Christlich-Sozialer Volksdienst

Christlich-Sozialer Volksdienst

Der Christlich-Soziale Volksdienst (CSVD, 1929–1933) war eine protestantisch-konservative Partei in der Weimarer Republik.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Große Teile der ehemaligen Christlich-sozialen Partei Adolf Stoeckers schlossen sich unter Führung von Reinhard Mumm der neuen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) an. Allerdings fühlten sich immer mehr Christlich-Soziale in der Partei unwohl, etliche traten aus. Auf lokaler Ebene sammelten sich diese Kräfte in verschiedenen Organisationen, die z.T. auch an Kommunalwahlen teilnahmen, so der 1924 in Nürnberg gebildete Christliche Volksdienst oder die Christlich-sozialen Gesinnungsgemeinschaften, die sich vornehmlich auf Freikirchen wie die Herrnhuter Brüdergemeine in Südwestdeutschland stützen konnten. Der Christliche Volksdienst breitete sich aus und nahm 1928 in Württemberg an der Landtagswahl statt, wobei er mit 43.440 Stimmen drei Mandate errang. Daraufhin gewann er neue Mitglieder im Rheinland, in Ostwestfalen und im Siegerland und Wittgenstein.

Enormen Auftrieb erhielt die neuen Bewegung, als mit Alfred Hugenberg die DNVP einen Parteiführer erhielt, der einen bedingungslos republikfeindlichen Kurs einschlug und bald die Partnerschaft mit der NSDAP suchte. Zudem schlug sich der bedeutende Medienunternehmer eindeutig auf die Seite des Kapitals und sprach sich gegen Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsinteressen aus. Die DNVP spaltete sich daraufhin. Bekannte Vertreter des Arbeitnehmerflügels gründeten 1928 die Christlich-soziale Reichsvereinigung, darunter auch Reichstagsabgeordnete, wie Gustav Hülser, Walther Lambach, einem Führer des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV), einer mitgliederstarken Angestelltengewerkschaft, oder Emil Hartwig.

Nach der Verschärfung des staatsfeindlichen Kurses traten zahlreiche DNVP-Reichstagsabgeordnete aus der Partei aus, darunter bekannte Christlichsoziale wie Reinhard Mumm, Franz Behrens oder Gustav Hülser. Der Christliche Volksdienst und die Christlich-soziale Reichsvereinigung verschmolzen Ende 1928 und bildeten die neue Partei Christlich-Sozialer Volksdienst. Aufgrund von Übertritten ehemaliger DNVP-Abgeordneter war sie sogleich im Reichstag vertreten.

Der Christlich-Soziale Volksdienst ab 1930

Bei der Reichstagswahl von 1930 gewann die betont evangelische Partei besonders viele Stimmen in Regionen, welche durch eine starke pietistische oder freikirchliche Tradition geprägt waren, so in ländlichen Teilen Ostpreußens, in Ostwestfalen, Württemberg, Baden, Hessen-Nassau, im Siegerland und Wittgenstein, in der Grafschaft Bentheim und dem westlichen Ostfriesland sowie um Düsseldorf. Sie war mit 14 Abgeordneten im Reichstag vertreten, die in der Regel den Zentrums-Reichskanzler Heinrich Brüning unterstützten. Der CSVD wurde von den Nationalsozialisten und Deutschnationalen deshalb häufig als Anhängsel des Zentrums angegriffen und heftig attackiert, weil sie sich bei der Unterstützung Brünings in Gesellschaft der SPD befände, was in betont evangelischen Kreisen Wirkung zeigte. So trug der CSVD das von den betont rechten Parteien initiierten Volksbegehren zum Sturz der Preußen-Regierung 1931 mit. Aufgrund des wachsenden Erfolgs der NSDAP, in deren Sog auch viele CSVD-Wähler gerieten, rückte die Partei nach rechts, die demokratischen Kräfte in ihr gerieten in die Defensive. Die Reichstagswahl Juli 1932 brachte empfindliche Verluste. Sogar prominente Parteiführer wie der evangelische Pfarrer Hermann Teutsch, ehemaliger CSVD-Reichstagsabgeordneter, traten zur NSDAP über und dienten zur Agitation für die Nationalsozialisten unter der evangelischen Bevölkerung.

Das Ende des Christlich-Sozialen Volksdienstes

Zur Reichstagswahl 1933 schloss der CSVD im Februar mit der Deutschen Volkspartei (DVP) und der Deutschen Bauernpartei (DBP) unter der Bezeichnung Christlich-Nationaler Block ein Wahlabkommen, das ihr schließlich noch vier Reichstagsmandate sicherte. Doch schon am 23. März 1933 erklärte Parteivorsitzender Wilhelm Simpfendörfer die Unterstützung des CSVD für die Regierung Hitler. Die Abgeordneten schlossen sich der NSDAP als Hospitanten an, die Partei löste sich auf. Etliche Mitglieder gingen jedoch auf Konfrontationskurs zur neuen Regierung. Nach 1945 betätigten sich die meisten CSVD-Mitglieder in der CDU oder der CSU, so Paul Bausch oder Gustav Heinemann (Parteiaustritt 1952), andere wie Friedrich Justus Heinrich Middendorff waren in der Friedensbewegung aktiv.

Parteivorsitzende

Reichstagswahlergebnisse

Prominente Parteimitglieder

Literatur

  • Hein Retter, Protestantische Milieus vor und nach 1933 - Der Christlich-Soziale Volksdienst und der deutsche evangelische Schulgemeindeverband. In: Michael Wermke (Hrsg): Transformation und religiöse Erziehung. Kontinuitäten und Brüche der Religionspädagogik 1933 und 1945. Jena: IKS Garamond 2011, S. 243-280. (Reihe: Arbeiten zur Historischen Religionspädagogik, Bd. 9; AHRp)
  • Lutz Fahlbusch/Werner Methfessel, Christlich-Sozialer Volksdienst (CSVD) 1929-1933, in: Dieter Fricke u.a. (Hrsg.), Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945). Bd. 1, Köln/Leipzig 1983, S. 464-470.
  • Helmut Lensing, Der Christlich-Soziale Volksdienst in der Grafschaft Bentheim und im Emsland - Die regionale Geschichte einer streng protestantischen Partei in der Endphase der Weimarer Republik, in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hrsg.), Emsländische Geschichte Bd. 9, Haselünne 2001, S. 63-133.
  • Günther Opitz, Der Christlich-Soziale Volksdienst. Versuch einer protestantischen Partei in der Weimarer Republik (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Bd. 37), Düsseldorf 1969.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Christlich-Sozialer Volksdienst — Chrịstlich Sozialer Volksdienst   [k ], Abkürzung CSVD, frühere politische Partei, gegründet 1929, konservativ ausgerichtet, bemühte sich um eine neue Sozialordnung aus protestantischem Geist, unterstützte zunächst die Politik des Reichskanzlers …   Universal-Lexikon

  • Volksdienst — Volksdienst,   Christlich Sozialer Volksdienst …   Universal-Lexikon

  • Christlich-soziale Partei (Kaiserreich) — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Christlich-soziale Partei (Deutsches Kaiserreich) — Die Christlich soziale Partei (CSP) war eine christlich konservative und antisemitische Partei im deutschen Kaiserreich. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Präsidenten bzw. Vorsitzende 3 Wahlerfolge 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Evangelischer Volksdienst — Der Christlich Soziale Volksdienst (CSVD, 1929–1933) war eine protestantisch konservative Partei in der Weimarer Republik. Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Der Christlich Soziale Volksdienst ab 1930 3 Das Ende des Christlich Sozialen… …   Deutsch Wikipedia

  • Volksstaat Württemberg — Freier Volksstaat Württemberg Wappen Flagge (Details) …   Deutsch Wikipedia

  • CSVD — Der Christlich Soziale Volksdienst (CSVD, 1929–1933) war eine protestantisch konservative Partei in der Weimarer Republik. Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Der Christlich Soziale Volksdienst ab 1930 3 Das Ende des Christlich Sozialen… …   Deutsch Wikipedia

  • Ergebnisse der Provinzlandtagswahlen in Preußen — In den folgenden Listen werden alle preußischen Provinziallandtagswahlen in der Zeit der Weimarer Republik zusammenhängend aufgelistet. Die Provinzen werden in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. In der jeweils ersten Liste werden die… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte der deutschen Parteien — In einem früheren deutschen Sprachgebrauch bezeichnete Partei einen „Teil“ von etwas, abgeleitet vom französischen une part (ein Teil). Während der bürgerlich liberalen Märzrevolution von 1848/49 bildeten sich die ersten deutschen parteiähnlichen …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Parteien — Inhaltsverzeichnis 1 Parteien in Parlamenten 1.1 Parteien in den Landtagen 2 An Wahlen teilnehmende Parteien 2.1 Bundestagswahl 2005 2.2 Bundes und Landtagswahlen der letzten 6 Jahre …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”