Erich Pätzold

Erich Pätzold

Erich Pätzold (* 8. Juni 1930 in Sömmerda) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er war von 1973 bis 1981 Berliner Senator für Gesundheit und Umweltschutz und von 1989 bis 1991 Berliner Senator für Inneres.

Leben

Erich Pätzold wuchs zunächst in Düsseldorf, der Heimatstadt seiner Eltern, auf, bis die Familie 1936 nach Berlin umzog. Trotz eines sehr guten Abiturs 1948 in Berlin-Weißensee wurde ihm aus politischen Gründen das Studium der Chemie an der Friedrich-Wilhelm-Universität (ab 1949 Humboldt-Universität) in Ost-Berlin verweigert.

Er begann 1948, als Dienstanwärter in der Berliner Verwaltung zu arbeiten. 1950 trat er in die SPD und die Gewerkschaft ÖTV ein. Von 1953 bis 1958 studierte er neben dem Beruf zehn Semester Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften an der Verwaltungsakademie Berlin und legte die Examen als Diplom-Kameralist und Verwaltungsassessor (Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst) ab. Im Zuge seiner Laufbahn in der Senatsverwaltung für Finanzen wurde er 1959 zum Regierungsrat, 1962 zum Oberregierungsrat ernannt. Er war Grundsatzreferent für öffentliches Finanzwesen und Haushaltsrecht und wurde früh zum Reformer. So entwarf er Landeshaushaltsordnung und Eigenbetriebsgesetz (anstelle des fortgeltenden, zersplitterten Gemeinderechts aus der Nazizeit) und eine neue Haushaltssystematik; dabei sorgte er für den Wegfall manch unnötiger Verwaltungsabläufe. Erste Vorschläge für eine Verwaltungsreform griffen Vorgesetzte mit überkommenem Verwaltungsverständnis nicht auf.

Sein politischer Weg begann im Bezirk Wedding. 1963/1964 war er Fraktionsvorsitzender in der Bezirksverordnetenversammlung, von 1964 bis 1970 Bezirksstadtrat für Finanzen im Bezirksamt Wedding. Er initiierte erste Beschlüsse des SPD-Landesparteitags zu einer Verwaltungsreform, die Senat und unwillige Verwaltung aber im Sande verlaufen ließen. Umfängliche Veruntreuungen im Weddinger Jugendamt musste er gegen den Widerstand von Jugendstadtrat und Bezirksbürgermeister ausräumen; dabei blieb die eingeschaltete Kriminalpolizei untätig. Rückenstärkung erfuhr er durch das Kammergericht Berlin.

In der Weddinger SPD war er von 1967 bis 1971 stellvertretender Vorsitzender und von 1971 bis 1986 Vorsitzender. Von 1967 bis 1984 war er Mitglied des Berliner Landesvorstandes der SPD, dabei von 1971 bis 1976 als Landeskassierer im Geschäftsführenden Vorstand. Er sanierte die schuldenbelasteten Parteifinanzen und -unternehmen.

In der Berliner Hauptverwaltung war Erich Pätzold von 1970 bis 1973 Staatssekretär der Senatsverwaltung für Finanzen. 1973 wurde er zum Senator für Gesundheit und Umweltschutz gewählt und blieb bis zum Amtsantritt Hans-Jochen Vogels im Januar 1981 in diesem Amt. Er setzte ein breit angelegtes Krankenhausmodernisierungsprogramm durch. Dem leistungswidrigen und unwirtschaftlichen Anstieg der Zahl der Krankenhausbetten begegnete er mit verbindlichen Krankenhausbedarfsplanungen und einem betriebswirtschaftlich ausgerichteten Landeskrankenhausgesetz, das den städtischen Krankenhäusern auch leistungsfördernde Autonomie brachte. Den öffentlichen Gesundheitsdienst modernisierte er mit einem Landesgesetz, das altes Recht aus der Nazizeit ablöste. Im neuen Aufgabenfeld Umweltschutz brachte er vieles voran. Als ihm 1976 der städtische Eigenbetrieb Stadtreinigung unterstellt wurde, beherrschte ein ungetreuer Personalrat diesen und dessen Geschäftsleitung mit viel Eigennutz. In jahrelangem Ringen musste er den Betrieb wieder auf den rechten Weg bringen; dabei blieb die eingeschaltete Staatsanwaltschaft untätig. Auf Bundesebene war Erich Pätzold Sprecher der SPD-Gesundheits- und -Umweltminister.

Von 1975 bis 1989 war er im Bezirk Wedding gewähltes Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin.

In der Zeit der Opposition von 1981 bis 1989 war Erich Pätzold innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er war stellvertretender Vorsitzender des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses und der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz; auch hatte er den Vorsitz des Lummer-Untersuchungsausschusses inne. Für eine durchgreifende Verwaltungsreform verfasste er 1982 die umfassenden Anträge der SPD-Fraktion. In der daraufhin vom Abgeordnetenhaus eingesetzten Enquétekommission war er stellvertretender Vorsitzender und der Verfasser des 1985 vorgelegten Berichts mit umfassenden Reformaufträgen, die vom Abgeordnetenhaus einstimmig beschlossen, vom CDU-geführten Senat aber trotz Lippenbekenntnissen unterlaufen wurden. Die Skandale dieses Senats, besonders bei Bau, Verfassungsschutz und Polizei (der der Senat unverhältnismäßige Gewaltanwendung bei Demonstrationen abverlangte), fanden in ihm einen der beharrlichsten parlamentarischen Kritiker. Nach einer von CDU-Seite im Abgeordnetenhaus inszenierten Aktion zu den Verfassungsschutzskandalen bemühte sich 1987/1988 die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft vergeblich, ein Strafverfahren gegen ihn einzuleiten. Er sollte mit der Klarstellung, dass seine Weddinger SPD nicht gegen den West-Berliner SED-Ableger SEW anfällig war, Geheimnisverrat begangen haben. Der Verfassungsschutz bezahlte 1988 einen verurteilten Straftäter (Steinwürfe auf Polizisten) für dessen mehrmalige Versuche, den parlamentarischen Kontrolleur Pätzold über sein Wissen zu den Skandalen auszuforschen.

In der rot-grünen Senatskoalition von 1989 bis 1991 war Erich Pätzold Senator für Inneres. Er räumte beim entarteten Berliner Verfassungsschutz auf, setzte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Polizeieinsätzen wieder durch, schaffte das Militärische in der Schutzpolizei ab (Kasernierung der Polizeischüler, Marschübungen, Paradeuniformen, Großer Zapfenstreich, aber auch Maschinengewehre und Handgranaten), belebte die nach den Bauskandalen vom vorherigen CDU-Innensenator wegen ihrer Fahndungserfolge ausgedünnte Kriminalpolizeidienststelle für Wirtschaftskriminalität wieder und brachte die ersten Schritte zur Verwaltungsreform und eine menschlichere Ausländerpolitik auf den Weg. Nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 hatte er vor allem die Wiedervereinigung der Berliner Verfassungs- und Verwaltungsinstitutionen, besonders der Polizei, zu organisieren und die Bundesregierung aus ortsnaher Kenntnis zu eindeutigen Regelungen bei den DDR-Erblasten anzuhalten. Er sorgte dafür, dass beiseite geschafftes SED-Vermögen von über 100 Millionen DM gesetzesgemäß eingezogen werden konnte. Als er nach tagelangen Gewaltexzessen aus den von Autonomen besetzten Häusern der Mainzer Straße die polizeiliche Räumung der Häuser anordnete, brachte ihm das auch Kritik ein. Der grüne Koalitionspartner, mit dem er bis dahin gut zusammen gearbeitet hatte, nahm die Räumung zum Anlass, die Koalition zu verlassen.

Nachdem der rot-grüne Senat die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft wegen Einäugigkeit aufgelöst hatte und Erich Pätzold als Innensenator Straftaten von Staatsanwälten und Verfassungsschützern im Schmücker-Mord-Verfahren offen gelegt hatte, ermittelte ein darin verstrickter Staatsanwalt von 1990 bis 1993 (in einer Zeit, als die Staatsanwaltschaft aus Kapazitätsmangel fortwährend Verfahren wegen DDR-Millionen-Betrügereien einstellen musste) aufgrund einer CDU-Strafanzeige und mit Rückendeckung von oben gegen ihn wegen angeblicher Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Die schließlich erhobene Anklage ließ das Landgericht Berlin 1994 als haltlos nicht zu.

Von 1994 bis 2002 war Erich Pätzold SPD-Sprecher im Lenkungsgremium des Berliner Senats für die Verwaltungsreform. Die umfangreichen Verfassungs- und Gesetzesänderungen von 1998 und 1999 zur Verschlankung von Abgeordnetenhaus und Senat, zur grundlegenden, betriebswirtschaftlich orientierten Verwaltungsreform und zur Stärkung der Selbstverwaltung der Berliner Bezirke, jeweils über Beschlüsse des SPD-Landesparteitags initiiert, stammen aus seiner Feder, ebenso die Gesetzesänderungen für die ersten Schritte dazu einige Jahre vorher.

Senate

Senat Schütz II - Senat Schütz III - Senat Stobbe I - Senat Stobbe II - Senat Momper

Einzelnachweise



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