Edo-Ära

Edo-Ära
Karte Japans von 1707
Nijubashi des alten Edo

Als Edo-Zeit (jap. 江戸時代, Edo jidai) wird der Abschnitt der japanischen Geschichte von 1603 bis 1868 bezeichnet, benannt nach dem damaligen Namen der Hauptstadt, Edo. Er beinhaltet die längste ununterbrochene Friedensperiode eines Landes in der Neuzeit weltweit.

Die letzte Phase der Edo-Zeit, die Jahre von 1853 bis 1867, war von so vielen Umbrüchen gekennzeichnet, dass sie oft als eigene Zwischenepoche, als Bakumatsu bezeichnet wird. Der japanische Begriff bedeutet übersetzt „Ende des Shōgunats“. Sie reicht von der Ankunft der „schwarzen Schiffe“ von Commander Perry 1853 bis zur Rückgabe der Herrschaft vom Shōgun an den Tennō 1867, der sogenannten Meiji-Restauration.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Nach der blutigen Einigung Japans unter seinen Vorgängern Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi verlegte Shōgun Tokugawa Ieyasu 1603 die neue Hauptstadt weit weg vom Kaiserhof in Kyōto, um den politischen Einfluss des japanischen Kaisers auf ein Minimum zu reduzieren. Er errichtete den Sitz seiner Regierung, des Bakufu, in dem damals unbedeutenden Fischereihafen Edo (heute Tōkyō). Um die Stabilität des frisch geeinten Reiches zu sichern, ersann der Shōgun ein komplexes Machtgleichgewicht.

Beschränkungen für die Fürsten

Die Daimyō (Fürsten) wurden in drei Gruppen aufgeteilt: In Verwandte des Tokugawa-Klans, solche, die in der Schlacht von Sekigahara (22. Oktober 1600) auf der Seite Tokugawa Ieyasus gestanden hatten, und in ehemalige Gegner. Das vom Tokugawa-Shogunat direkt regierte Gebiet, Tenryō bzw. bakufuryō genannt, setzte sich aus den besten Provinzen der besiegten Feinde zusammen. Die Provinzen wurden so eingeteilt, dass zwischen dem jeweiligen Tenryō der Tokugawa und potenziellen Gegnern immer ein Verbündeter seine Besitzungen hatte. In jeder Provinz durfte nur eine Burg stehen, alle anderen wurden abgerissen.

Die Daimyō wurden gezwungen, die Hälfte des Jahres in der neuen Hauptstadt zu verbringen, und ihre Familien durften Edo überhaupt nicht verlassen. Diese Praxis, das so genannte Sankin kōtai, wurde 1635 gesetzlich fixiert und blieb bis 1862 in Kraft. Die doppelte Hofhaltung verschlang gewaltige Geldmittel, die die Daimyō somit nicht zur Finanzierung eines möglichen Aufstands nutzen konnten.

System der vier Stände

Die Bevölkerung wurde in vier Stände eingeteilt: An unterster Stelle waren die Händler, die zwar den reichsten Stand darstellten, aber im Konfuzianismus nicht viel galten, weil sie „lediglich verteilen, was andere erarbeiten“. Dann kamen die Handwerker und darüber die Bauern. Die Samurai, der Schwertadel, wurden als oberster Stand von Kriegsherren zu Beamten, die das Land verwalteten und Steuern in Form von Reis eintrieben. Oberhalb des Ständesystems standen die Kuge, Angehörige des Hofes in Kyōto, die jedoch auf ihre zeremonielle Rolle reduziert waren und keine eigentliche Macht hatten. Aus dem Ständesystem ausgeschlossen waren die so genannten Burakumin, auch eta bzw. hinin genannt. Darunter fiel fahrendes Volk, Prostituierte und Berufe, die nach dem Shintoismus und Buddhismus als unrein galten (Metzger, Totengräber).

Um die Bauern zu befrieden, wurden alle Schwerter konfisziert, und nur die Samurai durften Waffen tragen, die länger als ein Kurzschwert waren. Die Schusswaffen, die von den Europäern nach Japan gebracht worden waren, wurden verboten und zerstört.

Verbot des Christentums

Um den Buddhismus als Machtpfeiler zu stärken, wurde das Christentum 1612 zuerst im Tenryō-Gebiet und 1615 dann in ganz Japan verboten. Alle einfachen Japaner mussten Gemeindemitglieder einer buddhistischen Tempelgemeinde werden.

Alle ausländischen Missionare (überwiegend Spanier und Portugiesen) wurden des Landes verwiesen. Japanische Christen wurden gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören. Wer sich weigerte, wurde getötet, Apostaten blieben am Leben. In beiden Fällen wurde die gesamte Familie sieben Generationen lang mithilfe des Familienstammbuchs scharf überwacht.

Zwar existierte in Nagasaki im Verborgenen weiterhin eine nach außen völlig isolierte christliche Gemeinde (die Kakure Kirishitan), das Christentum wurde in Japan aber erst 1873 während der Meiji-Zeit wieder offiziell zugelassen.

Abschließung Japans

Chinesische Dschunke in Japan (Holzschnitt um 1650)

Der Außenhandel stellte einen potenziellen Machtfaktor insbesondere für die Daimyō auf der Insel Kyūshū dar, die in der Vergangenheit oft Gegner der Zentralregierung gewesen waren. Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges in Europa (1618–1648) befahl das Tokugawa-Shogunat ab Mitte des 17. Jahrhunderts die Isolierung Japans vom Ausland, eine Politik, die als Abschließungspolitik bezeichnet wird. Nur noch Vertreter des Kaiserreiches China und der Niederländischen Ostindien-Kompanie hatten das Recht, sich auf japanischem Boden aufzuhalten, alle übrigen Ausländer wurden verfolgt und getötet.

Die protestantischen Holländer grenzten sich von den katholischen Spaniern und Portugiesen ab und verwiesen darauf, nicht zu missionieren. Im Hafen von Nagasaki wurde in den 1630er-Jahren die künstliche Insel Dejima aufgeschüttet, auf der eine holländische Kolonie entstand. Die Holländer durften diese Insel nicht verlassen, und pro Jahr durfte nur ein einziges Schiff die Insel anlaufen.

Trotz der Abschottung herrschte ein reges Interesse am Westen, und die auf Dejima ansässigen Holländer lieferten den Japanern auf Bestellung regelmäßig Bücher mit westlichem Wissen, das eifrig studiert wurde (Rangaku). So entstand in Japan ein umfangreiches, in Teilen aber auch verzerrtes Bild von Europa.

Wirtschaftliche Entwicklung

Trotz der Isolation nach außen blühte die japanische Wirtschaft in der Edo-Zeit auf. Nach Jahren der kriegerischen Verwüstung stand für die Daimyō nun statt der Eroberung von Land die Entwicklung der eigenen Provinz im Vordergrund. Da ihre Steuerabgaben an die Zentralregierung festgelegt waren, konnten sie ihren eigenen Reichtum vermehren, indem sie Land urbar machen ließen und den Ertrag der Felder steigerten.

Im Laufe der Edo-Zeit begann ein vermehrter Transport von Handelswaren, ein bedeutender Anstieg des Inlands- und zunächst (bis zur Abschließung) auch Auslandshandels und eine Verbreitung von Handels- und Handwerksunternehmen. Feudal-Clans verwalteten in zunehmendem Maße die steigende landwirtschaftliche Produktion und die bäuerlichen Tätigkeiten.

Das Einsetzen einer starken Verstädterung führte dazu, dass Mitte des 18. Jahrhunderts in Edo über eine Million Menschen lebten und Ōsaka und Kyōto jeweils mehr als 400.000 Einwohner hatten. Andere Städte mit Herrscherburgen wuchsen ähnlich rasch. Ōsaka und Kyōto entwickelten sich zu geschäftigen Handels- und Handwerkszentren, während Edo zum Zentrum für die Versorgung mit Nahrungsmitteln und wichtigen städtischen Verbrauchsgütern wurde.

Die eigentlichen Gewinner des Wirtschaftsaufschwungs waren nicht die Daimyō, sondern ein weit niedrigerer Stand, nämlich die Händler (z. B. die Mitsui-Familie). Die Samurai hatten nur ein Grundvermögen in Naturalien und mussten den erwirtschafteten Reis verkaufen, um ihren (teilweise ausschweifenden) Lebensstil finanzieren zu können. Viele Fürsten verschuldeten sich bei den Händlern. Das Shōgunat ließ diese Schulden allerdings regelmäßig annullieren, was wiederum dazu führte, dass die Händler die Leihzinsen von vornherein hoch ansetzten.

Viele Bankhäuser entstanden, oft gegründet von Sake-Brauern. Im Handwerk entwickelte sich ein spezialisiertes, vorindustrielles Manufakturwesen. Durch diese Vorbedingungen war es Japan möglich, sich nach der Öffnung schnell zu industrialisieren.

Geistige Strömungen

Wakizashi-Schwert aus der Edo-Zeit

Das Aufblühen des Neo-Konfuzianismus war die hauptsächliche geistige Entwicklung in der Edo-Zeit. Die Lehren des Konfuzius wurden zwar lange durch buddhistische Geistliche lebendig gehalten, aber während der Edo-Zeit löste sich der Konfuzianismus von der buddhistischen religiösen Kontrolle. Dieses Denksystem legte eine immer weltlichere Sicht auf die Menschen und die Gesellschaft. Die ethische, humanistische, rationale und historische Perspektive der neo-konfuzianistischen Doktrin wurden immer ansprechender für die herrschende Klasse. Mitte des 17. Jahrhunderts war der Neo-Kunfuzianismus in Japan die vorherrschend gültige Philosophie und trug direkt zur Entwicklung der Kokugaku-Denkschule bei.

Fortgeschrittene Studien und wachsende Anwendung des Neo-Konfuzianismus trugen zum Übergang der sozialen und politischen Ordnung von feudalen Normen zu Praktiken bei, welche sich an Klassen und größeren Gruppen orientierten. Die Herrschaft des Volkes bzw. der Vertreter des Konfuzianismus wurden allmählich durch Rechtsstaatlichkeit ersetzt. Neue Gesetze wurden entwickelt und neue administrative Instrumente eingesetzt. Eine neue Theorie der Regierung und neue Visionen der Gesellschaft dienten zur Rechtfertigung der steigenden Machtfülle des Bakufu (Militärregierung). Jede Person hatte einen bestimmten Platz in der Gesellschaft und sollte arbeiten, um ihre Mission im Leben zu erfüllen. Das Volk wurde mit Güte von jenen regiert, deren Pflicht es war zu herrschen. Die Regierung war allmächtig, aber verantwortungsbewusst und human. Obwohl das Klassensystem durch den Neo-Konfuzianismus beeinflusst wurde, war es nicht identisch mit ihm. Während Militär und Geistlichkeit im chinesischen Modell ganz unten standen, bildeten einige von ihnen in Japan die herrschende Elite.

Mitglieder der Samurai-Klasse befolgten die Traditionen der Bushi mit einem neuen Interesse an japanischer Geschichte und an der Kultivierung der Wege der konfuzianischen Lehrmeister, so dass das Konzept des Bushidō („Weg der Krieger“) entwickelt wurde. Ein anderer besonderer Lebensweg – der Chōnindō (町人道, dt. „Weg der Bürger“) – entstand ebenfalls. Chōnindō war vornehmlich eine Kultur, die in Städten wie Ōsaka, Kyōto und Edo entstand. Es ermutigte zum Streben nach den Qualitäten des Bushidō - Fleiß, Ehrlichkeit, Ehre, Loyalität und Genügsamkeit - wobei Überzeugungen des Shintō, Neo-Konfuzianismus und Buddhismus mit einflossen. Studien von Mathematik, Astronomie, Kartographie, Ingenieurwesen und Medizin wurden ebenfalls gefördert. Auch erschienen während der Edo-Zeit zahlreiche Rechenbücher, darunter so einflussreiche wie das Jinkōki des Yoshida Mitsuyoshi. Besonderer Wert wurde auf die Qualität der Arbeitsausführung gelegt, besonders in der Kunst. Zum ersten Mal hatte die Stadtbevölkerung die Mittel und Freizeit, eine neue Massenkultur zu fördern. Ihre Suche nach Vergnügen wurde als Ukiyo (浮世, dt. „fließende Welt“), eine ideale Welt für Mode und volkstümliche Unterhaltung, bekannt. Professionelle weibliche Unterhalter (Geishas), Musik, berühmte Geschichten, Kabuki und Bunraku (Puppentheater), Dichtung und Kunst, zum Beispiel die Holzblockdrucke Ukiyo-e, waren alle Teil dieser aufblühenden Kultur. Die Literatur gedieh ebenfalls, beispielsweise in den Werken des Dramatikers Chikamatsu Monzaemon (1653–1724) oder in den Haikus des Essayisten und Reiseschriftstellers Matsuo Basho (1644–1694).

Buddhismus und Shintō waren beide immer noch wichtig im Tokugawa-Japan. Sie gaben, kombiniert mit Neo-Konfuzianismus, Standards für das soziale Verhalten vor. Obwohl nicht mehr so mächtig wie in der Vergangenheit, war der Buddhismus mit den oberen Klassen vermählt. Von der Ächtung des Christentums profitierte er 1640, als das Bakufu jeden anwies, sich bei einem Tempel zu registrieren. Die strikte Trennung der Tokugawa-Gesellschaft in Lehnsgüter (Han), Dörfer, Stadtbezirke und Haushalte stärkte die Bindung zum örtlichen Shintō. Der Shintō sorgte für spirituelle Unterstützung der politischen Ordnung und war ein wichtiges Band zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Auch half er ein Nationalbewusstsein zu erhalten.

Schließlich nahm der Shintō eine geistige Form an, die von neo-konfuzianistischem Rationalismus und Materialismus geprägt wurde. Die Kokugaku-Bewegung entstammt diesen beiden Glaubenssystemen. Kokugaku trug zum kaiserzentrierten Nationalismus des modernen Japan und des Wiederauferstehens des Shintō als Nationalglaubensbekenntnis im 18. und 19. Jahrhundert bei. Die Kojiki, Nihongi und Man'yoshu wurden auf der Suche nach dem japanischen Geist von neuem studiert. Einige Puristen in der Kokugaku-Bewegung kritisierten selbst die konfuzianistischen und buddhistischen Einflüsse wegen ihrer Kontaminierung der antiken japanischen Wege aufgrund ihrer eigentlich ausländischen Herkunft. Japan war das Land der Kami (Götter) und hatte deswegen ein besonderes Schicksal.

Wissen über den Westen war in der frühen Edo-Zeit beschränkt auf eine kleine Denkschule namens Rangaku. Sie war hauptsächlich in Nagasaki ansässig, wo sich der niederländische Außenposten auf der Insel Deshima befand.

Besondere Ereignisse in der Edo-Zeit

Literatur

  • W. G. Beasley: The Meiji Restoration. Stanford, California: Stanford University Press 1972, ISBN 0-8047-0815-0
  • Jared Diamond: Collapse: How Societies Choose to Fail or Succeed. New York: Penguin Books 2005, ISBN 0-14-303655-6
  • Lewis, James Bryant. (2003). Frontier Contact Between Choson Korea and Tokugawa Japan. London: Routledge. 10-ISBN 0-700-71301-8

Weblinks


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