Christian Thomasius

Christian Thomasius
Christian Thomasius, Porträt von Johann Christian Heinrich Sporleder

Christian Thomasius (* 1. Januar 1655 in Leipzig; † 23. September 1728 in Halle) war ein deutscher Jurist, Philosoph, Hochschullehrer und Aufklärer. Er trug durch sein Eintreten für eine humane Strafordnung im Sinne der Aufklärung wesentlich zur Abschaffung der Hexenprozesse und der Folter bei (→ Hexentheoretiker).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Junge Jahre in Leipzig

Christian Thomasius wurde am 1. Januar 1655 in Leipzig als Sohn des Philosophen Jakob Thomasius, Lehrer von Gottfried Wilhelm Leibniz, geboren. Schon sehr früh studierte er Physik, Mathematik, Geschichte und Philosophie an der Universität Leipzig. Bereits 1671 erlangte er den Grad eines Baccalaureus.

1672 wurde er Magister der Philosophie. Zu der Zeit erschien Samuel von Pufendorfs „Jus naturae et gentium“, dessen von der Leipziger Orthodoxie verworfenen Ideen er logisch nichts entgegenzusetzen wusste. In seiner Jugendlichkeit eher an seinem Verstand denn an seinen Lehrern zweifelnd, wandte er sich den Rechtswissenschaften zu, die für sein ganzes Leben sein Beruf werden sollten.

Revolutionär

1675 wechselte er an die Frankfurter Universität Viadrina. Thomasius gab schon bald selbst juristische Vorlesungen. 1679 schloss er sein Jurastudium mit einer Promotion (Tortura ex foris christianorum proscribenda) erfolgreich ab.

Im Februar 1680 heiratete Thomasius Auguste Christine, die Tochter des kurbraunschweigischen Hofrat Polycarp Heyland, mit der er sechs Kinder hatte. Darunter den späteren Hof- und Regierungsrat Christian Polycarp Thomasius.

Das Studium von Pufendorfs „Apologia“ war wie eine Offenbarung für Thomasius. Als begabter und wohlerzogener Professorensohn und Professuranwärter war er nach Frankfurt (Oder) gezogen – als Rationalist und Aufklärer, kampflustig und siegvertrauend, verließ er es.

Nach einer kurzen Reise nach Holland zog er wieder zurück in seine Heimatstadt Leipzig. Hier arbeitete er vorwiegend als Verteidiger in Kriminalfällen und hielt Privatvorlesungen. 1684 legte sich Thomasius mit der gesamten Gelehrtenschaft Deutschlands an, wetterte gegen Pedantismus, Scholastik, Orthodoxie, Buchstabenwissen und Geisteserstarrung. Mitgerissen folgte die Leipziger akademische Jugend, dann ganz Norddeutschland seinem Kampf. In einer Dissertation über Bigamie stellte er diese nach äußerstem Naturrecht, damit über Pufendorf hinausgehend, als erlaubt hin.

1687 erschien Thomasius' Lehrbuch des Naturrechtes. Von 1688 bis 1689 gab Thomasius eine Monatsschrift, die Monatsgespräche, in deutscher Sprache heraus, einen Vorläufer des Skandaljournalismus (siehe unten).

Ruhiges Schaffen und Erneuerung in Halle an der Saale

Grab des Christian Thomasius auf dem Stadtgottesacker in Halle (Saale).

Nachdem er sich in Leipzig alle und jeden zum Feind gemachte hatte, verließ er 1690 seine Vaterstadt Leipzig und zog nach Halle. Hier begründete er mit seinen Vorlesungen die juristische Fakultät der Universität Halle. Als Erfolg seiner Bemühungen wurde die Hallesche Universität 1694 feierlich-förmlich gegründet, in der Ratswaage am Halleschen Marktplatz, dem nunmehrigen Universitätshauptgebäude für 140 Jahre. Thomasius hielt als erster Dozent Vorlesungen in deutscher statt lateinischer Sprache. Auf ihn geht der deutsche Begriff „öffentliche Meinung“ zurück.

In dem Werk „Summarischer Entwurf der Grundregeln, die einem studioso juris zu wissen nöthig“ versammelte Thomasius 1699 seine juristischen Anschauungen.

Im November 1701 erschien sein „Dissertatio de crimine magiae“, in dem er nicht nur die Beweisbarkeit, sondern letztendlich die Möglichkeit des Teufelsbündnisses verwarf. Er forderte die Abschaffung aller Hexenprozesse, während zeitgleich etwa Friedrich Hoffmann an derselben Universität die Hexenlehre weiterhin wissenschaftlich betrieb.

Thomasius führte im Privatrecht einen Kampf gegen die Gültigkeit des römischen Rechtes in Deutschland. Die Einsicht in die Bedeutung des heimischen Rechtes übertrug er in seiner 1708 erschienen Schrift „Selecta Feudalia“ auch auf das Feudalrecht, später auch auf Staats- und Strafrecht. 1710 wurde er zum Ordinarius der juristischen Fakultät der Universität Halle ernannt.

Christian Thomasius starb am 23. September 1728 in Halle (Saale) im Alter von 73 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem hallischen Stadtgottesacker.

Friedrich II., der Große, bewunderte Thomasius und äußerte über ihn: „Wenn die Frauen in Preußen friedlich leben und sterben können, so verdanken sie es Thomasius.“

Die Monatsgespräche

Im Januar 1688 erschien seine Zeitschrift „Monatsgespräche“ in deutscher Sprache. Die Zeitschrift erschien monatlich mit einer Druckauflage von circa 3.000 Exemplaren. Man kann sie als eine sogenannte Individualzeitschrift bezeichnen, da Thomasius der alleinige Verfasser war. Im ersten Jahr veröffentlichte er die Monatsgespräche unter einem Pseudonym, im zweiten unter seinem vollen Namen. Diese Zeitschrift sollte im Gegensatz zu den vorherigen Gelehrtenzeitschriften zugleich unterhaltend und belehrend sein. Sie wurde in einem etwas leichteren sprachlichen Stil, jedoch mit fremdsprachlichen Passagen (lateinisch oder französisch), geschrieben. Außerdem wurde mit den Stilmitteln der Ironie und gelegentlich der Satire gearbeitet. Thomasius schreibt in Form von Gesprächen – die Gesprächspartner darin haben grundsätzlich verschiedenen Standpunkte; durch dieses Stilmittel gelingt es Thomasius, die verschiedenen Meinungen darzustellen, und er hat sich dieser Form immer wieder bedient.

Bücher wurden hier nicht einfach nur vorgestellt, sondern kritisch besprochen. Die Bereiche, aus denen die Werke stammen, sind die der Rechtswissenschaften, der Philosophie, der Geschichte, der Theologie und der Politik, gelegentlich der Medizin. Dazu kamen aber auch Rezensionen von belletristischen Werken, was in einer Gelehrtenzeitschrift neu war.

Seine Professorenkollegen in Leipzig klagten gegen diese Zeitschrift, da sie sich durch die Karikaturen und Kritiken persönlich angegriffen fühlten. Thomasius provozierte die Gelehrtenwelt mit seinen Darstellungen und Besprechungen sowie seiner Missachtung von damaligen Konventionen. 1690 wurde die Monatsgespräche schon wieder eingestellt, als sich das Nachbarland Dänemark vehement über die Zeitschrift beschwerte. Thomasius musste deswegen nach Berlin flüchten. 1690 veröffentlichte der Verlag Christoph Saalfeld eine Zusammenfassung der gesamten Ausgaben.

Werke

  • Lehrbuch des Naturrechtes (1687)
  • Von der Nachahmung der Franzosen (1687)
  • Institutiones iurisprudentiae divinae (1688)
  • Monatsgespräche (1688–1690)
  • Ausübung der Sittenlehre. Halle 1696.
  • Ausübung der Vernunfft-Lehre. Halle 1691.
  • Versuch vom Wesen des Geistes (1699)
  • Summarischer Entwurf der Grundregeln, die einem studioso juris zu wissen nöthig (1699)
  • De crimine magiae (1701)
  • Fundamenta iuris naturae et gentium (1705)
  • Selecta Feudalia (1708)
  • Vom Recht des Schlafens und Träumens

Literatur

  • Ernst Bloch: Christian Thomasius, ein deutscher Gelehrter ohne Misere. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1968
  • Christoph Bühler: Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius (1655–1728). Regensburg: Roderer, 1991, ISBN 3-89073-524-X
  • Max Fleischmann: Christian Thomasius: Leben und Lebenswerk. Aalen: Scientia-Verl., 1979 (Repr. d. Ausg. Halle 1931), ISBN 3-511-00587-6
  • Fischer, Ernst; Haefs, Wilhelm; Mix, York-Gothart (Hrsg.): Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800. München. Verlag C.H. Beck 1999, ISBN 3-406-45476-3
  • Manfred Hammes: Hexenwahn und Hexenprozesse. S. Fischer Verlag, Frankfurt 1977
  • Martin Kühnel: Das politische Denken von Christian Thomasius: Staat, Gesellschaft, Bürger. Berlin: Duncker & Humblot, 2001, ISBN 3-428-10260-6
  • Ladenthin, Volker: Wenn Unterricht und Erziehung zur Sprache kommen. Beispiele „Sprachkritischer Didaktik“ bei Ch. Thomasius und J.M. Sailer. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 70 (1994), S. 303–321
  • Werner Schneiders: Christian Thomasius, 1655–1728: Interpretation zu Werk und Wirkung, Hamburg: Meiner, 1989, ISBN 3-7873-0922-5
  • Peter Schröder: Christian Thomasius zur Einführung. Hamburg: Junius-Verl., 1999, ISBN 3-88506-997-0
  • Gerhard Simson: Christian Thomasius. Der Sieger über den Hexenwahn. In: Einer gegen alle, Verlag C.H. Beck, München 1972, ISBN 3-406-02681-8
  • Stöber, Rudolf: Deutsche Pressegeschichte. Konstanz. UVK Verlagsgesellschaft 2005. ISBN 3-8252-2716-2
  • Friedrich Vollhardt (Hrsg.): Christian Thomasius (1655–1728): neue Forschungen im Kontext der Frühaufklärung. Tübingen: Niemeyer, 1997, ISBN 3-484-36537-4
  • Irmgard Wedemeyer: Das Menschenbild des Christian Thomasius. Göttingen, Univ. Diss., 1955
  • Ernst Landsberg: Thomasius, Christian. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 93–102.
  • Bernd Kettern: THOMASIUS, Christian. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 11, Herzberg 1996, ISBN 3-88309-064-6, Sp. 1427–1433.

Weblinks

 Commons: Christian Thomasius – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Siehe auch


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