Energiewirtschaft Litauens

Energiewirtschaft Litauens

Der Artikel Energiewirtschaft Litauens beschreibt die Lage der Energiegewinnung, des Energiehandels, des Energieverbrauchs und der Energiereserven in Litauen.

Das EU-Mitglied Litauen weist als ehemaliger Teilstaat der Sowjetunion (bis 1990) eine besondere Situation in der Energiegewinnung auf. Dreh- und Angelpunkt war das Kernkraftwerk Ignalina, das in den Jahren 1977 - 1985 (Blöcke 1 und 2) gebaut wurde und für die Energieversorgung im gesamten Nordwesten der Sowjetunion vorgesehen war. Seine von der EU im Rahmen der Beitrittsverhandlungen verfügte Stilllegung zum 31. Dezember 2009 macht aus dem Atomstrom-Exporteur einen Importeur, der zum jetzigen Moment stark auf Lieferungen fossiler Brennstoffe oder Stroms aus Russland und Weißrussland angewiesen ist. Entsprechend hoch ist die politische Brisanz der Energieversorgung in Litauen.

Inhaltsverzeichnis

Gesamtenergiemarkt

Litauen hatte 2006 einen Primärenergieverbrauch von 8,6 Millionen Tonnen Öläquivalent (mtoe). Das sind etwa 2,5 Tonnen pro Kopf im Vergleich zu etwa 6,1 Tonnen pro Kopf in Deutschland. Bei einem Import von 12,2 mtoe und einem Export von 6,5 mtoe Primärenergie werden also fast zwei Drittel des heimischen Verbrauchs im Ausland gedeckt. Dabei macht Erdöl einen Anteil von 71 % und Erdgas von 20 % aus, der Rest verteilt sich unter anderem auf Erdölerzeugnisse (4 %) und feste Brennstoffe (2 %).

Der größte Teil des importierten Erdöls (über drei Viertel) wird von der Raffinerie Mažeikių Nafta zu Erdölprodukten verarbeitet und wieder exportiert; 0,13 mtoe Erdöl werden unveredelt exportiert. Somit werden etwa 4,5 mtoe importiertes Erdöl und Erdgas in Litauen selbst verbraucht.

Primärenergieverbrauch Litauens nach Energiequellen
(in mtoe / Prozent vom Gesamtverbrauch)
Energiequelle 2006
Erdöl 2,69 / 31,3
Erdgas 2,45 / 28,5
Atomkraft 2,29 / 26,6
Holz / Holzabfälle 0,73 / 8,5
Wasserkraft 0,18 / 2,1

Quelle: Energiewirtschaft Litauen 2007/2008, Publikation der Germany Trade & Invest Agentur, veröffentlicht am 1. Juli 2008

Verbraucher

Der Energieverbrauch in Litauen teilt sich in etwa gleich große Anteile von privatem Verbrauch und Industriebetrieben, sowie an Institutionen der Öffentlichen Hand. Die größten Stromverbraucher in der Industrie waren im Jahre 2000 die Erdölraffinerie Mažeikių Nafta (Jahresverbrauch 0,5 TWh), der Chemiekonzern (vor allem Düngemittelherstellung) Achėma (0,23 TWh) und der Bildröhrenhersteller Ekranas (0,12 TWh; 2005 in Konkurs gegangen).

Energiereserven

Litauen ist arm an fossilen Brennstoffen. Lediglich im Westen Litauens und vor der Küste in der Ostsee gibt es gesicherte Erdöl- und Erdgasvorkommen in geringen Mengen. 2009 wurden in Litauen 6.333 Barrel Erdöl täglich gefördert bei einem Verbrauch von 74.000 Barrel. Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte 2009 etwa 2.437.000 Barrel täglich, Polen 545.500 und Weißrussland 173.000 Barrel. Eine Förderung von Erdgas findet nicht statt, zwar enthält fast jede Ölquelle auch Erdgas, aufgrund der geringen Fördermenge wäre die Errichtung der nötigen Infrastruktur jedoch (extrem) unwirtschaftlich. An dieser Situation wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern, womit Litauen sehr abhängig von Importen und den jeweiligen Preisschwankungen bleibt.


Erdgas

Leitungsnetz

Das Gasleitungsnetz wird mit Ausnahme eines kleinen Gebiets im Süden des Landes vom ehemals staatlichen Gasversorger Lietuvos dujos betrieben. Es besteht aus 1.800 km Hauptleitungen und 7.500 km regionaler Leitungen. Das Gerüst des Netzes bilden zwei Ost-West-Magistralen - eine von Weißrussland über Vilnius und Kaunas nach Kaliningrad in Russland, die andere von Panevėžys Šiauliai nach Klaipėda - , die von einer Nord-Süd-Magistrale verbunden werden (von Lettland kommend über Panevėžys nach Vilnius). Über Stichleitungen sind so gut wie alle größeren Städte Litauens an die Gasversorgung angeschlossen, die Ausnahme bildet das Memelland (siehe nach stehend). Der äußerste Süden des Landes wird über das weißrussische Netz versorgt, das das Unternehmen UAB Haupas betreut (0,6% des Gasimports im Jahre 2007) [1].

Lietuvos dujos muss das Leitungsnetz anderen Anbietern zur Verfügung stellen. Für die Preise für die Nutzung des Leitungsnetzes legt die Staatliche Preiskommission VKEKK Höchstgrenzen fest, die jährlich neu verhandelt werden. Dafür muss Lietuvos dujos die Funktionsfähigkeit des Netzes gewährleisten und in die Modernisierung investieren. Wichtigstes Projekt der jüngsten Zeit war der Bau einer Gaspipeline von Šakiai nach Klaipėda und damit der Anschluss des Memellandes an das litauische Gasnetz.

Handel

Den Handel mit Erdgas wickeln in Litauen im Wesentlichen die beiden Firmen Lietuvos dujos (der ehemalige staatliche Erdgasversorger) und Dujotekana ab. Lietuvos dujos versorgt dabei 99% der litauischen Privathaushalte (Stand 2007). Außerdem treten das Unternehmen Achėma (27%) und das Heizkraftwerk Kaunas (10%) als Gasimporteure auf, allerdings nur für den Eigenverbrauch. Lieferant des Gases ist zu 100% der staatliche russische Gasversorger Gasprom, das Gas wird über eine Pipeline aus Weißrussland bzw. Lettland importiert. Insgesamt betrug der Import 2007 3,6 Milliarden und lag damit deutlich über den Vorjahreswerten. Grund war der stark gestiegene Gasverbrauch der Düngemittelfirma Achėma (siehe Verbrauch). Lietuvos dujos transportierte 2007 darüber hinaus 1,2 Milliarden m³ durch das eigene Leitungsnetz von Weißrussland nach Kaliningrad. Das war nur ein leichter Anstieg im Vergleich zu 2006, aber mehr als doppelt so viel wie 2003 [2].

Versorger im litauischen Gasmarkt
(in Prozent vom Gesamtverbrauch)
Versorger 2002 2006 2007
Gesamtimport (in Mrd. m³) 2,68 3,01 3,56
Transit nach Kaliningrad (in Mrd. m³) 0,57 1,20 1,22
Lietuvos Dujos 22 46 39
Dujotekana - 17 13
Achėma 28 27 39
Kauno TE - 10 8

Verbrauch

Der Gasverbrauch in Litauen kann in Abhängigkeit vom Bedarf der Industrie stark schwanken. 1996 - 2002 lag er zwischen 2,2 Mrd. m³ (1998; Rezession aufgrund der Rubelkrise in Russland) und 2,6-2,7 Mrd m³ (1996, 2001, 2002). Die gute Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre hat den Verbrauch deutlich steigen lassen, er lag 2006 bei 3,1 Mrd. m³ und 2007 sogar bei 3,7 Mrd. m³. Letzterer Anstieg wurde vor allem durch die gesteigerte Nachfrage des Düngemittelproduzenten Achėma hervor gerufen. Gas wird in Litauen in erster Linie von Kraftwerken verbraucht (Heizkraftwerke in Kaunas und Vilnius), 2006 waren es 50% des Gesamtverbrauchs; 37% werden von der Industrie abgenommen und nur 6% von Privathaushalten [3].

Gasverbrauch in Litauen
(in Prozent vom Gesamtverbrauch)
Branche 2002 2006 2007
Gesamtverbrauch (in Mrd. cm³) 2,7 3,1 3,7
Kraftwerke 51 50 40
Düngemittelproduktion 28 27 40
sonstige Industrie 12 10 11
Privathaushalte 5 6 5

Liberalisierung

Der Gasmarkt Litauens ist praktisch seit der wieder erlangten Unabhängigkeit frei zugänglich. Seit 1992 können Verbraucher den Gaslieferanten frei wählen, der einstige staatliche Gasversorger Lietuvos dujos muss den Transport und die Verteilung gewährleisten, die staatliche Preiskommission legt die Preise dafür fest. Seit 1. Juli 2007 ist der Gasmarkt de iure für alle Abnehmer der freien Preisbildung unterworfen, in der Praxis wird der Preis für Privathaushalte weiterhin sehr stark staatlich gelenkt [4].

Gaspreis

Der Gaspreis für Privathaushalte wird durch Preisobergrenzen fest gelegt, die die Staatliche Preiskommission halbjährlich einer Revision unterwirft. Lietuvos dujos kann seine Konsumentenpreise in diesem vorgegebenen Rahmen frei wählen, bewegt sich aber meist nahe der festgelegten Obergrenze. Bis 2006 lieferte der russische Gashandelsmonopolist Gasprom Litauen das Gas zu Preisen unter Weltmarktniveau. Die seither erfolgte Anpassung an die Preise des freien Marktes hat die Preise stark steigen lassen, von 1. Januar 2005 bis 1. Januar 2007 um das 1,4-Fache, 2008 erfolgte (nach einem Jahr der Preisstabilität) eine Erhöhung um 62-67% [5] und auch für 2009 belaufen sich die Steigerungen (je nach Verbrauch) auf 23-30% (Preis 2008 für Kleinverbraucher 2,24 Litas / m³) [6].

Stromerzeugung

Die litauische Stromerzeugung deckt den heimischen Bedarf ab, im Saldo war Litauen bis zum Ende der Laufzeit des Kernkraftwerks Ignalina Ende 2009 ein Stromexporteur. Allerdings war der Anteil des Kernkraftwerks an der Stromproduktion durch die Abschaltung des ersten Blocks zum 31. Dezember 2004 bereits merklich zurückgegangen.

Stromerzeugung Litauens (in TWh)
Energiequelle 1993 1998 2000 2002 2006
gesamt - - 11,4 17,5 12,5
Atomenergie 1 - - 8,4 11,2 8,65
Wärmekraftwerke 2 - - 2,3 - 3,0
Wasserkraftwerke 3 - - 0,6 0,7 0,8

1 Kernkraftwerk Ignalina (Nennleistung 1380 MW je Block, seit 2005 nur noch ein Block in Betrieb)

2 Wärmekraftwerk Elektrėnai (Nennleistung 1800 MW), Wärmekraftwerk Mažeikiai (Nennleistung 194 MW) (beide staatlich) sowie Wärmekraftwerk Kaunas (Kauno termofikacinė elektrinė; Nennleistung 178 MW) und Wärmekraftwerk Vilnius (Vilniaus termofikacinė elektrinė; Nennleistung 384 MW) sowie kleinere private Wärmekraftwerke (u.a. der Firma Achėma)

3 Wasserkraftwerk Kaunas (Nennleistung 100 MW) und Pumpspeicherkraftwerk Kruonis (Nennleistung 800 MW; nur zur Abdeckung von Spitzenlast), sowie etliche kleinere private Wasserkraftwerke;

Leitungsnetz und Stromhandel

Das litauische Stromleitungsnetz umfasst Hochspannungsleitungen mit 330 kV und 110 kV Übertragungskapazität. Diese werden von Lietuvos energija unterhalten. Für die Verteilung an die Endverbraucher in Litauen sind die beiden Unternehmen Rytų skirstomieji tinklai und Vakarų skirstomieji tinklai (Östliches bzw. Westliches Verteilernetz) zuständig. Alle drei Unternehmen sind seit Mai 2008 100%-ige Töchter von Leo LT. Es gibt fünf 330-kV-Leitungen nach Weißrussland, vier nach Lettland und drei in die russische Oblast Kaliningrad. Eine 400-kV-Leitung nach Polen, die auch den Anschluss an das (west)europäische UCTE-Netz bedeuten würde, wird seit zehn Jahren diskutiert, ist aber noch nicht aus dem Planungsstadium heraus gekommen, ebenso wenig wie ein Unterseekabel nach Schweden[7].

Durch die hohe Nennleistung des Kernkraftwerks Ignalina hatte Litauen bis Ende 2009 einen Überschuss an elektrischer Energie zur Verfügung. Dieser wurde nach Möglichkeit in die Nachbarstaaten verkauft. Durch den fehlenden Anschluss ans UCTE-Netz bleibt der Absatz aber im Wesentlichen auf die Nachbarstaaten der ehemaligen Sowjetunion beschränkt.

Stromimporte und -exporte Litauens (in TWh)
Staat 1993 1998 2000 2002 2005 2007
Weißrussland - - 0,76 3,1 - / 0,1 3,6 / 2,0
Russland 1 - - - 2,3 0,63 / 2,9 - / 1,1
Lettland 3 - - 0,63 1,0 0,23 / 0,8 1,4 / 3,2
Estland - - 0,14 0,1 0,22 / 0,2 -
Finnland 2 - - 0,6 0,7 - -

1 Oblast Kaliningrad

2 seit Dezember 2006 durch das Unterseekabel zwischen Estland und Finnland möglich

Am 31. März 2003 veräußerte die Stadtverwaltung Kaunas das mit Gas befeuerte Kaunasser Heizkraftwerk für 116,5 Mio. Litas (ca. 34 Mio. Euro) an den russischen Gasversorger Gasprom, der seitdem ??% an dem Kraftwerk hält.

Fernwärme

Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) machen Abwärme bei der Verbrennung von Energieträgern als Fernwärme nutzbar. Die Stromerzeugung wird hierbei nur minimal verringert, wodurch der Wirkungsgrad insgesamt steigt. Dieses System war in der Sowjetunion weit verbreitet und kommt bei allen Wärmekraftwerken in Litauen zur Anwendung.

Die Fernwärme wurde 1997 als einer der ersten Schritte zur Privatisierung des Energiemarktes in die Hände der Kommunen übergeben.

Quellen

Einzelnachweise

  1. Geschäftsbericht von Lietuvos dujos 2007
  2. Geschäftsbericht von Lietuvos dujos 2007
  3. Energiewirtschaft Litauen 2007/2008, Publikation der Germany Trade & Invest Agentur, veröffentlicht am 1. Juli 2008
  4. Energiewirtschaft Litauen 2007/2008, Publikation der Germany Trade & Invest Agentur, veröffentlicht am 1. Juli 2008
  5. Bekanntgabe der Gaspreise für 2008 durch Lietuvos Dujos, Nachricht auf delfi.lt, 29. Januar 2008 (lit.)
  6. Gaspreisfestlegung für 2009 durch staatliche Preiskommission, Nachricht auf delfi.lt, 23. Dezember 2008 (lit.)
  7. Karte des litauischen Stromleitungsnetzes (engl.)

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