- Psychotherapie in Deutschland
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Psychotherapie wird in Deutschland ausschließlich von Ärzten (mit einer entsprechenden psychotherapeutischen Zusatzausbildung) oder von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie von Heilpraktikern für Psychotherapie durchgeführt.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP), verantwortlich für Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung von Psychotherapieverfahren (§ 11 Psychotherapeutengesetz), arbeitet auf Grundlage folgender Definition:
- Psychotherapie ist die Behandlung von Individuen auf der Basis einer Einwirkung mit überwiegend psychischen Mitteln. Die Definition wissenschaftlicher Psychotherapie fordert eine Reihe von weiteren Bedingungen, z. B. das Anstreben der positiven Beeinflussung von Störungs- und Leidenszuständen in Richtung auf ein nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (z. B. Symptomminimalisierung und/oder Strukturveränderungen der Persönlichkeit) sowie einen geplanten und kontrollierten Behandlungsprozess, der über lehrbare Techniken beschrieben werden kann und sich auf eine Theorie normalen und pathologischen Verhaltens bezieht. Wissenschaftliche Psychotherapie sollte als Heilbehandlung im Rahmen des jeweiligen Gesundheitssystems zu bestimmen sein.
Gesetzliche Grundlage
Seit 1999 gilt in Deutschland das Psychotherapeutengesetz, welches die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ erstmals gesetzlich geschützt hat (nicht jedoch die Gebietsbezeichnung „Psychotherapie“). Neben Ärzten, für die eigene berufsrechtliche Regelungen gelten, können nur Diplom-Psychologen (für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie auch Diplom-Pädagogen und Sozialpädagogen) nach erfolgreicher Absolvierung einer staatlich anerkannten Ausbildung, bei Vorliegen bestimmter, im Psychotherapeutengesetz festgelegter Voraussetzungen, die staatliche Approbation erhalten.
- Psychologische Psychotherapeuten haben zunächst Psychologie (Diplom-Psychologie) studiert (dabei müssen sie während des Hauptstudiums den Schwerpunkt Klinische Psychologie belegen) und absolvieren anschließend eine mehrjährige theoretische und praktische Psychotherapieausbildung, bevor sie die entsprechende staatliche Zulassung (Approbation, „Bestallung“ zur Ausübung der Heilkunde) erhalten. Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten beinhaltet etwa doppelt so viele theoretische Stunden wie die Facharztausbildung. Somit haben Psychologische Psychotherapeuten ein größeres theoretisches Wissen über Psychotherapie und insbesondere Psychotherapieforschung. Die ärztlichen Psychotherapeuten haben hingegen ein größeres theoretisches Wissen in der Pharmakotherapie.
- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten studieren zunächst Psychologie (Diplom oder Master), Medizin, Pädagogik (Diplom oder Master) oder Sozialpädagogik (Diplom oder Master). Nach dem Studium erfolgt analog zu den Psychologischen Psychotherapeuten eine mehrjährige Fachausbildung mit anschließender Approbation.
- Ärzte bilden sich nach Abschluss ihres Medizinstudiums entweder zum „Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“, zum „Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“ (oft in Kombination mit dem „Facharzt für Neurologie“) oder „Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie“ weiter, oder sie erwerben – nach einer beliebigen (nicht psychotherapie-gebundenen) Spezialisierung oder Facharztausbildung – zusätzlich die berufsbegleitenden Zusatzqualifikationen „Psychotherapie“ oder „Psychoanalyse“.
- Heilpraktiker für Psychotherapie bereiten sich in der Regel durch einen Lehrgang an einem privaten Institut oder einer Akademie auf die amtsärztliche Überprüfung bei ihrem zuständigen Gesundheitsamt vor, um die „staatliche Zulassung zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung auf dem Gebiet der Psychotherapie“ zu erhalten. Diplom-Psychologen können ebenfalls eine Zulassung nach dem HPG beantragen, wenn sie klinische Psychologie als Hauptfach hatten. Dann kann von einem Überprüfungsverfahren abgesehen werden. Bei manchen Gesundheitsämtern muss eine Prüfung abgelegt werden.
Sozialrecht
Die gesetzliche Krankenversicherung und damit auch deren Verfahrensweise bezüglich der Psychotherapie ist im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) geregelt. § 92 bestimmt, dass der so genannte Gemeinsame Bundesausschuss „Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten“ beschließt. Diese Richtlinien regeln für die Psychotherapie insbesondere:
- behandlungsbedürftige Krankheiten
- zur Krankenbehandlung geeignete Verfahren
- Antrags- und Gutachterverfahren
- probatorische Sitzungen
- Art, Umfang und Durchführung der Behandlung sowie den ärztlichen Konsiliarbericht
Dabei können Leistungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, „wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind“.
Die Bedingungen der privaten Krankenversicherungen sind unterschiedlich. Grundsätzlich orientieren sie sich an den gesetzlichen Verfahrensweisen, haben aber im Einzelnen oft etwas großzügigere Regelungen, so bei Behandlern und Therapieverfahren. Vor Beginn einer Therapie muss jedoch in der Regel eine schriftliche Zustimmung der Versicherung eingeholt werden.
Erkrankungen
Erste Voraussetzung für eine Psychotherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dass „eine seelische Krankheit“ (auch psychische Erkrankung oder psychische Störung genannt = F-Diagnose nach ICD-10) vorliegt. Im Einzelfall kann es hier schwierig sein, z. B. zwischen normaler Traurigkeit nach Verlusterlebnissen (ICD-10-Diagnose ist nicht möglich, nur, wenn eine Anpassungsstörung vorliegt!) und depressiver Verstimmung (ICD-10 z. B.: F32 oder F43.21) zu unterscheiden. Liegt ein normales Erleben vor, wäre die Anwendung von Methoden der Psychotherapie als Beratung zu werten und fiele nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Liegt hingegen eine psychische Erkrankung nach den Kriterien der ICD-10 vor, so ist eine Indikation zur Psychotherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich.
Therapieverfahren
Bislang gilt die Einschränkung auf drei Therapieverfahren:
- Verhaltenstherapie als Verfahren, sowie die tiefenpsychologischen Verfahren:
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und
- Analytische Psychotherapie in der es drei generelle theoretische Richtungen gibt: einmal die Psychoanalyse nach Sigmund Freud, die Analytische Psychologie nach Carl Gustav Jung und die Individualpsychologie nach Alfred Adler.
Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie empfahl im Mai 2002 die Gesprächspsychotherapie und im Dezember 2008 die Systemische Therapie als „wissenschaftlich anerkanntes Verfahren“ mit aufzunehmen. Die Behandlung mit Gesprächspsychotherapie oder Systemischer Therapie wird derzeit aber immer noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Die hierfür notwendige sozialrechtliche Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, welche Voraussetzung für die Kostenerstattung ist, steht noch aus. Für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist die Gesprächspsychotherapie oder die Systemische Therapie nicht anerkannt.
Unter den in Deutschland nicht anerkannten Verfahren finden sich zwar einige nutzlose, fallweise sogar gefährliche Entwicklungen, aber auch traditionsreiche, neue oder etablierte Ansätze mit vielversprechenden Ideen, die in anderen europäischen Ländern bereits anerkannt sind (siehe Tabelle auf der Seite Psychotherapie).
Behandler
Leistungserbringer der Psychotherapie im System der gesetzlichen Krankenversicherung sind als Vertragsärzte oder -psychotherapeuten in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassene Psychotherapeuten. Voraussetzungen für diese Kassenzulassung ist eine berufsrechtliche Zulassung (Approbation). Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind dabei den entsprechend qualifizierten Fachärzten gleichgestellt. Für den Patienten besteht Wahlfreiheit.
Bei mutmaßlicher Psychotherapie-Unterversorgung kann auch ohne Kassenzulassung im Einzelfall ein fachlich geeigneter approbierter Psychotherapeut oder auch ein HP-Psychotherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung außervertraglich Psychotherapie erbringen; in solchen Fällen wird i. d. R. vorab der Medizinische Dienst der Krankenversicherung beratend von der Krankenkasse hinzugezogen, dieser hat aber nur zu entscheiden, ob eine psychotherapeutische Behandlung angezeigt ist und ob das angegebene Psychotherapieverfahren den Richtlinien des Bundesausschusses entspricht.
Pflichten
Ergänzende Anmerkung: Gespräche von niedergelassenen Kollegen mit psychisch Kranken, die den o.g. Kriterien nicht entsprechen und die z. B. im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung erbracht werden, haben eher stützenden oder die weitere Therapie (z. B. Psychotherapie) anbahnende Funktion. Sie können eine Psychotherapie nicht ersetzen.
Es besteht für die niedergelassenen Kollegen nach § 95d SGB V die Verpflichtung zur kontinuierlichen Fortbildung (Erwerb von derzeit 250 CME-Punkten in fünf Jahren), sonst droht Honorarabzug oder im nächsten Schritt der Entzug der Zulassung durch die zuständige Krankenkasse. Im Bereich der Psychotherapie stellt das vorgeschriebene Gutachterverfahren eine qualitätssichernde Maßnahme dar.
Schon das in § 12 SGB V festgeschriebene Wirtschaftlichkeitsgebot impliziert, dass eine zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachte Leistung eine ausreichende Qualität haben muss; ansonsten wäre ihre Erbringung nicht zweckmäßig, nicht ausreichend und in der Konsequenz unwirtschaftlich. §§ 73c, 135a, 136, 136a und 136b SGB V und § 11 des BMV-Ä regeln – allerdings recht allgemein gehalten – die Qualitätssicherung im vertragsärztlichen Bereich. Es besteht eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Qualitätsmanagement-Systems in der Praxis, allerdings keine Pflicht zur Erlangung eines Zertifikats, d. h. der Bestätigung der Qualität durch qualifizierte Dritte.
Antrags- und Gutachterverfahren
Weitere Voraussetzung für Psychotherapie sind Psychotherapie-Fähigkeit des Patienten (der Patient muss intellektuell und motivational dazu in der Lage sein, von Psychotherapie zu profitieren) und das Vorliegen einer adäquaten Diagnostik und eines angemessenen Behandlungsplanes. Anders als bei anderen Verfahren im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist in der Langzeittherapie, z. T. auch in der Kurzzeittherapie bei unerfahreneren Therapeuten durch ein vorgeschaltetes Gutachterverfahren seit Jahren eine Qualitätssicherung implementiert (Antragsverfahren). Jede Langzeittherapie erfordert einen Antrag, in dem Anamnese, Diagnostik, Krankheitsgenesemodell und eine detaillierte Therapieplanung aufgeführt sind. Der Antrag wird von einem qualifizierten externen Gutachter (i. d. R. niedergelassener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder für Psychosomatik und Psychotherapie) geprüft. Erst nach Zustimmung durch den Gutachter kann eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung erfolgen (siehe hierzu auch § 11, Anlage 1 zum Bundesmanteltarifvertrag).
Probatorische Sitzungen, Art, Umfang und Durchführung der Behandlung
Sowohl Einzeltherapie als auch Gruppentherapie ist im ambulanten Bereich möglich. Die Abrechnung erfolgt über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab.
Die Zeitkontingente für Psychotherapie sind festgelegt. Nach fünf (Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) oder acht (analytische Psychotherapie) probatorischen Sitzungen, die zur Indikationsprüfung dienen, kann eine Kurzzeittherapie mit bis zu 25 Stunden erfolgen. Bei nichtärztlichen Therapeuten ist außerdem vor Beginn der Therapie ein ärztlicher Konsiliarbericht erforderlich, der u.a. das Nichtvorhandensein einer körperlichen Erkrankung bescheinigt und Fragen der Medikamenteneinnahme klärt. Besteht Bedarf für eine längere Therapie, kann eine Langzeittherapie erfolgen (eine Kurzzeittherapie kann ggf. in eine Langzeittherapie auf Antrag umgewandelt werden). Die Höchstgrenzen für Langzeittherapien sind bei Erwachsenen (für Kinder und Jugendliche gelten etwas niedrigere Stundenzahlen):
- Bei Verhaltenstherapie bis zu 45 Stunden, dann erfolgt in Einzelfällen nach Begründung eine Verlängerung auf 60 Stunden.
- bei analytischer Psychotherapie bis zu 160 Stunden, in besonderen Fällen bis zu 240 Stunden.
- bei tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie bis zu 50 Stunden, in besonderen Fällen bis zu 80 Stunden.
In begründeten Einzelfällen können diese Zeiten überschritten werden und zwar
- bei Verhaltenstherapie auf 80 Stunden, in Einzelfällen mit einem weiteren Antrag auf 100 Stunden,
- bei analytischer Psychotherapie bis zu 300 Stunden,
- bei tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie bis zu 100 Stunden.
Verbraucherschutz
Es empfiehlt sich, den Therapeuten oder die Therapeutin vor Beginn der Therapie in einem Erstgespräch kennenzulernen. Bei Therapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sind bis zu fünf (bei tiefenpsychologisch fundierter PT und Verhaltenstherapie) oder acht (bei analytischer PT) probatorische Sitzungen („Schnupper-Sitzungen“) pro Psychotherapeut möglich, um zu prüfen, ob eine tragfähige Arbeitsbeziehung aufgebaut werden kann. Dabei sollten die Kosten und Dauer der Therapie, sowie die sonstigen Rahmenbedingungen abgestimmt werden. Erst nach dieser Phase, in der auch die Therapieziele und der Behandlungsplan besprochen werden, wird ein Antrag auf Psychotherapie gestellt und die eigentliche Therapie beginnt. Eine übereilte oder falsche Entscheidung für einen Therapieplatz kann das ursprüngliche Problem auch verschärfen. Nach einem Therapieabbruch kann die Bewilligung einer Nachfolgetherapie durch die Krankenkasse in Frage gestellt sein.
Beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler können Psychotherapieklienten, die sich durch eine Therapie geschädigt fühlen, an die Patientenberatung einer Verbraucherzentrale wenden. Sie erhalten dort eine Einschätzung aus juristischer Sicht sowie Hinweise, wie sie mit den Folgen einer aus ihrer Sicht erfolglosen Therapie umgehen können.
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