Doris Lessing

Doris Lessing

Dame Doris Lessing, CH, DBE (* 22. Oktober 1919 in Kermānschāh, Iran; gebürtig Doris May Tayler) ist eine britische Schriftstellerin. Im Jahr 2007 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur.

Doris Lessing bei einer Lesung auf der Lit.Cologne 2006 in Köln

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Vater war britischer Kolonialoffizier und die Mutter Krankenschwester. Als Doris Lessing geboren wurde, war ihr Vater bei der Imperial Bank of Persia angestellt. 1925 zog Lessings Familie in die britische Kolonie Südrhodesien (heute Simbabwe), wo sie ein hartes Leben auf dem Land führte. Lessing besuchte eine katholische Klosterschule und die Girls High School in der Hauptstadt Salisbury (dem heutigen Harare). Mit vierzehn Jahren brach sie die Schule ab. Das riesige Stück Land brachte keinen Reichtum, so dass ihre Mutter den Traum, ein viktorianisches Dasein „unter den Wilden“ zu führen, aufgeben musste.

Die Autorin erlebte eine schwierige und unglückliche Kindheit, und die Texte der Autorin über das Leben in den britischen Kolonien Afrikas sind voller Mitgefühl mit dem inhaltsleeren Dasein der britischen Siedler wie auch der trostlosen Lage der einheimischen Bevölkerung.

Im Jahr 1939 heiratete sie Frank Charles Wisdom; aus dieser Ehe hat sie zwei Kinder (einen Sohn und eine Tochter). Die Ehe wurde 1943 geschieden, die Kinder blieben beim Vater. In zweiter Ehe heiratete sie 1945 den deutschen Emigranten Gottfried Lessing, mit dem sie einen weiteren Sohn hat (Peter), der nach der Scheidung 1949 bei ihr blieb. Gottfried Lessings Schwester Irene war die Frau von Klaus Gysi und Mutter von Gregor Gysi. Nach ihrer zweiten Scheidung behielt Doris Lessing den deutschen Nachnamen bei.

Ihr erster Roman mit dem Titel The Grass Is Singing (Afrikanische Tragödie) erschien im Jahr 1950 in London nach ihrer Übersiedlung aus Rhodesien.

Literarisches Schaffen

Lessings literarisches Schaffen wird derzeit in drei Perioden eingeteilt:

Nach dem Sufi-Thema beschäftigte sich Doris Lessing mit allen drei Themengebieten.

Rezeption

Ihre „afrikanische Tragödie“ The Grass Is Singing von 1950 gab anhand einer bewegenden und auch die Rassenfrage einbeziehenden Handlung erstmals einem Frauentypus der in Zentral- und Südafrika herrschenden weißen Minderheiten Gesicht und Stimme und fundierte Doris Lessings literarische Reputation.

Ihr Roman The Golden NotebookDas goldene Notizbuch aus dem Jahr 1962 – gilt unter Literaturwissenschaftlern als ihr Hauptwerk. Es handelt sich hierbei um einen Klassiker der Moderne. In dieser hochkomplexen Arbeit, die fünf verschiedene Ebenen kunstvoll miteinander verbindet, stehen zwei politisch engagierte, intellektuelle und emanzipierte „ungebundene Frauen“ im Mittelpunkt. Das Buch hat sowohl fiktionale, autobiografische als auch zu einem kleinen Teil dokumentarische Züge. Doris Lessing schreibt in einer vorher nicht gekannten avantgardistischen und experimentellen Form, subjektiv, ohne lineare Erzählweise.

Die beiden Protagonistinnen gehören zunächst der Kommunistischen Partei an. Die Doppelzüngigkeit von Organisationsdisziplin und der freien, auch zynischen Rede über die stalinistischen Verbrechen außerhalb der Parteiversammlungen, werden eindrücklich geschildert. Die politische Auseinandersetzung, die innere Zerrissenheit und die langsame Ablösung von der Kommunistischen Partei werden auf dem Hintergrund der auch emotionalen Bindung und der kritischen Distanzierung erzählt. Ein weiterer kürzerer Erzählstrang befasst sich mit dem Rassismus in Rhodesien. Doris Lessing will, wie sie schreibt, zeigen, dass jede Generation von Intellektuellen in der Jugend ähnliche Fehler macht und nicht in der Lage ist, die Vergangenheit als Lehrbeispiel zu betrachten.

Ein weiteres, wohl auch autobiografisches Thema, ist der Umgang mit Männern, die – zumeist verheiratet – zu Liebhabern werden, wobei die Frauen Liebe und Sexualität nicht trennen können, die Männer dies jedoch tun. Die Autorin beschreibt überzeugend das innere und äußere Erleben der Protagonistinnen, das Relative ihrer Überzeugungen, die psychologischen Aspekte ihrer Handlungsweisen.

Doris Lessing verbindet in ihrem Roman kunstvoll zur klaren Abgrenzung verschiedener Themenbereiche vier Notizbücher mit der Geschichte der beiden Frauen. Die einzelnen Lebensbereiche werden in eigenen Fragmenten oder Notizen erzählt. Die Autorin schildert weibliche Erfahrungen, wie beispielsweise den weiblichen Orgasmus und die Menstruation, die aus dieser Perspektive vorher noch nicht erzählt worden sind. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit der Verantwortung, die beide Frauen für ihr jeweiliges Kind tragen.

Lessing lässt die Ich-Erzählerin die Notizbücher folgendermaßen voneinander abgrenzen: „Ich führe vier Notizbücher, ein schwarzes Notizbuch, das von Anna Wulf“ (der Protagonistin) „der Schriftstellerin handelt; ein rotes Notizbuch, das Politik betrifft; ein gelbes Notizbuch, in dem ich aus dem, was ich erlebt habe, Geschichten mache; und ein blaues Notizbuch, das den Versuch eines Tagebuchs vorstellt.“

Das Werk wurde häufig als Klassiker des Feminismus bezeichnet. 1982 distanzierte sich jedoch Doris Lessing von dieser Sichtweise in einem Interview mit der New York Times:

„Die Feministinnen verlangen von mir einen religiösen Akt, den sie nicht genauer untersucht haben. Sie wollen, dass ich Zeugnis ablege. Am liebsten möchten sie, dass ich sage: ‚Ich stehe auf eurer Seite, Schwestern, in euerm Kampf für den goldenen Tag, an dem all die brutalen Männer verschwunden sind.‘ Wollen sie wirklich, dass man allzu vereinfachende Aussagen über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen macht? Genau das wollen sie. Mit großem Bedauern bin ich zu diesem Schluss gelangt.“

Später vertiefte sie diese Kritik weiter:

‘It is time we began to ask who are these women who continually rubbish men. The most stupid, ill-educated and nasty woman can rubbish the nicest, kindest and most intelligent man and no one protests.’

„Es ist Zeit, dass wir uns fragen wer diese Frauen sind die fortwährend Männer herabwürdigen. Die dümmste, ungebildetste und widerlichste Frau kann den nettesten, liebenswürdigsten und intelligentesten Mann herabwürdigen und niemand protestiert.“

Fiachra Gibbons: The Guardian, 2001[1]

Auf die Frage, welches ihrer Werke sie selbst als das wichtigste ansehe, nannte Lessing die Romane des Zyklus Canopus in Argos. Diese Bücher gründen sich zum Teil auf die Weltsicht der Sufis bzw. des Sufismus, zu der Lessing auf Vermittlung von Idries Shah gelangte. Auch schon frühere Werke zeigen einen Anklang an dieses Thema, beispielsweise Briefing for a Descent into Hell und Memoirs of a Survivor. Zwei Bücher des Zyklus' wurden von Philip Glass als Oper adaptiert: 1988 The Making Of The Representative of Planet 8 und The Marriages between Zone Three, Four and Five 1997, wobei Lessing selbst die Bühnenfassungen schrieb.

Verschiedene Kritiker vergleichen Doris Lessing mit Virginia Woolf und nennen sie die beiden großen Frauen der englischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Andere, wie der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, zeigen sich enttäuscht über die Vergabe des Literaturnobelpreises an Doris Lessing.[2]

Am 11. Oktober 2007 gab die Schwedische Akademie ihren Beschluss bekannt, „der Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen“ habe, den Nobelpreis für Literatur des Jahres 2007 zuzuerkennen.[3]

Werke (Auswahl)

Auszeichnungen

Literatur

  • Usch Kiausch: Ein Gespräch mit Doris Lessing, in: Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 1990, Wilhelm Heyne Verlag München, ISBN 3-453-03905-X, S 127–130.
  • Usch Kiausch: Ein Gespräch mit Doris Lessing, in: Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 1999, Wilhelm Heyne Verlag, München, ISBN 3-453-14984-X, S. 731–743.
  • Elke Schmitter: Doris Lessing: Im Haupt- und Nebenwiderspruch, in: Leidenschaften. 99 Autorinnen der Weltliteratur, München 2009, S. 306–310, ISBN 978-3-570-01048-8

Weblinks

 Commons: Doris Lessing – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. The Guardian: Lay off men, Lessing tells feminists, 14. August 2001. Abgerufen am 6. November 2010
  2. Reich-Ranicki im Handelsblatt
  3. Deutschsprachige Pressemitteilung vom 11. Oktober 2007 der Schwedischen Akademie
  4. Doris Lessing: Awards. Abgerufen am 7. Juli 2010 (englisch).

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