St.-Marien-Kirche (Buttforde)

St.-Marien-Kirche (Buttforde)
Außenansicht mit Glockenturm

Die Evangelisch-Lutherische St.-Marien-Kirche im Wittmunder Stadtteil Buttforde ist eine Granitquaderkirche von hoher kunstgeschichtlicher Bedeutung über den ostfriesischen Raum hinaus.[1] Das romanische Bauwerk wurde um 1230 auf einer künstlich aufgeschütteten Warft, die sich an eine Geestdurchragung anlehnt, errichtet.

Die St.-Marien-Kirche weist eine besonders reiche Ausstattung auf. Bedeutend sind insbesondere der spätgotische Schnitzaltar, der Lettner, das Gestühl sowie mehrere spätmittelalterliche Holzfiguren. Historisch und musikalisch stellt die Orgel von Joachim Richborn ein Kunstwerk von internationalem Rang dar.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Innenansicht mit Lettner und Altar

Es ist bis dato unklar, wann die Besiedelung von Buttforde begann. Die Kirchengemeinde lässt sich bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückverfolgen. Sie gehörte im Mittelalter zum Sendgerichtsbereich der Stedesdorfer Kirche und zum Erzbistum Bremen. Das Kirchspiel gliederte sich in die Bauerschaft Buttforde, die auch als Oberrott bezeichnet wurde, und in die Bauerschaft Endzetel, die auch den Namen Niederrott führte.

Ob das heutige Gotteshaus einen Vorgängerbau hatte, konnte bislang nicht geklärt werden. Aus archäologischer Sicht wird dies aber als nicht unwahrscheinlich eingestuft.[2] Drei romanische Grabsteine weisen ein beträchtliches Alter auf (850 Jahre?), ebenso ein romanischer Taufstein und ein Weihwasserbecken. Diese Steinmetzarbeiten, die älter als die Kirche sind, lassen einen wahrscheinlich hölzernen Vorgängerbau auf der Buttforder Kirchwarft vermuten.

Das heutige Bauwerk wurde um 1230 errichtet und erhielt anschließend das Patrozinium der Maria. Der freistehende Glockenturm aus Backstein wird in das 13. Jahrhundert datiert.[3] Ihr Standort in Buttforde ist eine künstlich errichtete Warft, die sich an eine Geestdurchragung anlehnt.

Im Jahre 1450 wurde der Chor vom Kirchenschiff durch einen steinernen Lettner getrennt.[2]

Bauliche Mängel führten im 17. Jahrhundert zu großen Reparaturarbeiten. Im Jahre 1636 musste die Westwand neu aufgemauert werden und die Apsis im Jahre 1685 nach einem Teileinsturz fast gänzlich neu aufgeführt werden. Während der Hauptbau fast nur aus Granitquadern besteht, kam für die Reparaturen Backstein zum Einsatz.[3] Im Jahre 1672 erhielt die Kirche noch einen Vorbau für den Haupteingang. Die bis dahin genutzten romanischen Rundbogenportale an den Längswänden wurden anschließend zugemauert.[1]

Größere Reparaturen und Renovierungen wurden in den Jahren 1898 und 1955 durchgeführt. Zwischen 1977 und 1981 wurde das Gebäude grundlegend saniert.[2]

Baubeschreibung

St. Marien ist eine Saalkirche mit eingezogener halbrunder Apsis. Sie wurde im Stil der Romanik errichtet. Sie ist in den beiden Längswänden durch je drei rundbogige Fenster und zwei alte, vermauerte Portale im Norden und Süden gegliedert. In ihrem Inneren war die Kirche zu Zeiten ihrer Erbauung in drei mit einem Tonnengewölbe abgeschlossene Joche unterteilt. Es wurde nach einem Einsturz ganz abgetragen und durch eine Flachdecke mit Balkenlage ersetzt. Bei dieser Gelegenheit wurden die Wände der Kirche um etwa einen Meter abgesenkt. Von der ursprünglichen Deckenkonstruktion blieben die Reste der Schildbögen erhalten. Chor und Schiff sind durch einen der wenigen in Ostfriesland erhaltenen steinernen Lettner mit kuppeligen Gewölben und drei Rundbogenöffnungen voneinander getrennt.[3]

Innenausstattung

Der Taufstein aus Granit stammt aus dem späten 12. Jahrhundert. In der Südostecke des Chores befindet sich eine romanische Grabplatte, ebenfalls aus dem späten 12. Jahrhundert. Eine weitere Grabplatte wird ebenfalls auf das 12. Jahrhundert datiert. Sie wurde im Jahre 1642 bei der Beerdigung von Friedrich Hinrichs Hilgemann wiederverwendet und für diesen Zweck umgearbeitet. Dabei wurde sie rechteckig behauen und mit einer neuen Randschrift versehen, während das eingeritzte Kreuz im Stil der Romanik erhalten blieb.[1]

Das Altarretabel aus dem 15. Jahrhundert.
Die Kanzelgalerie von 1695.
Die Orgel von 1681.
Der Messingkronleuchter.

Der Schnitzaltar mit einem Baldachin wurde im frühen 16. Jahrhundert geschaffen. Er zeigt Darstellungen der Geburt Christi (links), der Anbetung der Hirten (Mitte) und der Beschneidung des Herrn rechts. Diese Schnitzereien stammen von einem einst frei aufgestellten spätgotischen Flügelaltar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Er ist einer von nur sieben Schnitzaltären aus der Zeit des späten Mittelalters, die in Ostfriesland erhalten blieben. Im frühen 16. Jahrhundert wurde er an seiner heutigen Position aufgestellt und mit einem Baldachin, wie er auch in der Norder Ludgerikirche und der Hager St.-Ansgari-Kirche vorkommt, versehen. Die Rückwand ist mit einem Faltwerk verziert. Die Predella mit den gemalten Evangelisten wurden, wie auch das Rankenwerk der seitlichen Ohren und die aufgemalten Sprüche auf der Unterseite des Baldachins, laut Inschrift im Jahre 1656 geschaffen. Der Goldhintergrund ist eine Zugabe der Moderne.[1]

Auf Konsolen befinden sich an den Wänden und in den Fensterlaibungen bedeutende spätmittelalterliche Holzfiguren. Zu sehen sind eine Thronende Madonna aus dem 14. Jahrhundert, eine Maria auf der Mondsichel sowie eine Pietà aus der Zeit um 1500.[1]

Der Lettner wurde im Jahre 1450 errichtet. Er diente früher zum Vorlesen liturgischer Texte und ist somit ein Vorläufer heutiger Kanzeln. Die drei Durchgänge symbolisieren die Dreifaltigkeit, also die Wesens-Einheit von Gott Vater, Sohn (Jesus Christus) und Heiliger Geist. Nach der Reformation wurden ihm im Jahre 1681 die Orgel und die Brüstung mit den Apostelbildern, der so genannte Apostelböhn, aufgesetzt.[2] Er ist mit Traljengittern und biblischen Sprüchen verziert. Der Mittelteil ragt mit seinen fünf Feldern vor. In seiner Mitte befindet sich das Allianzwappen des ostfriesischen Grafen Christian Eberhard und seiner ersten Frau Eberhadine Sophie zu Oettingen-Oettingen.[1]

Der Kanzelkorb wurde 1655 angefertigt. Er ist mit dem Stifterwappen sowie Gemälden von Martin Luther und Johannes dem Evangelisten verziert. 1695 wurden die Treppe mit Bildern der anderen drei Evangelisten und die Galerie hinzugefügt, die mit Darstellungen von Mose sowie den Großen Propheten Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel versehen ist.[4]

Das Kirchengestühl aus der Renaissance ist gut erhalten und gilt als eines der schönsten in Ostfriesland.[1] Es ist mit Traljengittern verziert. Einst war es reich bemalt. Bei der jüngsten Renovierung konnte die ursprüngliche Farbfassung sowie die Jahreszahl 1667 an einigen Türen wieder freigelegt werden. An anderen Bänken wurde die spätere Bemalung mit Rokoko-Ornamenten erneuert. An vielen Bänken finden sich Hausmarken alter Buttforder Familien, die vom einstigen Privatbesitz zeugen.[1]

Die Orgel von St. Marien aus dem Jahr 1681 ist als einzige der von Joachim Richborn geschaffenen Orgeln noch größtenteils erhalten. Im Jahre 1803 wurden die Flügeltüren entfernt und durch von Gerhard Janssen Schmid geschnitzte Ohren ersetzt. Im Jahre 1949 wurde sie durch Alfred Führer umfassend renoviert und gilt trotz der nahezu gleichstufigen Stimmung als Instrument, das bis heute einen nahezu unangetasteten Klang des späten 17. Jahrhunderts wiedergibt.[5]

Zu den Vasa Sacra gehört ein Kelch, der im Jahre 1693 vom Bunder Pastor Cadovius und seiner Frau gestiftet und vom Esenser Meister Johann Iderhoff geschaffen wurde. Ein weiterer Kelch ersetzte im Jahre 1706 einen heute nicht mehr vorhandenen Krankenkelch aus dem Jahre 1494. Das bedeutendste sakrale Gerät ist eine sechseckige Abendmahlsdose mit kleinen Löwenfüßen. Sie gilt als einzigartig und wurde 1649 in Emden von dem Meister Jacob Tobias Johanns oder dessem Enkel Tobias Janssen Kremer angefertigt.[2]

Zu den weiteren Ausstattungsgegenständen zählen die 1670 von P. Alken gedrechselten Kniebänke, die Westempore des Kirchenpatrons Edzard von Specht mit bemalter Brüstung (der so genannte Junkerstuhl) aus dem Jahre 1703 sowie drei Gemälde, von denen die Bekehrung des Paulus wohl auf eine spiegelverkehrte Kopie eines Gemäldes von Peter Paul Rubens zurückgeht. Die Darstellung des Daniel in der Löwengrube und das Porträt Christi sind Werke des 18. Jahrhunderts. An den Wänden befinden sich zwei Totenschilde aus den Jahren 1664 und 1652 sowie die Epitaphe für Anna Magdalena Hoyer (1682) und Margareta Brunken (1691), das mit einem Gemälde der Toten versehen ist. Die beiden Messingkronleuchter im Mittelgang sind Werke aus den Jahren 1650 und 1693.[3]

Die Glocke hing ursprünglich im freistehenden Turm der Maria-Magdalena-Kirche in Fulkum. Sie wurde dort unmittelbar neben der Kirche von Berend Klinghe aus Bremen gegossen, der auch die Bronzetaufe der St.-Magnus-Kirche in Esens schuf und wurde später nach Buttforde gebracht. Auf der Glocke befindet sich die Inschrift Maria bin ick geheten. de von Folkum leten mi gethen Got ghewe siner Seele Rad. Berend Klinghe van Bremen de mi ghaten hat, anno dni M.CCCC.LXXV sowie Heiligennamen. Früher soll sie zudem mit einem Bild der Maria Magdalena verziert gewesen sein.[6]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: St.-Marien-Kirche (Buttforde) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 346.
  2. a b c d e Manfred Wittor, Paul Weßels (Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft): Buttforde (PDF-Datei; 49 kB), eingesehen am 19. Mai 2011.
  3. a b c d Georg Dehio: Dehio - Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen. Deutscher Kunstverlag; Auflage: Neubearbeitung, stark erweiterte Ausgabe. München, Berlin (1. Januar 1992). ISBN 3422030220. S. 330f.
  4. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 347f.
  5. Orgel auf NOMINE e.V., gesehen 4. Februar 2011.
  6. Kirchengemeinde Fulkum: Die Glocke, eingesehen am 18. Mai 2011.
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