Adnan Menderes

Adnan Menderes

Adnan Menderes (* 1899 in Aydın; † 17. September 1961 auf der Gefängnisinsel İmralı) war der erste aus freien Wahlen hervorgegangene Ministerpräsident der Türkei. Er regierte von 1950 bis 1960 und wurde am 27. Mai 1960 durch das Militär gestürzt. Nach den Yassıada-Prozessen wurde er hingerichtet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Menderes war Sohn des Gutsbesitzers İbrahim Ethem aus Güzelhisar in der Provinz Aydın. In seiner Jugend spielte Menderes in den Fussballvereinen Karşıyaka SK und Altay İzmir. Er schloss das amerikanische Robert College ab und studierte in Ankara Rechtswissenschaften. 1935 schloss er sein Studium ab.

Wirken

Am 12. August 1930 trat er in die von Fethi Okyar gegründete Serbest Cumhuriyet Fırkası („Freie Republikanische Partei“) ein. Menderes organisierte die Partei in Aydın und wurde zum Provinzchef der Partei. [1] Die Aufgabe der Freien Republikanischen Partei sollte es sein, oppositionelle Stimmen zum bestehenden De-facto-Einparteiensystem aufzunehmen und in das System einzubinden. Nach ein paar Monaten nahm man von diesem Versuch Abstand und löste die Partei wieder auf. Nach der Auflösung der Partei trat er der Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) bei und wurde Provinzchef in Aydın für die Partei.[1]

Während der 4. Legislaturperiode (4. Mai 1931 - 23. Dezember 1934) der Großen Nationalversammlung der Türkei war er Abgeordneter der Provinz Aydın für die Republikanische Volkspartei (CHP). Sein Rechtsstudium absolvierte er in seiner Abgeordnetenzeit an der Fakultät für Rechtswissenschaften in Ankara und beendete es 1935. Während der 5. (1. März 1935 - 27. Dezember 1938), 6. (3. April 1939 - 15. Dezember 1943) und 7. Legislaturperiode (8. März 1944 - 25. Dezember 1945) war er ebenfalls Abgeordneter der Provinz Aydın für die CHP. Am 25. Dezember 1945 wurde Adnan Menderes aus der CHP ausgeschlossen.[1]

Am 7. Dezember 1945 gründete er [1] mit Celal Bayar Refik Koraltan und Mehmet Fuat Köprülü die Demokratische Partei (DP), deren Vorsitzender er 1950 wurde. Die Demokratische Partei spielte eine entscheidende Rolle beim Übergang vom Einparteiensystem - mit der Republikanischen Volkspartei als einziger Partei - zum Mehrparteiensystem. Bei den Wahlen im Juli 1946 errang die Demokratische Partei lediglich 64 der 465 Sitze, nicht zuletzt deshalb, weil die regierende Republikanische Volkspartei unter Ismet Inönü die Wahlen um ein Jahr vorgezogen hatte, um der Demokratischen Partei wenig Zeit zum Aufbau zu geben. Während der 8. Legislaturperiode (5. August 1946 - 24. März 1950) war Menderes Abgeordneter der Provinz Kütahya für die Demokratische Partei. [1]

Bei den ersten freien und unverfälschten Wahlen am 14. Mai 1950[2] gelang der Demokratischen Partei ein Erdrutschsieg; sie erhielt 408 der 487 Sitze im Parlament. Celal Bayar wurde Präsident, Menderes Ministerpräsident und Mehmet Fuat Köprülü Außenminister. Bei den Wahlen zur 9. Legislaturperiode (22. März 1950 - 12. März 1954) wurde Adnan Menderes in der Provinz Istanbul gewählt und bildete am 22. Mai 1950 die erste Regierung Menderes.

1950: Koreakrieg

Nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seine Mitgliedstaaten aufgerufen hatte, dem vom kommunistischen Nordkorea angegriffenen Südkorea zur Hilfe zu kommen, entschied die türkische Regierung, sofort Truppen zu entsenden. Menderes hatte mit dem Eintritt in den Koreakrieg eine politische Ausnahmesituation geschaffen, da die moderne Türkei militärische Interventionen außerhalb des eigenen Landes bisher vermieden hatte.[2] Der Außeneinsatz der Armee widersprach auch der türkischen Verfassung, da Menderes nicht die Zustimmung der Nationalversammlung eingeholt hatte. Die Opposition verurteilte das Vorgehen der neuen Regierung deshalb als Verfassungsbruch, während die türkische Öffentlichkeit positiv überrascht war.[3] Nachdem Köprülü am 25. Juli 1950 in einem Telegramm an Trygve Lie, den Generalsekretär der Vereinten Nationen erklärt hatte, 4.500 Mann nach Korea entsenden zu wollen, entlud sich der Stolz der Türken in großer Begeisterung, als erste Nation nach den Vereinigten Staaten dem Aufruf der UNO gefolgt zu sein.[3] Der Schritt zur Teilnahme an der UNO-Mission war ein radikaler neuer Weg der Türkei. Das Ausland bewertete diese Tatsache als Zeichen für eine mutige, aktive und dynamische Außenpolitik der Regierung Menderes. Die damalige Kriegsteilnahme hatte Konsequenzen, die bis heute in der türkischen Innen- und Außenpolitik spürbar sind,[2] zumal die von Staatsgründer Kemal Atatürk verfolgte klare Neutralitätspolitik verlassen wurde. Die Sowjetunion kritisierte die Türkei noch am Tag der Bekanntgabe ihrer Kriegsteilnahme. Aus Furcht vor einem sowjetischen Angriff akzeptierte die Regierung nun umfangreiche militärische Hilfe aus den USA.[3]

Als Beweggrund für den Koreaeinsatz äußerte Menderes 1951 gegenüber der türkischen Zeitung Vatan:

„In den internationalen Beziehungen wird die Türkei jetzt als Großmacht angesehen.[4]

Eindämmung des sowjetischen Expansionsdrangs

Ein weiteres wichtiges Ziel von Menaderes' Außenpolitik war die Eindämmung des sowjetischen Expansionswillens im Nahen und Mittleren Osten. Zusammen mit Griechenland und dem Iran bildete die Türkei damals das südliche Bollwerk gegen die Moskauer Politik. Der Orient hatte in der Vergangenheit lange im Machtbereich der Türkei gelegen. Hier wurde nun die Sowjetunion der Hauptrivale, zumal Moskau schon seit längerem begonnen hatte, dem Mittleren Osten Hilfen aller Art zu gewähren. Die Regierung Menderes musste nun einen Weg finden, die „Rote Gefahr“, wie man die Sowjetunion in der Türkei damals nannte, in dieser Region ein- und zurückzudämmen, damit die Türkei letztendlich nicht eingekesselt werden konnte. Als erschwerend galten der alte Hass vieler arabischer Länder auf die ehemaligen türkischen Kolonialherren sowie die 1949 erfolgte Anerkennung des Staates Israel durch die vorherige Regierung Şemsettin Günaltay. Diese Anerkennung sah Menderes als „außenpolitische Last“.[5] Der Orientpolitik von Menderes war weniger Erfolg beschert. Eines seiner Ziele, arabische Länder in die NATO einzubinden bzw. eine Stabilitätsdiplomatie[6] aufzubauen, scheiterte. Vielfach war es die Zwietracht der arabischen Länder untereinander, welche umfassende Lösungen unmöglich machte. Auch Ägypten erwies sich als Stolperstein.[6] Dennoch gelang es Menderes, in der Region einen dauerhaften Status Quo zu erzielen und die Sowjetunion dadurch in Schach zu halten.

Am 9. März 1951 wurde die zweite Regierung Menderes gebildet.[1] Der bisherige Präsident Ismet Inönü wurde Oppositionsführer. Inönü lehnte das Angebot einiger Generale ab, die Demokratische Partei aufzulösen, um ihm die Rückkehr an die Macht zu ermöglichen.[7] Auch in der 10. Legislaturperiode (14. Mai 1954 - 12. September 1957) wurde Menderes in Istanbul gewählt. Am 17. Mai 1954 bildete er die dritte Rergierung Menderes. In der 11. Legislaturperiode wurde Menderes zum letzten Mal ins Parlament gewählt.[1]

Adnan Menderes regierte die Türkei fast zehn Jahre lang. In dieser Zeit erlebte das Land anfangs einen raschen ökonomischen Aufschwung, der auf dem neuen Wirtschaftsliberalismus und starker ausländischer Unterstützung, insbesondere aus den USA, beruhte. Seine Regierung modernisierte vor allem die Landwirtschafts-, Verkehrs-, Gesundheits-, Banken-, Energie-, Bildungs- und Versicherungssysteme. Die Türkei trat unter Menderes 1952 der NATO bei, was als der größte Erfolg seiner Regierungszeit bewertet wird. Die damalige türkische Regierung war von der Wichtigkeit umfassender Beziehungen zu den USA überzeugt und bereit, dafür auch große Verpflichtungen einzugehen.

Verhältnis zum Laizismus

Im Gegensatz zu den Politikern der jungen Republik, die auf eine strikte Trennung von Religion und Staat geachtet hatten, forderte Menderes eine Rückkehr zum islamischen Staat. Dies alarmierte die Hüter des kemalistisch-laizistischen Erbes, die er als „besessene Reformisten“ bezeichnete.

Die Verordnung des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk aus dem Jahre 1932, den islamischen Gebetsruf statt auf Arabisch in türkischer Sprache auszuführen, hob er auf.

Menderes erläuterte diese Reformen folgendermaßen:

„Wir haben unsere bis jetzt unterdrückte Religion von der Unterdrückung befreit. Ohne das Geschrei der besessenen Reformisten zu beachten, haben wir den Gebetsruf wieder auf das Arabische umgestellt, den Religionsunterricht an den Schulen eingeführt und im Radio die Rezitation des Koran zugelassen. Der türkische Staat ist muslimisch und wird muslimisch bleiben. Alles, was der Islam fordert, wird von der Regierung eingehalten werden.[8]

Die Regierung Menderes konnte aufgrund ihrer wirtschaftlichen Erfolge und der Zustimmung aus den religiösen Teilen der Bevölkerung die Wahlen von 1954 noch eindeutiger gewinnen als die vorhergehenden.[7] Doch schon zu dieser Zeit zeigten sich massive politische und wirtschaftliche Fehlentwicklungen, welche zu einer schwelenden Missstimmung im Lande führten.

1955: Der Pogrom von Istanbul

In der Nacht vom 6. auf den 7. September 1955 ereignete sich der Pogrom von Istanbul, mit dem das griechisch-christliche Leben in der Metropole weitgehend erlosch.[9] Dabei kam es zu staatlich organisierter Gewalt gegen die griechische Minderheit, von der aber auch andere christliche Minderheiten in Istanbul betroffen waren.

In der Folge des Pogroms verließen rund 100.000 Griechen ihre alte Heimat.[10] Während 1945 fast 125.000 orthodoxe Griechen als Minderheit in Istanbul lebten[11], sank ihre Zahl als Folge des Pogroms von 1955 dramatisch. 1999 lebten noch 2.500 Griechen in der Türkei.[12] Davon wohnten 2006 noch 1650 in Istanbul.[11]

In welchem Ausmaß diese Ausschreitungen inszeniert wurden, um vom wirtschaftlichen Versagen der Regierung Menderes abzulenken, oder inwieweit es sich um eine zumindest teilweise spontane „Antwort“ des Istanbuler Mobs auf Übergriffe der griechischen Zyprer auf türkische Zyprer handelte, ist bis heute strittig. Jedoch nennen alle Quellen eine Beteiligung, wenn nicht sogar Organisation des Pogroms durch die Regierung Menderes. Dieser Vorwurf war auch ein wichtiges Thema beim Prozess gegen Adnan Menderes nach seiner Absetzung durch die Armee.[13]

1959: Zypernabkommen

Der anhaltende Zypernkonflikt stand auch während der 1950er Jahre im Mittelpunkt griechisch-türkischer Politik. Dieser hatte seine Wurzeln bereits in osmanischer Zeit und war durch den britischen Kolonialismus auf der Insel zusätzlich angeheizt worden. Neben tatsächlichen historischen nationalen und religiösen Spannungen wird heute die Ursache auch bei den jeweils herrschenden politischen und gesellschaftlichen Eliten gesucht, denen der Konflikt als herrschaftsstabilisierende Ideologie gelegen kam.[14] Die in blutigen Gewaltakten mündende Eskalation ist daher auch eine Folge von jahrzehntelanger Propaganda, in der oft staatliche Stellen und Medien Hand in Hand gearbeitet haben.

Im September 1958 hatte der amtierende Erzbischof von Zypern, Makarios III., der als Ethnarch gleichzeitig politischer Repräsentant der griechisch-orthodoxen Christen war, erklärt, dass er bereit sei, den Status einer garantierten Unabhängigkeit für die Insel zu akzeptieren. Damit machte er den Weg für eine diplomatische Lösung des Konflikts frei. Während einer im Dezember 1958 tagenden NATO-Versammlung in Paris kamen die Vertreter Griechenlands, der Türkei und der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien zu ersten konkreten Besprechungen über die Zukunft der Insel zusammen. Im Anschluss kam es vom 6. bis 11. Februar 1959 in Zürich unter britischer Aufsicht zu Verhandlungen zwischen Adnan Menderes und seinem griechischen Amtskollegen Konstantin Karamanlis, welche sehr positiv verliefen. Bereits am 19. Februar 1959 konnten daher die Zypernabkommen der Öffentlichkeit vorgestellt werden, auf deren Grundlage eine Verfassung erarbeitet werden sollte. Die Unterzeichnung fand in London statt und wurde von den Ministerpräsidenten der Türkei, Griechenlands und Großbritanniens sowie den nationalen Vertretern Zyperns, Erzbischof Makarios III. und Fazıl Küçük, vorgenommen.[15] In der Folge arbeiteten Rechtsexperten in Athen und Ankara mit britischer Unterstützung die Verfassung Zyperns aus, welche jedoch erst nach Menderes’ Verhaftung, am 6. August 1960 mit der Unabhängigkeitserklärung der Insel in Kraft trat. Diese Verfassung war jedoch so beschaffen, dass das Land weiterhin von den drei Mächten Türkei, Griechenland und Großbritannien kontrolliert wurde und eine eigene Regierungsbildung nicht vorgesehen war.[16]

Misstrauen, Misswirtschaft und EWG-Verhandlung

Am 30. November 1955 wurde der Regierung vom Parlament das Misstrauen ausgesprochen, weshalb Menderes als Ministerpräsident am 11. Dezember 1955 eine neue Regierung aus Mitgliedern der DP bilden musste.[17]

Die anfänglich starke wirtschaftliche Expansion unter Menderes hatte nicht nur Gewinner. An den Peripherien der Großstädte bildeten sich zunehmend illegale Gecekondu. Das rasche Bevölkerungswachstum trieb die Ausgaben für Bildung und Infrastruktur in die Höhe. Der staatliche Anteil an den Investitionen stieg zwischen 1950 und 1960 von 40 Prozent auf 60 Prozent. In der Folge wuchs auch die Verschuldung der öffentlichen Hand. Der Verfall der Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse brachte das Wachstum 1953 zum Erliegen und führte zu einem ernsthaften Handelsbilanzdefizit. Überall im Land protestierten die Menschen gegen den drohenden wirtschaftlichen Abstieg. Menderes reagierte mit Preisfestsetzungen und verstärkter staatlicher Kontrolle der Ein- und Ausfuhr. Da diese Regelungen jedoch keine rasche Hilfe für die Bevölkerung brachten, erhielt seine Regierung bei den Wahlen von 1957 nur noch 48 Prozent der Stimmen. Aufgrund des türkischen Mehrheitswahlrechts wirkte sich die Abstrafung für Menderes jedoch nur marginal aus, da seine Regierung mit 70 Prozent der Parlamentssitze immer noch fest im Sattel saß.[18]

In der Politik standen sich die CHP und die DP unversöhnlich gegenüber. Die Regierung nutzte – wie zuvor die CHP – den staatlichen Rundfunk als Propagandainstrument und verabschiedete Gesetze, die die eigene Stellung stärkten. Sie beschränkte die Autonomie der Universitäten, verschärfte das Pressegesetz und ließ Zeitungen verbieten.[19]

Eines der wichtigsten Ereignisse in Menderes' Regierungszeit war am 21. Juli 1959 der Antrag auf Assoziierung der Türkei mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Der Vertrag wurde im September desselben Jahres unterzeichnet, trat aber erst am 1. Dezember 1964 in Kraft.

Minderheitenpolitik

Trotz anderslautender Bestimmungen im 1923 geschlossenen Vertrag von Lausanne hielt sich die damalige Türkei nicht an die dort beschlossenen Bedingungen für ethnische Minderheiten. Auch unter Menderes wurde beispielsweise die Assimilierungspolitik gegenüber den Kurden fortgesetzt, und deren kulturelle und ethnische Unterschiede gegenüber den Türken wurden geleugnet. Man versuchte, die Kurden als ein Turkvolk darzustellen. Staatliche Restriktionen sollten sicherstellen, dass die kurdische Kultur nicht gelebt werden konnte und keine Medien in kurdischer Sprache erschienen.

Nachdem die irakische Haschimiten-Monarchie 1958 gestürzt worden war, gewährten die neuen Machthaber den Kurden im Irak weitgehende Autonomie. Die daraus resultierende kurdische Euphorie griff auf die Türkei über. Auch hier forderte die kurdische Bildungsschicht nun kulturelle Rechte. Daher ließ das Menderes-Regime im Sommer 1959 49 kurdische Intellektuelle verhaften, die sich der Verschwörung und kulturellen Betätigung schuldig gemacht haben sollten. Man fand indes nur wenige kurdische Schriften zur Sprache, Literatur und Geschichte.[20] Erst unter der türkischen Militärregierung von General Cemal Gürsel wurden die 49 Verhafteten nach dem Militärputsch 1960 unter dem Kriegsrecht verurteilt, aber 1965 wegen Verjährung freigelassen.

Militärputsch und Gerichtsverfahren

Am 27. Mai 1960 übernahmen die Türkischen Streitkräfte unblutig die Macht im Lande, nachdem sich die Regierung Menderes zunehmend undemokratisch verhalten hatte. Einer der offiziellen Gründe für den Staatsstreich war der Vorwurf, dass sich die Demokratische Partei über kurdische Stammesführer und Scheichs in ihren Reihen für einen verbotenen Regionalismus zugunsten der Kurden eingesetzt hätte.[21]

Unter General Gürsel, der später Präsident der Türkei wurde, bildete sich das Komitee der Nationalen Einheit. Die Demokratische Partei wurde verboten. Die Putschisten leiteten Gerichtsverfahren, die Yassıada-Prozesse, gegen Menderes und Funktionäre seiner Regierung und Partei ein, insgesamt 592 Menschen. Nach dem damaligen Türkischen Strafgesetzbuch war die Todesstrafe gegen Personen möglich, „die die Verfassung zu ändern, ersetzen oder außer Kraft zu setzen anstreben“.

Menderes wurde unter anderem wegen der „Organisation antigriechischer Ausschreitungen im Jahre 1955“, der „Bedrohung des Lebens des früheren Präsidenten İsmet İnönü“, der „Organisation von Krawallen zur Zerstörung einer Zeitung“ und der Korruption angeklagt[22] und zusammen mit Celâl Bayar, Fatin Rüştü Zorlu, Hasan Polatkan und elf weiteren Vertretern der früheren Regierung zum Tode verurteilt. Menderes selbst erschien nicht zur Urteilsverkündung, da er durch einen Selbstmordversuch mit Schlaftabletten geschwächt war. 31 seiner Mitangeklagten wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, 133 wurden freigesprochen und die Anklagen gegen fünf Mitangeklagte wurden abgewiesen. Die anderen erhielten unterschiedlich lange zeitlich begrenzte Haftstrafen.

Trotz starken internationalen Drucks beharrte die Junta auf der Vollstreckung des Todesurteils gegen Menderes, die am 17. September 1961 stattfand. Einen Tag zuvor waren Zorlu und Polatkan hingerichtet worden. Die übrigen Todesurteile wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Bayar wurde aus Altersgründen verschont.

Heutige Einschätzung in der Türkei

Das Ansehen, das Menderes in der Türkei heute wieder genießt, wurde in der Vergangenheit besonders von Regierungsseite gefördert. Einige Türken kritisieren ihn jedoch aufgrund der Öffnung der türkischen Wirtschaft für die Weltmärkte oder auf Grund verschiedener autoritärer Handlungen, die er veranlasste. Anderen gilt er als Verfechter der Demokratie. Sein Verhalten zum Pogrom von Istanbul gegen die griechische Minderheit oder die Unterdrückung der Kurden ist dagegen in der Türkei so gut wie kein Thema.

Seit den 1980er Jahren wurden Straßen nach Menderes benannt. Mit einem Staatsakt wurden am 17. September 1990 in Istanbul seine Gebeine sowie die der beiden mithingerichteten Minister in ein speziell für diesen Zweck errichtetes monumentales Mausoleum, das Anit Mezar, überführt. 1987 benannte man den internationalen Flughafen von Izmir nach ihm und gründete 1992 die „Adnan Menderes Üniversitesi. 2006/2007 wurde sein Leben für eine türkische Fernsehserie verfilmt.

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Verteidigungsministerium der Republik Türkei: MSB, März 2008
  2. a b c Norbert Wiggershaus, Winfried Heinemann: Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedstaaten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56489-7, S. 286
  3. a b c Norbert Wiggershaus, Winfried Heinemann: Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedstaaten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56489-7, S. 287
  4. Norbert Wiggershaus, Winfried Heinemann: Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedstaaten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56489-7, S. 289
  5. Norbert Wiggershaus, Winfried Heinemann: Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedstaaten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56489-7, S. 295
  6. a b Norbert Wiggershaus, Winfried Heinemann: Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedstaaten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56489-7, S. 308
  7. a b Schrift der Bundeszentrale für politische Bildung
  8. [Ahmet N. Yücekök, Türkiye’de Örgütlenmiş Dinin Sosyo-Ekonomik Tabanı, Ankara 1971, S. 93]
  9. Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ)
  10. Thomas Seibert: Heikler Jahrestag für Ankara. Antigriechischer Pogrom wird neu aufgearbeitet; in: Der Tagesspiegel vom 7. September 2005 (Artikel zum 50. Jahrestag)
  11. a b Günter Seufert, Christopher Kubaseck: Die Türkei – Politik, Geschichte, Kultur, C.H.Beck Verlag, München 2006, ISBN 3-406-54750-8, S. 162
  12. Human Rights Watch: Greece. The Turks of Western Thrace; 1999; Seite 2, Fußnote
  13. Human Rights Watch-Dokument 1999, Seite 8
  14. Jeanette Choisi: Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3515060545, S. 25
  15. Jeanette Choisi: Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3515060545, S. 226
  16. Jeanette Choisi: Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3515060545, S. 227
  17. [Universität Magdeburg, Jahreschronik http://www.uni-magdeburg.de/uniarchiv/chronik/jahre_welt/1955/12.htm
  18. Klaus Kreiser, S. 423 ff.
  19. Christoph K. Neumann, S. 317 ff.
  20. Günther Deschner: Saladins Söhne, Droemer Knaur, 1983, ISBN 3-426-26098-0, S.109
  21. Martin Strohmeier, Lale Yalçın-Heckmann: Die Kurden, C.H.Beck Verlag, München 2000, ISBN 3-406-42129-6, S. 103
  22. Time-Artikel The verdict, Ausgabe vom 22. September 1961
  23. http://www.quirinale.it/qrnw/statico/onorificenze/decorato.asp?id=32204&ono=11

Weblinks


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