Sozialökonomie (Universität Hamburg)

Sozialökonomie (Universität Hamburg)

Sozialökonomie ist ein interdisziplinäres Studium von Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft und Soziologie zu den Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg. Sozialökonomische Forschung und Wissenschaft behandelt und beantwortet soziologische und ökonomische Fragestellungen interdisziplinär von verschiedenen Blickwinkeln aus.

Der Studiengang Sozialökonomie ist aus der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) heraus entstanden. Am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg können auch Menschen ohne Abitur über den offenen Hochschulzugang über eine Hochschulzugangsprüfung studieren. Deshalb beinhaltet das Grundstudium auch Einführungskurse und Brückenseminare, die für Menschen aus dem Zweiten und Dritten Bildungsweg zugeschnitten sind. Die Studierenden können ihr Abiturwissen oder die vorhandenen Berufserfahrungen in das Studium integrieren. Nach dem Grundstudium findet eine Vertiefung in einem der vier Fachgebiete BWL, VWL, Recht oder Soziologie statt. Die anderen drei Fächer werden interdisziplinär mitstudiert. Das Bildungsziel sind selbstdenkende, reflexionsfähige und mündige Menschen mit einem anerkannten Hochschulabschluss.

Zum Profil des Fachbereichs Sozialökonomie – an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Uni Hamburg – gehören das Studium ohne Abitur, das gestufte Bachelor- und Masterkonzept mit Abschlüssen nach sechs Semestern (Bachelor) und zehn Semestern (Master), die Interdisziplinarität und Praxisorientierung sowie die internationale Ausrichtung. Das Lehr- und Forschungsprofil im Fachgebiet Recht der Sozialökonomie hat den Schwerpunkt auf Arbeitnehmerrechte sowie Verbraucherschutzrecht. Der quotierte offene Hochschulzugang für Menschen ohne Abitur ist nach dem Vorbild der HWP erhalten geblieben. 40 % der Studienplätze werden über die Aufnahmeprüfung vergeben. Die Aufnahmequote lag einige Jahre in der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) bei 60 % und wurde gesenkt.

Die Notwendigkeit der Sozialökonomie wird nach dem Soziologen Alfred Oppolzer aus den verschiedenen Einzeldisziplinen heraus gefordert, beispielsweise aus der Betriebswirtschaftslehre (Reinhard Schultz, 1988), ebenso aus der Volkswirtschaftslehre (Günter Schmölders, 1973) und der Politischen Ökonomie (Werner Hofmann, 1969), aus der Soziologie (Max Weber, 1904) ebenso wie aus der Arbeitswissenschaft (Manfred Schweres, 1980; Alfred Oppolzer, 1989). Oppolzer hält fest, Sozialökonomie ist:

  1. die „Untersuchung der Wechselwirkungen von Wirtschaft und Gesellschaft“,
  2. die „Praxisrelevanz der Fragestellung“ und
  3. die „interdisziplinäre Vorgehensweise“.[1]

Wie auch Oppolzer, beruft sich der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Langthaler[2] auf: Karl Marx (Ökonomie, Soziologie), Émile Durkheim (Soziologie), Joseph Schumpeter (Ökonomie), Karl Polanyi (Kulturanthropologie, Soziologie) und Pierre Bourdieu (Soziologie). Im Bereich der Rechtswissenschaften innerhalb der Hamburger Sozialökonomie sind der Arbeitsrechtler Ulrich Zachert[3] sowie der Wirtschaftsrechtler Udo Reifner (Gründer des Institut für Finanzdienstleistungen)[4] zu nennen. Zur sozialökonomischen Betrachtung von Bildungs- und Sozialisationstheorie leistete Harry Friebel mit dem Hamburger Biografie- und Lebenslaufpanel "Die Kinder der Bildungsexpansion" einen wichtigen Beitrag.[5]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprung des Studienganges war die Gründung der Akademie für Gemeinwirtschaft 1948. 1961 unbenannt in Akademie für Wirtschaft und Politik wurde diese 1970 zu einer Hochschule mit dem Namen: Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP). Von 1991 bis zum 31. März 2005 war die HWP eine selbständige Universität als Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Seit dem 1. April 2005 gehört die ehemalige HWP als Department Wirtschaft und Politik (DWP) zur Universität Hamburg (UHH). 2009 wurde das Department aufgelöst und als Fachbereich Sozialökonomie vollständig in die Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hamburger Universität eingegliedert. Die seit 2003 geplante und bis 2009 andauernde Eingliederung der HWP in die Universität Hamburg verursachte jahrelangen Protest von Studierenden, Professoren und aus der Verwaltung. Diese fanden ein bundesweites Medienecho, z. B. in dem Artikel „HWP Hamburg. Ende der Einmaligkeit“[6] von Maja Abu Saman (dpa) in der Süddeutschen Zeitung vom 4. November 2004 und in dem Artikel „Hochschule. Uni demontiert Reformstudium“[7] von Kaija Kutter in der taz vom 20. Dezember 2009.

Chronik: HWP – DWP – Sozialökonomie

  • 1948: Akademie für Gemeinwirtschaft
  • 1961: Akademie für Wirtschaft und Politik
  • 1970: Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP)
  • 1991: Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP)
  • 2005: Zwangseingliederung in die Universität Hamburg als Department Wirtschaft und Politik (DWP)
  • 2009: Reduzierung zum Fachbereich Sozialökonomie der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hamburger Universität

Alumni: GdFF e. V.

Die GdFF (Gesellschaft der Freunde und Förderer des FB Sozialökonomie) versteht sich heute als Anwalt der beiden zentralen Elemente des HWP-Studienmodells: Erstens ein interdisziplinäres Studium mit den Fächern BWL, VWL, Soziologie und Rechtswissenschaft, das auf den praktischen Erfahrungen der Studierenden aufbaut und sie für eine qualifizierte Tätigkeit in Unternehmen, Organisationen ohne Erwerbscharakter und Verwaltungen vorbereitet, und zweitens der offene Hochschulzugang, der Bewerbern ohne Abitur, aber mit qualifizierter Berufspraxis nach einer Aufnahmeprüfung das Tor zu einem wissenschaftlichen Studium öffnet. Die GdFF versteht sich daneben als eine Alumni-Organisation, die den Anschluss an ein Netzwerk von Studierenden, Absolventen und Mitgliedern des Lehrkörpers bietet.

Bekannte Lehrende

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Oppolzer, Alfred: Sozialökonomie: Zu Gegenstand, Begriff und Geschichte. In: Sozialökonomische Beiträge. Zeitschrift für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. 1. Jg. Hamburg. 1/1990, Seite 6–29.
  2. Langthaler, Ernst: Was heißt Sozialökonomie? Skriptum-1.pdf (Skriptum-1\374). Universität Wien 2009. Download des PDF
  3. Zachert, Ulrich: Professor für Arbeitsrecht am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg. [1]
  4. Reifner, Udo: Gründer des iff. [2]
  5. Friebel, Harry: Die Kinder der Bildungsexpansion. Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg. [3]
  6. „HWP Hamburg. Ende der Einmaligkeit“
  7. „Hochschule. Uni demontiert Reformstudium“

Literatur

  • Oppolzer, Alfred: Sozialökonomie: Zu Gegenstand, Begriff und Geschichte. In: Sozialökonomische Beiträge. Zeitschrift für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. 1. Jg. Hamburg. 1/1990.
  • Bärbel von Borries-Pusback: Keine Hochschule für den Sozialismus. Die Gründung der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg 1945–1955. Opladen (Leske und Budrich) 2002.
  • Wulf D. Hund (Hrsg.): Von der Gemeinwirtschaft zur Sozialökonomie. 50 Jahre Hochschule für Wirtschaft und Politik Hamburg. Hamburg (VSA) 1998.
  • Dirk Hauer / Bela Rogalla: HWP in Bewegung. Studierendenproteste gegen neoliberale Hochschulreformen. Hamburg (VSA) 2006.
  • Schultz, Reinhard: Betriebswirtschaftslehre. Eine sozialökonomische Einführung. München/Wien 1988.
  • Bringmann, Gerhard (Hrsg.): Schmölders, Günter. Volkswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft. In: Sozialökonomische Verhaltensforschung. Berlin 1973.
  • Hoffmann, Werner: Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft. Reinbek 1969.
  • Weber, Max: Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. 19. Band (Neue Folge, 1. Band). Tübingen 1904.
  • Schweres, Manfred: Strukturelemente einer integrativen Arbeitswissenschaft. In: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft. Heft 1/1980.
  • Oppolzer, Alfred: Handbuch Arbeitsgestaltung. Leidfaden menschengerechter Arbeitsorganisation. Hamburg 1989.

Weblinks


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