- Cnossus
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Knossos (griechisch Κνω(σ)σός Knōs(s)os (f. sg.), lateinisch Cnossus oder Cnosus, ägyptisch Kunuša, Linear B Ko-no-so) war wahrscheinlich die größte antike Metropole auf Kreta, etwa fünf Kilometer südlich von Iraklio. Bekannt ist der Ort vor allem durch den Palast von Knossos, der neben Malia und Phaistos die größte der aus minoischer Zeit stammenden Palastanlagen auf Kreta ist.
Inhaltsverzeichnis
Archäologische Stätte
Der jüngste Palast von Knossos entstand als riesiges Gebäudeensemble von bis zu fünf Stockwerken mit einer umbauten Fläche von 21.000 m² auf einer lichten Fläche von 2,2 ha. 800 Räume sind nachweisbar, doch dürfte der Palast insgesamt bis zu 1300 besessen haben. Der Palast war zu keinem Zeitpunkt von einer Befestigungsmauer umgeben, an den Außenwänden ohne erhaltenen Schmuck, und ist, wie alle Palastanlagen der Minoer, um einen rechteckigen Zentralhof von 53 × 28 m errichtet. Aus vier Richtungen kommen verwinkelte, vergleichsweise schmale Gänge, reich dekorierte Korridore, bemalte Säle, aufwendig gestaltete Treppenhäuser und säulenumstandene Galerien.
Diese Räume und Korridore sind in einer solch verwirrenden, labyrinthisch anmutenden Anordnung aneinander gefügt, dass sie weniger den Eindruck von Herrschaftsarchitektur erwecken als den von mythisch-kultischer Architektur. Auch scheint es wenig wahrscheinlich, dass ein König seine Handwerker so nahe bei sich wohnen und seine „Steuereinnahmen“ so nahe bei sich aufbewahren ließ (bis zu 400 teilweise mannshohe Pithoi voll Wein, Olivenöl, Getreide oder Honig mit einem Fassungsvermögen von etwa 78.000 Litern), denn dies wäre unzweifelhaft mit Lärm, Unruhe, Gestank und Ungeziefern verbunden gewesen.
Auffallend ist eine im rechten Winkel aufeinanderstoßende Treppenanlage, wie sie auch in Phaistos zu finden ist, die einen Prozessionsweg abschließt und als Theater für etwa 500 Menschen gedeutet wird. Ausgerechnet diese Theateranlage befindet sich jedoch nicht innerhalb, sondern am Rande der Palastanlage.
Nach Ansicht von Archäologen dürfte die Stadt im 16. Jahrhundert v. Chr. zwischen 10.000 und 100.000 Einwohner gehabt haben. Obwohl Wohnräume mit Warmwasserheizung, Badezimmer mit Sitzbadewannen und Klosetts mit Wasserspülung ausgegraben wurden und der gefallene Regen auf dem Palastgelände durch sorgfältig verlegte, konisch geformte Röhren aus Terracotta und abgedeckelte, steinerne Rinnen aufgefangen wurde, waren die Zisternen vergleichsweise klein. Der in der Nähe vorbeifließende Bach Kairatos, von dem einige Archäologen annahmen, er sei mit großen Booten schiffbar gewesen, kommt als Trinkwasserversorgung für eine so große Menschenmenge kaum in Frage, da er gleichzeitig als Transportweg, als Kloake und zur Wäsche gedient haben dürfte. Man hat auch nicht viele Brunnen auf dem Palastgelände gefunden. Größere Räume, wie sie sich als Unterkunft für Palastwachen an allen antiken Herrschaftssitzen finden, wurden im Palast von Knossos nicht freigelegt. Dies alles spricht dafür, dass der Palast von Knossos kein Herrschaftssitz war, sondern eine Kultstätte, die von den Orten der Nordküste ebenso gut erreichbar war wie von der Messara-Ebene.
Geschichte
Die Gegend von Knossos war schon während des Neolithikums besiedelt. Älteste Siedlungsspuren der bis zu acht Meter mächtigen Siedlungsschichten stammen aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. Einwanderer aus Kleinasien wanderten im frühen 3. Jahrtausend v. Chr. nach Kreta ein. Sie unterhielten wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen mit Ägypten. Am Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. entwickelten sich kleinere Königreiche auf Kreta, wie man aus den größeren Palastanlagen in Phaistos, Malia, Knossos und Kato Zakros schließt. Dabei erweist sich Knossos als besonders groß, reichhaltig und prächtig. Knossos wurde dabei zwischen 2100 und 1800 v. Chr. am Ort der früheren neolithischen Besiedlung errichtet.
Wie alle Paläste Kretas wurde auch Knossos zwischen 1750 und 1700 v. Chr. durch ein schweres Erdbeben zerstört. Die minoische Kultur scheint trotz der desaströsen Zerstörungen durch das Erdbeben nichts von ihrer Lebendigkeit verloren zu haben. Um 1650 v. Chr. folgen kleinere Zerstörungen durch ein erneutes Erdbeben.
Der gewaltige Vulkanausbruch der sogenannten Minoischen Eruption auf der Kykladeninsel Santorin, der nach dem neuesten Forschungsstand (2006) vermutlich im Jahre 1628 v. Chr. explodierte, markiert in Knossos den Beginn der so genannten zweiten Palastzeit (archäologisch bisher datiert auf etwa 1630 bis 1400 v. Chr.). Dabei wurden auf den Fundamenten der alten Paläste neue, noch elegantere und aufwendigere errichtet. Knossos erfuhr dabei seine größte Blüte und entwickelte sich dabei zum ersten der kretischen Stadtstaaten und vermutlich zum religiösen und politischen Zentrum der Insel. Knossos verfügte damals vermutlich über die größte und kampfstärkste Flotte, deren Schiffe zu den phönizischen, ägyptischen und peloponnesischen Häfen ausliefen und die Kykladen, Athen sowie den Nahen Osten ansteuerten. Gesichert ist, dass Knossos über zwei Seehäfen verfügte, einen bei Amnissos, den anderen an der Stelle des späteren Iraklio.
Der traditionellen Datierung der Santorin-Katastrophe um etwa 1450 v. Chr. stehen in Knossos keine Zerstörungen gegenüber, was die neue Datierung auf etwa 1628 v. Chr. bestätigt. Um 1400 v. Chr. überstand die Stadt ein schweres Erdbeben dank der vertikal und horizontal in den Mauern eingebauten Zedernhölzer nahezu unbeschädigt. Bis 1370 v. Chr. wurde der Palast benutzt.
Eine Invasion der Achäer zu Beginn des 14. Jahrhunderts v. Chr. führte dann – möglicherweise in Verbindung mit einem Aufstand der bereits auf der Insel ansässigen Achäer – zum vollständigen Untergang der minoischen Kultur. Vermutlich hatte die Macht der Minoer durch die Zerstörung der Flotte und aller nordkretischen Häfen, zu der die Zuwanderung mykenischer Festlandsachäer geführt hatte, zu diesem Zeitpunkt bereits stärker gelitten. Sie zerstörten in Knossos schließlich alles, was das Erdbeben und die Flutwelle von etwa 1400 v. Chr. heil gelassen hatten. Ein Feuer, das mehrere Tage gewütet haben muss und bei dem Holz und Öl dem Brand zusätzliche Nahrung gaben, zerstörte um 1370 v. Chr. die obersten Etagen und viele der aus Kalkstein und Gips hergestellten Wände des Palastes. Einzelne, durch den Brand erhitzte Kalksteinquader erinnern heute an Backenknochen eines Mammut. Danach wurde der Palast aufgegeben.
Erst mit der griechischen Zeit wurde Knossos wieder besiedelt. 343 v. Chr. entsandte Sparta seine Soldaten gegen das sich mit Makedonien verbündet Knossos. Zwanzig Jahre später geriet Kreta unter ptolemäische Herrschaft. 220 v. Chr. wechselte Gortys sich mit Knossos in der Rolle der kretischen Hauptstadt ab. Als die Römer 189 v. Chr. auf Kreta eintrafen, wurde Knossos noch einmal ab 150 v. Chr. Kretas Hauptstadt. 67 v. Chr. machten die Römer Gortys erneut zur Hauptstadt der neuen Provinz Creta et Cyrene, zu der neben Kreta auch die libysche Mittelmeerküste gehörte. Seit 36 v. Chr. wurde es römische Kolonie unter dem Namen Colonia Iulia Nobilis. Die griechische und römische Stadt lag in unmittelbarer Nähe des Palastes, doch ist sie nur zum kleinen Teil ausgegraben worden.
Mythos
Nach dem von Homer etwa 700 Jahre nach der Zerstörung von Knossos überlieferten Mythos herrschte im 16. Jahrhundert v. Chr. der erstgeborene Sohn des Zeus und der Europa, der sagenhafte König Minos über Knossos. Er erweiterte den riesigen Palast, der den älteren Palast als unteres Stockwerk nutzte, um darüber mehrere, neue Stockwerke zu errichten, die ein Ensemble von wahrscheinlich etwa 1300 Räumen entstehen ließen. Minos soll Gemahl der Pasiphaë und Vater der Ariadne und des Androgeos sein. Der griechische Gott Poseidon schenkte dem Minos einen herrlichen, weißen Stier, den er Zeus opfern sollte. Da Minos der Stier so gut gefiel, dass er einen anderen Stier opferte, um ihn zu schonen und zu seiner Herde treiben ließ, zürnte ihm Zeus und strafte ihn dadurch, dass seine Gemahlin Pasiphaë diesen Stier begehrte und sich eigens dazu vom königlichen Baumeister und Ahnherrn aller Künstler Daidalos eine hohle, hölzerne Kuh, die mit Kuhhaut überzogen war, anfertigen ließ. Daidalos brachte die hölzerne Kuh zur Herde, woraufhin die darin versteckte Pasiphaë mit dem göttlichen Stier den Stiermenschen Minotauros, ein menschenfressendes Ungeheuer, zeugte und gebar. König Minos ließ überraschenderweise dieses Ungeheuer mit menschlichem Leib und Stierkopf nicht töten, sondern beauftragte Daidalos mit dem Bau eines sicheren Verstecks, dem sagenhaften Labyrinth. Den Tod an seinem Sohn Androgeos bei einem sportlichen Wettkampf in Attika nahm König Minos zum Anlass, die Athener jedes neunte Jahr zu einem Tribut von sieben Jünglingen und sieben Jungfrauen zu zwingen, die dem Minotauros geopfert wurden. Prinz Theseus verfügte sich freiwillig unter die Geiseln, um den Minotauros zu töten und den schaurigen Opferkult zu beenden. Als er nach seiner Ankunft auf Kreta Minos Tochter Ariadne kennenlernte, verliebten sich beide ineinander. Theseus vertraute ihr seine Absicht an, und sie bot ihm ihre Hilfe an, falls er sie heiraten und nach Athen mitnehmen würde. Als er einwilligte, schenkte sie ihm das magische Wollknäuel des Daidalos, mit dem er aus dem Labyrinth jederzeit wieder herausfand. Theseus gelang es mit Hilfe der Götter, den Minotauros zu erlegen, den er dem Poseidon opferte, um daraufhin mit göttlicher Hilfe mit Ariadne und seinen Mitgeiseln unbemerkt von Kreta nach Naxos zu fliehen.
Deutungen
Die Minoer hatten eine matriarchale Kultur und beteten eine Erd-, Vegetations- und Fruchtbarkeitsgöttin an. Von allen matriarchalen Götterverehrungen unter den ältesten Ackerbaureligionen des Orients hat sich die minoische am längsten und reinsten gehalten. Der Mythos des Königs Minos scheint den Übergang dieser Kultur zu der patriarchalen Kultur der viehzüchtenden Nomaden zu symbolisieren.
Der Stier nimmt in der minoischen Religiosität unter allen Götterattributen eine Sonderstellung ein: Anfangs wurde er noch als heiliges Tier verehrt, doch seine Unberechenbarkeit machte ihn zu einem feindlichen Dämon und damit zum Opfertier. Die minoischen Stierspiele, bei denen Jünglinge und Mädchen kultisch über einen Stier springen und ihn damit „überwinden“, könnten in dieser Auffassung wurzeln.
Das überdimensionale Kulthorn, das sich wahrscheinlich als Kultsymbol oft an den Begrenzungen von Treppen und Terrassen des Palastes findet, ist nicht zufällig einem Stierhorn nachempfunden.
Wie die Prozessionsfresken in Knossos belegen, wurde die minoische Kultur von Ägypten beeinflusst. Dort wurde der Sonnengott Re auf dem Rücken einer Himmelskuh in den Himmel gebracht. In den Pyramidentexten des Alten Reichs ist die Kuh belegt; sie wird mit den Göttinnen Hathor und Neth identifiziert.
Die verwinkelte Anlage des Palastes war mutmaßlich der Ursprung der Legende vom Labyrinth (von griechisch Labrys, „Doppelaxt“, oder Lehnwort aus dem Altägyptischen, bedeutend „Palast am See“, nach dem möglichen Vorbild des Labyrinths von Hawara[1]), in dem Theseus den Minotaurus tötete. Die Doppelaxt ist ein auf den Palastwänden wiederkehrendes Motiv und könnte möglicherweise bedeuten, dass der Palast ursprünglich als „Haus der Doppelaxt“ bezeichnet wurde. Erst vor einigen Jahren wurden in Knossos tatsächlich Beweise für Menschenopfer gefunden: Auf dem Gelände hinter dem Stratigraphischen Museum entdeckte man Kinderknochen mit charakteristischen Schnittspuren. Kinderopfer gehörten auch zur phönizischen Religion, die ebenfalls anfangs matriarchalisch war.
Man nimmt heute an, dass der Minotauros der griechischen Sage der oberste Priester als Repräsentant der kretischen Stiergottheit war. Der Sieg des Theseus könnte den Sieg der vom Festland nach Kreta einsickernden Achäer über die Minoer und ihr Matriarchat symbolisieren.
Entdeckungsgeschichte
Dem wohlhabenden kretischen Kaufmann, Juristen und Hobby-Archäologen Minos Kalokairinos gelang 1878 die Entdeckung Knossos'. Er legte zwei Magazinräume mit darin befindlichen Pithoi und Kultgegenständen frei. Der Mecklenburger Kaufmann und Troja-Entdecker Heinrich Schliemann, der den Palast von König Minos in der Nähe von Iraklio vermutete, besuchte 1886 gemeinsam mit dem Archäologen Wilhelm Dörpfeld das Terrain von Knossos. Dörpfeld bemühte sich um die Genehmigung zu einer groß angelegten, archäologischen Grabung durch das Deutsche Archäologische Institut, dessen Direktor er wenig später in Athen wurde, doch die türkischen Behörden verlangten einen den Deutschen zu hohen Kaufpreis.
1894 gelangte der Museumsdirektor, Ethnologe und Zeitungskorrespondent, der Engländer Sir Arthur Evans auf der Suche nach vorgriechischen Schriftzeugnissen erstmals nach Kreta. Schließlich begeisterte er sich für die neu entdeckte, vorgriechische, minoische Kultur am Kefala-Hügel. Infolge des griechischen Befreiungskampfs gegen die türkische Besatzung konnte er die Fläche durch Vermittlung des britenfreundlichen Hochkommissars erst am 16. März 1900 kaufen. Zwischen 1899 und 1914 grub Evans den Palast aus. Nahezu gleichzeitig wurde in Phaistos, Kato Zakros, Palekastro, Gournia, Lato und der Zeus-Höhle Psichro mit Ausgrabungen begonnen. Arthur Evans verfügte über genügend Geld, um sich seinen Lebenstraum der Ausgrabung Knossos zu erfüllen. Finanziell beteiligte sich die neu gegründete Cretan Exploration Fund-Stiftung.
Unterstützt durch Duncan Mackenzie, der sich schon durch die Ausgrabungen auf der Insel Melos empfohlen hatte und Mr. Fyfe, den Architekten der Britischen Schule von Athen, beschäftigte Evans anfangs noch 30 Arbeiter mit den Ausgrabungen. Doch schnell wuchs deren Zahl auf 200, mit deren Hilfe er in Rekordgeschwindigkeit von nur drei Jahren 20.000 m² des Palasts freilegte. Da ihn die Überbauungen der mykenischen Zeit nicht weiter interessierten, wurden diese ohne Dokumentation abgetragen. Zu seinen aufregendsten Entdeckungen zählen die farbigen, ausdrucksstarken Fresken, die eine hohe Zivilisation in ihrem Luxus repräsentieren. Ihre Kleidung erinnerte an keine vorhergehende, bekannte Zivilisation. Die Damenkleidung bevorzugte Puffärmel, schlanke Taillen und schmale Röcke. Die spezielle blaue Farbe der Kleidung weist auf Seehandel mit den Phöniziern hin. Die Fresken stellen teilweise Sportwettbewerbe, wahrscheinlich ritueller Bedeutung dar, in denen Jünglinge und Mädchen akrobatisch über den Rücken eines Stieres springen. Das Herzstück des Palastes ist der sogenannte Thronsaal, der aufgrund eines dort gefundenen Alabasterthrons so genannt wurde. An den Seitenwänden des Vorraums sind steinerne Bänke aufgestellt. Eine kostbare Porphyrschale steht im Zentrum des Vorraums. Sie diente wahrscheinlich rituellen Waschungen. Andere Interpretationen deuten dies als Aquarium.
Evans’ eigenwillige Vorgehensweise bei der vorschnellen Benennung von Räumen, wie dem Thronsaal, dem Badezimmer der Königin, der Karawanserei, dem Zollhaus und anderen trug ihm viel Kritik der Archäologen ein. Hierin sehen viele Archäologen die Suggestion einer Befundsicherheit, die keineswegs existiert. Seine kühnen Rekonstruktionen sind deshalb höchst umstritten, da sie diese individuellen Interpretationen zementieren und weitere Forschung am Objekt (in situ) praktisch unmöglich machen. In seinem Bemühen, die freigelegten und dadurch der schnellen Verwitterung zugänglichen Räume und Artefakte vor dem Verfall zu konservieren und dabei dem Betrachter eine Vorstellung des denkbaren Aussehens des ehemaligen Palasts zu geben, experimentierte er zunächst mit aus England und Skandinavien eingeführtem Holz. Als dieses nicht die erhoffte Langlebigkeit aufwies, setzte er den damals modernsten und langlebigsten Baustoff ein, Beton. Doch dieser ist viel schwerer als antike Gips- und Holzkonstruktionen und bedarf nach knapp hundert Jahren angesichts Tausender Touristen pro Tag laufender Restaurierung. Andererseits muss man Evans als Kind seiner Zeit ansehen, in der antike Ruinen im Geiste des Philhellenismus wiederhergestellt werden.
Aufgrund des weichen Steins kamen dem deutschen Geologen Hans Georg Wunderlich 1970 bei seinem Besuch von Knossos Zweifel an der herkömmlichen Deutung der Palastanlage. Zwei Jahre später trug er seine neue Interpretation in seinem Buch Wohin der Stier Europa trug vor, in deren Mittelpunkt die These steht, die minoischen Paläste Kretas seien keine geistig-kulturellen oder politischen Zentren gewesen, sondern Nekropolen zur Bestattung der Toten. Das Fehlen einer Befestigungsmauer trotz der exponierten Lage deutete Wunderlich als Friedhofsruhe, während die Schulauffassung dies als Friedfertigkeit der Epoche und die Wirksamkeit einer starken Flotte interpretiert. Brunnen, Wasserleitungen, Zisternen und Abflusskanäle wurden von Wunderlich im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Toten auf die Einbalsamierung gedeutet. Badewannen wurden zu Särgen, Pithoi zu Grabstätten und die bunten Kannen mit langgezogenen Gießöffnungen zu Hilfsmitteln bei der Einbalsamierung der Toten. Die Lichtschächte des Palastes fasste er als Be- und Entlüftungsschächte der Nekropole auf. Bis zu seinem Tod 1974 beherrschten Wunderlichs Thesen zeitweilig viele Diskussionen.
Der Archäologe und Höhlenforscher Paul Faure hält statt Knossos eine weitverzweigte Höhle bei Skontino, dreieinhalb Stunden von Knossos entfernt, für das Labyrinth.
Literatur
- Arthur Evans: The Palace of Minos. London 1921–1935 (vier Bände).
- E. Hallager: The Mycenaean Palace of Knossos. Stockholm 1977.
- R. Hägg, N. Marinatos (Hrsg.): The Function of the Minoan Palaces. Athen 1984 (Symposium).
- J. Wilson Myers et al. (Hrsg.): The Areal Atlas of Ancient Crete. London 1992.
- Hans Georg Wunderlich: Wohin der Stier Europa trug. Rowohlt, Hamburg 1972, ISBN 3-499-17198-8 (umstrittene Deutung des Palastes als Totenstadt).
Weblinks
- Bildmaterial Knossos - Antikefan
Anmerkungen
- ↑ Hans Georg Wunderlich: Wohin der Stier Europa trug. Anaconda Verlag GmbH, Köln 2007, S. 288 und andere.
35.29777777777825.163611111111Koordinaten: 35° 17′ 52″ N, 25° 9′ 49″ O
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