Agrarfliegerei

Agrarfliegerei
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Die Agrarfliegerei beschäftigt sich in der Landwirtschaft neben der Schädlingsbekämpfung, wobei Insektizide vom Flugzeug aus versprüht werden, mit der Ausbringung von Mineraldünger, dem Pflanzenschutz, der Flüssigdüngung und der Aussaat. Besonders die Kalkung der durch den sauren Regen stark angegriffenen Wälder mittels Hubschrauber und Agrarflugzeugen hat in den letzten Jahren in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Vögel können im Obstanbau auch durch das Flugzeug selbst (siehe Bekämpfung der Stare) vergrämt werden.

Aus der Vogelperspektive stellt sich manches deutlich dar, was vom Boden aus nur schwer erkennbar ist. Mit Infrarotkameras lassen sich bei einer lückenlosen Erfassung Luftbilder machen, die Waldschäden dokumentieren. Man kann die Ausmaße eines Hochwassers erfassen, aber auch Wildschäden oder Erosion in Kornfeldern erkennen.

Agrarpiloten sind eher eine Randgruppe in der Fliegerei. Im westlichen Europa ist Pflanzenschutz mittels Flugzeugen bis auf die Waldkalkung eher unüblich, da auch erhebliche Umweltschäden und Kollateralschäden mit verursacht werden. Speziell in Gegenden mit hoher Windhäufigkeit ist es nahezu unmöglich, nur die beauftragten Flächen aus dem Flugzeug heraus zu besprühen, auch wenn besonders niedrig (in weniger als 1 Meter Flughöhe) geflogen wird. Abgesehen davon können Windschutzgürtel, dichtere Besiedlung mit relativ kleinen Ackerflächen und Überlandleitungen das kontinuierlich tiefe Fliegen behindern. In den Ländern des ehemaligen Ostblocks sowie in den USA wird diese Art der Behandlung von landwirtschaftlichen Flächen auf den dort vorhandenen riesigen Feldern noch häufig durchgeführt.

Eine besondere Anwendung ist die Verwendung von Agraflugzeugen in Südamerika, um Drogenfelder unbrauchbar zu machen. Im Vietnamkrieg wurden Sprühflugzeuge von amerikanischer Seite benutzt, um mit Agent Orange Wälder zu entlauben, wobei aufgrund von Verunreinigungen schwere Krankheiten auftraten.

Inhaltsverzeichnis

Bekämpfung der Stare

Eine Besonderheit in der Agrarfliegerei, welche ohne Giftstoffverbreitung vorgenommen wird, ist die Starbekämpfung mittels Flugzeugen, die europaweit nur im burgenländischen Seewinkel (Burgenland/Österreich) betrieben wird. Dabei beauftragen die örtlichen Weinbauvereine spezialisierte Firmen, die dann mit ihren Kleinflugzeugen in wenigen Metern Höhe über die Weingärten fliegen und so die Stare zum Auffliegen bringen. Ein einmal aufgescheuchter Schwarm wird (je nach Geschicklichkeit des Piloten) bis zu einer Stunde in der Luft gehalten und durch den Wind und die eigene Vorwärtsbewegung bei der Flucht in ein anderes Gebiet versetzt. Die Vögel kehren erst langsam zu ihren verlassenen Futterquellen zurück. Ein Vogelschwarm kann bis zu einigen 100.000 Vögel groß sein und sich über eine Länge von mehreren Kilometern erstrecken. Ein solcher Schwarm kann in weniger als einer Stunde einen durchschnittlichen Weingarten leer fressen.

Verspannte Drähte und Leitungen, Vogelscheuchen, Bäume und Masten bilden gefährliche Hindernisse für die Agrarflieger. Die geringe Flughöhe von einigen Metern reicht bei technischen Problemen oft nicht für das Erreichen einer Notlandemöglichkeit. Winde und Turbulenzen machen besonders den Starfliegern das Leben schwer. Die Zeit von Anfang August bis Ende Oktober stellt die Hauptsaison für diese Art der Schädlingsbekämpfung dar, je nach Wetterlage und Reifegrad der Trauben. Die Weinlese oder der Abzug der Stare (Zugvögel) beenden jedenfalls die Jagd. Die Flugzeuge vertreiben die Vögel nur, sie fliegen keinesfalls in sie hinein. Das wäre wegen der Schnelligkeit der Bewegungsänderungen von Vögeln im Vergleich zum Flugzeug auch nur zufällig möglich und ist gar nicht erwünscht, da es das Ziel des „Starfighters“ ist, den Schwarm beisammen zu halten und nicht zu teilen.

Geschichte

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg gab es Überlegungen, Fluggeräte für das Ausbringen von Schädligsbekämpfungsmitteln zu nutzen. 1910 wurde in einer Agrarfachzeitschrift von Dr. A. Carl der Vorschlag unterbreitet, kleine Luftschiffe für solche Einsätze zu entwickeln. Dieser Vorschlag wurde von dem Oberförster Alfred Zimmermann aus Detershagen bei Magdeburg aufgegriffen. Zimmermann wandte sich an die Luftschiff-A. G. in Ludwigshafen, die sich bereit erklärte, für diese Versuche das Luftschiff „Hansa“ zur Verfügung zu stellen. Das Vorhaben scheiterte letztendlich am Widerstand der preußischen Forstverwaltung, die die benötigten 500 RM zum Kauf von Kalkarsen nicht bewilligen wollte. Am 29. März 1911 meldete Zimmermann gegen eine Gebühr von 97 Mark in der Patentschrift Nr. 247028 ein Verfahren zur Vernichtung der Nonnenraupe und anderer Waldschädlinge durch „Besprengen der Bäume von oben, und zwar unter Verwendung eines Luftfahrzeuges“ an, welches ihm auch am 17. Mai 1912 ausgegeben wurde. Die mangelhafte Flugsicherheit und geringe Nutzlast der damaligen Flugzeuge verhinderten aber praktische Versuche. Zimmermanns Idee aufgreifend, wurde vom Luftschiffbau Zeppelin im Frühjahr 1914 die Verwendbarkeit von Luftschiffen untersucht. Die dazu durchgeführten Flüge waren jedoch nicht erfolgreich, da eine konstante Einhaltung der zur Ausbringung des Schutzmittels erforderlichen Höhe von 10 bis 20 Metern aufgrund der ständigen Luftbewegung nicht möglich war. Schließlich unterbrach der Erste Weltkrieg alle diesbezüglichen Anstrengungen.

Nach Kriegsende wurde Zimmermanns Idee in den USA aufgegriffen und 1918/18 erstmals Flugzeuge zur Bekämpfung von Schädlingen bei Reno eingesetzt. 1921 fand bei Troy im US-Bundesstaat Ohio die Bekämpfung von Catalpa-Schädlingen mit Bleiarsen statt. Die Sowjetunion entwickelte 1923 mit der Konek-Gorbunok ihr erstes Agrarflugzeug, das hauptsächlich zur Heuschreckenbekämpfung eingesetzt und ab 1929 von der in großen Massen eingesetzten U-2 abgelöst wurde. 1923 wurde unter Vorsitz von W. F. Boldyrew bei Chodynk erstmals eine Besprühung von Agrarflächen durch Flugzeuge durchgeführt. In Deutschland wurden von der Aero Lloyd unter Leitung des Biologen Max Wolff am 22. Mai 1925[1] erstmals Sprühversuche mit umgerüsteten Fokker Grulich bei Eberswalde durchgeführt. Noch im selben Jahr begannen regelmäßig Agrarflüge zur Bekämpfung von Baumschädlingen (Kiefernspanner und Nonne) und bis Jahresende wurden 2950 Hektar Waldfläche bearbeitet. Führend zeigte sich auf diesem Gebiet bald die Firma Junkers mit umgebauten F 13 und W 33. Bis 1928 wurden von diesen beiden Typen 70 Flugzeuge zur Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln eingesetzt, aber auch die Fokker Grulich blieb ein oft genutztes Muster. 1927 entwickelten die Caspar-Werke mit der C 32 das einzige als Sprühflugzeug ausgelegte Modell in Deutschland. Es konnte sich jedoch nicht durchsetzen und blieb ein Prototyp.[2] Ab 1936 wurden sämtliche agrarfliegerischen Aktivitäten dem „Fliegerforstschutzverband“ unterstellt.[3] im gleichen Jahr wurde durch das Reichsforst- und Luftfahrtministerium das der Luftwaffe unterstehende „Flugkommando Berlin-Tempelhof“ aufgestellt. Diese Einheit war anfangs mit sechs umgerüsteten Do 23 ausgerüstet und wurde später auf über 60 Flugzeuge der Typen Fw 58 Weihe, Fi 156 Storch und Hs 126 aufgestockt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Entwicklung von speziellen Flugzeugen, vor allem in der UdSSR und den USA, die beide über ausgedehnte Agrarflächen verfügten, vorangetrieben. Vorerst fanden noch ausgemusterte Militärflugzeuge Verwendung. Ab 1947 erfolgte der Einsatz des Doppeldeckers An-2, der sich bewährte und teilweise noch heute im Einsatz steht. Ihr westliches Gegenstück, wenn auch in bedeutend geringeren Stückzahlen gebaut, ist die Piper Pawnee. Auch Hubschrauber kamen ab Anfang der 1950er Jahre zum Einsatz, einer der ersten war die Mi-1. Nach einer Ende der 1970er Jahre durchgeführten UNO-Studie standen weltweit etwa 26000 Agrarflugzeuge- und hubschrauber im Einsatz, mit denen eine Fläche von 255 Millionen Hektar, also etwa fünf Prozent der damaligen genutzten Flächen, bearbeitet wurde.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Claus Märten: Das Landwirtschaftsflugwesen-gestern, heute, morgen (Flieger-Jahrbuch 1970), transpress, Berlin, 1969, Seite 93–106
  • D.A. Campbell: Some observations on Top dressing in New Zealand, New Zealand Journal of Science and Technology Volume X, 1948
  • Ewing, Ross and MacPherson, Ross: The History of New Zealand Aviation, Heinemann, 1986
  • Geelen, Janic: The Topdressers NZ Aviation Press. Te Awamutu, 1983
  • Ministry of Agriculture and Fisheries: Topdressing Government Press, Wellington, 1973

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinz A. F. Schmidt (Hrsg.) 1911–1961 – Flugzeuge als land- und forstwirtschaftliche Arbeitsmittel in Flieger-Jahrbuch 1962. Transpress, Berlin 1961, S. 37
  2. Detlef Billig, Jörg Mückler: Zur Historie des Agrarfluges in Flieger Revue Extra Nr. 7. Möller, Berlin 2004. ISSN 0941/889X. S. 7
  3. Walter Britt: Agrarflug in Flieger Revue 3/72, S, 128–132
  4. Flieger Revue 10/1982, S. 478

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