Reichstagswahlen im Ruhrgebiet 1871 bis 1912

Reichstagswahlen im Ruhrgebiet 1871 bis 1912

Inhaltsverzeichnis

Wahlkreise

Die Wahlkreise für die Reichstagswahlen im Deutschen Kaiserreich wurden bereits zu den Wahlen zum Norddeutschen Reichstag 1867 festgelegt und deckten sich nicht mit den heutigen Verwaltungsgrenzen. Die 1867 festgelegten Wahlkreisgrenzen wurden bis zum Ende des Kaiserreiches nicht mehr verändert, so dass auf Grund der Bevölkerungszunahme in den industrialisierten Wahlkreisen des Ruhrgebietes der Anteil der Wahlberechtigten stark anstieg.

Das zentrale Ruhrgebiet umfasste folgende Wahlkreise mit den damaligen Verwaltungseinheiten, jeweils angegeben sind Städte und Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern (Stand 1900)[1]:

  • Arnsberg 4: Hagen – Schwelm = Hagen, Haspe, Eckesey, Wetter, Boele, Herdecke, Bommern, Breckerfeld, Ende, Vorhalle, Dahl, Delstern, Wengern, Schwelm, Gevelsberg, Langerfeld, Vörde, Mühlinghausen, Haßlinghausen, Niedersprockhövel, Nächstebreck, Öklinghausen, Gennebreck
  • Arnsberg 5: Bochum – Gelsenkirchen - Hattingen – Witten = Bochum, Witten, Herne, Langendreer, Weitmar, Hamme, Wiemelhausen, Werne, Baukau, Holstede, Altenbochum, Laer, Riemke, Hordel, Harpen, Horsthausen, Grumme, Stockum, Gerthe, Querenbeurg, Gelsenkirchen, Schalke, Wanne, Eickel, Ückendorf, Bismarck, Wattenscheid, Bulmke, Röhlinghausen, Holsterhausen, Hüllen, Heßler, Höntrop, Gümigfeld, Westenfeld, Eppendorf, Dahlhausen, Hattingen, Linden, Heven, Stiepel, Freisenbruch, Horst, Königsteele, Altendorf, Welper, Westherbede
  • Arnsberg 6: Dortmund – Hörde = Dortmund, Lütgendortmund, Eving, Kastrop, Marken, Lünen, Dorstfeld, Brackel, Asseln, Huckarde, Kirchlinde, Mengede, Rauxel, Giesenberg-Sodingen, Oberkastrop, Wickede, Öspel, Altenderne-Oberbecker, Habinghorst, Kirchderne, Liundenhorst, Hörde, Schwerte, Kirchhörde, Annen-Wulfen, Aplerbeck, Berghofen, Holzwickede, Sölde, Schüren, Hacheney, Barop, Rüdinghausen, Menglinghausen, Eichlinghofen, Lücklemberg, Westhofen

Der Anteil der städtischen Bevölkerung stieg von 1880 = 77,8 % auf 1900 = 89,4 %. Das Gebiet gehörte in Mittelalter und früher Neuzeit zur Reichsstadt Dortmund und zur Grafschaft Mark, beides waren protestantische Territorien. Betrug 1880 der Anteil der protestantischen Bevölkerung 62,4 %, so sank dieser Anteil bis 1900 auf 55,7 %. Bei allen Wahlen verfügte der Wahlkreis über eine deutliche Mehrheit von Wählern protestantischer Konfession.

  • Düsseldorf 5: Essen - Werden = Essen, Altendorf, Borbeck, Altenessen, Rotthausen, Katernberg, Rüttenscheid, Steele, Werden, Kray, Kupferdreh, Stoppenberg, Rellinghausen, Schonnebeck, Kettwig, Zweihonnschaften, Siebenhonnschaften, Karnap, Überruhr, Heisingen, Huttrop, Byfang

Der Anteil der städtischen Bevölkerung lag 1900 bei 82,9 %. Die Bevölkerung des Wahlkreises war überwiegend katholisch, da das Gebiet seit dem Mittelalter zum Reichsstift Essen bzw. zum Reichsstift Werden gehörte. Im Verlaufe der Industrialisierung ging der Anteil der katholischen Bevölkerung leicht zurück, 1880 = 69,5 % zu 1900 = 60,7 %. Der Wahlkreis Essen verfügte bei allen Wahlen über eine deutliche Mehrheit an Wahlberechtigten katholischer Konfession.

  • Düsseldorf 6: Duisburg – Mülheim an der Ruhr – Ruhrort – Oberhausen = Duisburg, Oberhausen, Mülheim an der Ruhr, Alstaden, Styrum, Dümpten, Heißen, Broich, Speldorf, Saarn, Holthausen, Meiderich, Hamborn, Beeck, Sterkrade, Ruhrort, Hiesfeld, Buschhausen, Dinslaken, Walsum, Spellen, Holten

Der Wahlkreis hatte - trotz der eher ländlich strukturierten Gebiete im Norden des Wahlkreises - bereits früh ein relativ hohes Maß an Urbanität entwickelt, so betrug 1880 der Anteil der städtischen Bevölkerung 91,6 % und stieg bis 1900 auf 97,6 %. Der Wahlkreis war gemischtkonfessionell mit einer leichten protestantischen Mehrheit: 1880 = 55,7 %. Auf Grund der Zuwanderung veränderte sich das Verhältnis: 1900 = 48,1 % Protestanten zu 50,7 % Katholiken.

Reichstagsabgeordnete

Abkürzungen der Parteien: F = Deutsche Fortschrittspartei, FrVp = Freisinnige Volkspartei, NL = Nationalliberale Partei, LB = Gruppe Loewe-Berger, RP = Deutsche Reichspartei, SPD = Sozialdemokraten, Z = Zentrumspartei

Die Reichstagsabgeordneten in den Wahlkreisen Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund und Hagen 1871 bis 1912
Jahr Duisburg Essen Bochum Dortmund Hagen
1871 Richard Wilhelm Dove (NL) Joseph Krebs (Z) Wilhelm Loewe (F) Hermann Heinrich Becker (F) Friedrich Harkort (F)
1874 Johann Friedrich von Schulte (NL) Christoph Ernst Friedrich von Forcade de Biaix (Z) Wilhelm Loewe (LB) Louis Constans Berger (LB) Eugen Richter (F)
1877 Johann Friedrich von Schulte (NL) Gerhard Stötzel (Z) Wilhelm Loewe (LB) Louis Constans Berger (LB) Eugen Richter (F)
1878 Johann Friedrich von Schulte (NL) – Ersatzwahl 1879: August Servaes (NL) Gerhard Stötzel (Z) Wilhelm Loewe (LB) Louis Constans Berger (LB) Eugen Richter (F)
1881 Friedrich Hammacher (NL) Gerhard Stötzel (Z) Burghard von Schorlemer-Alst (Z) Julius Lenzmann (F) Eugen Richter (F)
1884 Friedrich Hammacher (NL) Gerhard Stötzel (Z) Gustav Haarmann (NL) Julius Lenzmann (F) Eugen Richter (F)
1887 Friedrich Hammacher (NL) Gerhard Stötzel (Z) Gustav Haarmann (F) Eduard Kleine (NL) Eugen Richter (F)
1890 Friedrich Hammacher (NL) Gerhard Stötzel (Z) Burghard von Schorlemer-Alst (Z) Ersatzwahl 1890: Hermann Müllensiefen (NL) Theodor Möller (NL) Eugen Richter (F)
1893 Friedrich Hammacher (NL) Friedrich Alfred Krupp (Hospitant in der Fraktion der RP) Eduard Fuchs (Z) Theodor Möller (NL) - Ersatzwahl 1895: Franz Lütgenau (SPD) Eugen Richter (F)
1898 Theodor Möller (NL) - Ersatzwahl 1901: Wilhelm Beumer (NL) Gerhard Stötzel (Z) Hermann Franken (NL) Alexander Hilbck (NL) Eugen Richter (FrVp)
1903 Wilhelm Beumer (NL) Gerhard Stötzel (Z) Otto Hue (SPD) Theodor Bömelburg (SPD) Eugen Richter (FrVp)
1907 Klemens Hengsbach (SPD) Johannes Giesberts (Z) Otto Hue (SPD) Theodor Bömelburg (SPD) Willi Cuno (FrVp)
1912 Hugo Böttger (NL) Johannes Giesberts (Z) Karl Heckmann (NL) August Erdmann (SPD) Max König (SPD)

Einzelnachweise

  1. Fritz Specht / Paul Schwabe: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewählten Abgeordneten. 2. Aufl. Berlin: Verlag Carl Heymann, 1904, S. 142-144, S. 166f

Literatur

  • Fritz Specht / Paul Schwabe: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1907. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewählten Abgeordneten. 2. durch einen Anhang ergänzte Auflage. Nachtrag. Die Reichstagswahl von 1907 (12. Legislaturperiode). Berlin: Verlag Carl Heymann, 1908
  • A. Phillips (Hrsg.): Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1883. Statistik der Wahlen zum Konstituierenden und Norddeutschen Reichstage, zum Zollparlament, sowie zu den fünf ersten Legislatur-Perioden des Deutschen Reichstages. Berlin: Verlag Louis Gerschel, 1883
  • Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.): Zur Statistik der Wahlen für die zweite Legislaturperiode des Deutschen Reichstags. In: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reichs für das Jahr 1874. Heft II, S. 73 - 111. Berlin: Verlag des Königlichen Statistischen Bureaus, 1875 (Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 8) - Bemerkung: Darin auch die Ergebnisse der Reichstagswahl 1871 in Übersicht II auf den Seiten 102 - 110
  • Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.): Statistik der Reichstagswahlen von 1907. Berlin: Verlag von Puttkammer & Mühlbrecht, 1907 (Sonderveröffentlichung zu den Vierteljahresheften zur Statistik des Deutschen Reiches)
  • Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.): Die Reichstagswahlen von 1912. Heft 1 - 3. Berlin: Verlag von Puttkammer & Mühlbrecht, 1913 (Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 250)
  • Rohe, Karl: Konfession, Klasse und lokale Gesellschaft als Bestimmungsfaktoren des Wahlverhaltens. Überlegungen und Problematisierungen am Beispiel des historischen Ruhrgebiets. In: Albertin, Lothar / Link, Werner (Hrsg.): Politische Parteien auf dem Weg zur parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Entwicklungslinien bis zur Gegenwart. Düsseldorf: Droste Verlag, 1981, S. 109 - 126
  • Rohe, Karl: Die „verspätete“ Region. Thesen und Hypothesen zur Wahlentwicklung im Ruhrgebiet vor 1914. In: Peter Steinbach (Hrsg.): Probleme politischer Partizipation im Modernisierungsprozess. Stuttgart: Klett-Cotta, 1982, S. 231-252 (Geschichte und Theorie der Politik. Unterreihe A, Geschichte: Bd. 5) ISBN 3-12-912230-3

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