- Die Maßnahme
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Daten des Dramas Titel: Die Maßnahme Gattung: Lehrstück Originalsprache: Deutsch Autor: Bertolt Brecht Musik: Hanns Eisler Erscheinungsjahr: 1930 Uraufführung: 13./14. Dezember 1930 Ort der Uraufführung: Berlin, Haus der alten Berliner Philharmonie Die Maßnahme ist ein Drama von Bertolt Brecht. Wie Der Jasager/Der Neinsager oder Das Badener Lehrstück vom Einverständnis gehört es zu den sogenannten Lehrstücken.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Die Maßnahme entstand in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hanns Eisler aus einer Umarbeitung der Schuloper Der Jasager, die Brecht um 1929/30 nach einer japanischen No-Theater-Vorlage in der Übersetzung von Elisabeth Hauptmann schrieb und zu der Kurt Weill die Musik komponiert hatte. Uraufgeführt wurde das Lehrstück am 13./14. Dezember 1930[1] im Haus der alten Berliner Philharmonie in der Bernburger Straße in einer Nachtvorstellung. Aufgrund heftiger Kritik und Diskussion nach der Uraufführung schrieb Brecht eine zweite Fassung, die Ende 1932 gedruckt wurde.
Titel
Den Titel des Stücks, das Wort: „Maßnahme“, kann man sprachwissenschaftlich verschieden erklären. „Maß“ leitet man semantisch sowohl von mittelhochdeutsch „die maze“ (Zu-, Angemessen, Mäßigung, Art und Weise), als auch „das mez“ (Ausgemessenes, Richtung, Ziel) ab. Der Wortbestandteil „nahme“ wird von dem mittelhochdeutschen semantisch sehr vielfältigen Verb „nemen“ abgeleitet, das wiederum mit altgriechisch „nomos“ (Gesetz, Ordnung, Sitte, Rechtsvorschrift) verwandt ist. „Maßnahme“ bedeutet also sowohl „messen“ als auch „Mäßigung wegnehmen“. Der verbal aggressive bis körperlich gewalttätige Akt „jemanden Maß nehmen/regeln“ wird im Stück bis zum Tod radikalisiert. So stellt sich schon aus den beiden widersprüchlichen semantischen Erklärung des Titels die Frage, ob Die Maßnahme ein maßloses oder ein maßgebendes Stück ist.
Inhalt
Vier kommunistische Agitatoren treten vor den "Kontrollchor" (das Parteigericht), um die Tötung und Auslöschung eines jungen Genossen zu begründen. Dabei spielen sie die Situationen nach, die zu dieser extremen "Maßnahme" geführt haben. Ihre Mission hatte darin bestanden, von Russland aus nach China zu gehen, um dort Propaganda zu betreiben: An der Grenze werden sie von einem ortskundigen Genossen empfangen, der sie im Auftrag der Partei begleiten soll. Die Agitatoren löschen mithilfe von Masken ihre Identität aus und gehen als Chinesen verkleidet über die Grenze. Die gesellschaftlichen Verhältnisse in China sind geprägt von brutalster Ausbeutung und Unterdrückung. Unter anderem werden Menschen als Zugtiere benutzt, da sie aus Sicht der kapitalistischen Ausbeuter rentabler sind als wirkliche Lastentiere. Die Agitatoren gewinnen schnell Anhänger unter der chinesischen Arbeiterschaft und es gelingt ihnen, die Mehrheit für ihre Sache zu begeistern. Der junge Genosse vermag es jedoch nicht, sich in angemessener Weise taktisch zu verhalten: Statt die von den Agitatoren beschlossenen Aktionen durchzuführen, zeigt er immer wieder Mitleid und gefährdet dadurch die Arbeit der Gruppe. Zuletzt reißt er sich die Maske ab. Nach ihrer Entlarvung als fremde Revolutionäre fliehen die Agitatoren und töten den jungen Genossen mit dessen Einverständnis, um nicht selbst von den Chinesen getötet zu werden. Daraufhin setzen sie erfolgreich ihre Arbeit fort. Auch in China "marschiert" schließlich die Revolution. Zurück in Russland müssen sie sich vor einem Parteigericht für die Tötung des jungen Genossen verantworten. Das Stück endet mit einer grundsätzlichen Diskussion, wie weit die Revolution moralische Grundsätze verletzen darf, um Ausbeutung und Unterdrückung wirksam zu bekämpfen.
Stil
Die Maßnahme gehört zu den Lehrstücken. Der Grundgedanke der Lehrstückdramaturgie besteht darin, dass das Spiel nicht an ein Publikum, sondern an die Schauspieler selbst gerichtet ist. Durch die Einnahme verschiedener Haltungen und Gesten sollen sie politisch geschult werden. Zugleich enthalten Text und Musik zahlreiche Verweise auf die Dramaturgie der (bachschen) Passionen. Es gilt als sicher, dass mehrere Werke Lenins Einfluss auf die Problemstellung des Stückes gewannen, so Der Radikalismus - die Kinderkrankheit des Kommunismus. Brecht suchte für sein Stück die Zusammenarbeit mit Arbeiterchören und auch die Kommunikation mit der revolutionären Arbeiterbewegung. Dies unterscheidet Die Maßnahme von früheren Lehrstücken, die an bürgerliche Reformbestrebungen anknüpften.[2]
Rezeption
Die Maßnahme war eines der umstrittensten Werke von Bertolt Brecht, da er in diesem Drama indirekt die (allerdings erst einige Jahre später in vollem Umfang einsetzenden) „Säuberungen“ Stalins in der Sowjetunion auf eine solche Weise behandelte, dass manche darin eine Rechtfertigung der Säuberungspolitik sahen, viele störten sich auch an dem euphemistischen Begriff „Maßnahme“ für die Tötung eines Menschen. Andererseits wurde – vor allem von kommunistischer Seite – kritisiert, dass es sich bei dem Stück – trotz des Konfliktes – um eine sehr schematische Arbeit Brechts handelt. Nach 1945 hat Brecht Aufführungen der Maßnahme untersagt, zugleich aber in einem Gespräch mit Manfred Wekwerth das Stück als Beispiel für das „Theater der Zukunft“ bezeichnet.
In seinem Stück Mauser (1970) greift Heiner Müller die Problematik der Maßnahme auf und spitzt sie inhaltlich und formal zu.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ In einem Interview mit Eisler, übertitelt mit:Das Lied, im Kampf geboren des Berliner Rundfunks im Dezember 1957 spricht Eisler von 1928.
- ↑ B.B.: Ausgewählte Werke in 6 Bänden. Suhrkamp 1997, Bd.2, S.664 ff
Literatur
- Bertolt Brecht: Die Maßnahme. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, ISBN 3-518-12058-1
- Inge Gellert, Gert Koch, Florian Vaßen (Hrsg.): MASSNEHMEN. Kontroverse Perspektive Praxis Brecht. Eislers Lehrstück DIE MASSNAHME, Theater der Zeit. Recherchen 1, Berlin 1998
Weblinks
- „13.12.1930: Das Stück "Die Maßnahme" von Bertolt Brecht und Hanns Eisler wird uraufgeführt“, SWR-Zeitwort, 13. Dezember 2007, herunterladbares Manuskript (RTF-Datei, 7,82 kB), von Frieder Reininghaus
- Universal Edition - Hanns Eisler
- Dirk Pilz: Ändere das Theater, denn es braucht es!. Rezension der Aufführung des Stücks Die Maßnahme in Bergen (Norwegen) 2007
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