildern 1997, ISBN 3-7757-0606-2, S. 48.

Weblinks

 Commons: St-Sulpice de Paris – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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