Siegfried Keßler (Pädagoge)

Siegfried Keßler (Pädagoge)

Siegfried Keßler (* 17. Juni 1883 in Iserlohn; † 1943 im KZ Auschwitz) war ein deutscher Pädagoge.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Siegfried Keßler verließ nach der neunten Klasse das Realgymnasium in Iserlohn und begann eine Ausbildung zum Volksschullehrer am jüdischen Lehrerseminar der Marks-Haindorf-Stiftung in Münster, an dem er 1903 die Erste Lehrerprüfung bestand. Er ging bis 1905 an die von Jakob Loewenberg geleitete Höhere Mädchenschule in Hamburg und kehrte danach zur Marks-Haindorf-Stiftung zurück, an der er als Lehrer tätig war und 1911 die Rektorenprüfung ablegte. Von 1913 bis 1919 fungierte er in Münster zusätzlich als Prediger und Kantor der jüdischen Gemeinde. Im Ersten Weltkrieg betreute er als Militärseelsorger die Gefangenenlager der Region. Mit seinem Lehrerdiplom erwarb er die Hochschulreife und studierte nebenher an der Universität Münster von 1923 bis 1925 Germanistik. Seine 1925 eingereichte Dissertation über Berthold Auerbach kam erst 1935 in Druck.

1926 übersiedelte er nach München, wo er als Oberlehrer Religionsunterricht, Hebräisch und jüdische Geschichte an staatlichen höheren Schulen erteilte. In München wurde von ihm ein kleines Theaterstück zum jüdischen Chanukka Fest in Druck gegeben. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten übernahm Keßler 1935 die Leitung der jüdischen Volksschule in München, in die 1935 die Ohel-Jakob-Schule zwangsintegriert wurde und die auch die 1936/37 vom Stadtschulrat Josef Bauer aus den anderen Münchener Schulen aus rassistischen Gründen rigoros entfernten jüdischen Schüler aufnehmen musste. Zum Zeitpunkt der Schließung der Schule am 1. Juli 1942 war Keßler der letzte jüdische Schulleiter und Lehrer in München. Seit 1941 waren Keßler und seine Frau im Judenhaus Berg am Laim ghettoisiert, wo er schließlich noch in der Selbstverwaltung der Israelitischen Gemeinde beschäftigt war. Keßler und seine Ehefrau wurden am 13. März 1943 mit den letzten Juden Münchens und Oberbayerns ins Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort nach Auschwitz, wo sich ihre Spuren im Holocaust verlieren. Sie wurden 1965 vom Amtsgericht München für tot erklärt.

Mit der 1910 geheirateten Selma Weinberg hatte Keßler drei Kinder. Der Sohn Friedrich, der spätere israelische Diplomat Shlomo Kaddar, emigrierte 1933 nach Palästina, ihm folgte 1936 mit einem Touristenvisum die Tochter Henny (* 1911). Keßler besuchte sie dort zweimal, kehrte aber jeweils nach Deutschland zurück. Der Sohn Karl (* 1918) wurde 1938 in der Reichspogromnacht verhaftet und im KZ Dachau inhaftiert. Ihm gelang 1939 die Flucht nach Dänemark und von dort 1943 die Flucht nach Schweden.

Die Kinder stifteten 1963 einen "Kessler-Fonds" für die Schule Beth Ischak in Israel.

Auszeichnungen

Schriften

  • „Der Mutter Traum“ – Chamukkaj-Märchen in 1 Aufzug. München 1928. (DNB)
  • Berthold Auerbach als Erzieher, Heller, München 1935. (Phil. Diss. Münster 1925. worldcat)

Literatur

  • Peter Hanke: Zur Geschichte der Juden in München zwischen 1933 und 1945. München 1968.
  • Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer: Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945. Biographisches Lexikon. Westfäl. Dampfboot, Münster 1995, ISBN 3-929586-48-7.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kessler — oder Keßler ist ein Familienname. Die niederdeutsche Form des Namens ist Kettler. Herkunft und Bedeutung Kessler ist die spätmittelalterliche Berufsbezeichnung eines meist im Wandergewerbe tätigen Schmiedehandwerkers, der Geräte aus Kupfer, Eisen …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Ke — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Sauerländer Persönlichkeiten — Die Liste umfasst diejenigen Persönlichkeiten, die im Sauerland geboren oder tätig waren oder es noch sind. Zur regionalen Abgrenzung dient die Definition der Region im Artikel Sauerland. Danach gehören zum Sauerland die Kreise Olpe,… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste Stralsunder Persönlichkeiten — Die Liste Stralsunder Persönlichkeiten führt chronologisch nach dem Jahrhundert der Geburt Personen auf, die in Stralsund geboren und/oder in Stralsund gestorben und/oder durch ihr Handeln in und um Stralsund bedeutsam für die Geschichte der… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Brd–Bre — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • 1920 — Portal Geschichte | Portal Biografien | Aktuelle Ereignisse | Jahreskalender ◄ | 19. Jahrhundert | 20. Jahrhundert | 21. Jahrhundert   ◄ | 1890er | 1900er | 1910er | 1920er | 1930er | 1940er | 1950er | ► ◄◄ | ◄ | 1916 | 1917 | 1918 | 1919 |… …   Deutsch Wikipedia

  • 20. August — Der 20. August ist der 232. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 233. in Schaltjahren), somit bleiben 133 Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Juli · August · September 1 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Liste sauerländischer Persönlichkeiten — Die Liste sauerländischer Persönlichkeiten umfasst diejenigen Persönlichkeiten, die im Sauerland geboren wurden oder dort tätig waren bzw. sind. Zur regionalen Abgrenzung dient die Definition der Region im Artikel Sauerland. Danach gehören zum… …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Gottfried Herder — auf einem Gemälde von Anton Graff, 1785 …   Deutsch Wikipedia

  • 4. April — Der 4. April ist der 94. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 95. in Schaltjahren), somit bleiben 271 Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage März · April · Mai 1 2 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”