- Ernst Wimmer
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Ernst Wimmer (* 17. Juni 1924 in Horn, Niederösterreich; † 27. Oktober 1991 in Wien) war ein österreichischer politischer Journalist, Kommunist, marxistischer Theoretiker und Politiker und Aphoristiker.
Inhaltsverzeichnis
Kindheit und Familie
Ernst Wimmer wurde 1924 als zweites Kind des ehemaligen und hochdekorierten Offiziers der k.u.k. Armee und späteren Direktors der Creditanstalt-Bankverein Otto Wimmer (1895–1957) und dessen Gattin Hermine (1897–1990), in der ländlichen Kleinstadt Horn im Waldviertel, Niederösterreich geboren. Nachdem sein Vater 1920 zum Zweck der Gründung und Leitung einer Bank-Filiale der Anglo-Österreichischen Bank von Gmünd nach Horn gezogen war wurde sein Vater 1924 nach Wien berufen. Ende 1925 zog die Familie von Horn nach Wien. Wimmer wuchs in bürgerlichen Verhältnissen in Wien-Meidling auf.
1947 heiratete er seine Jugendfreundin, die aus einer bürgerlichen und angesehenen jüdischen Familie kommende Eva Margareta Gans (1925 bis 2005). Ihrer gemeinsamen Ehe entstammten drei Söhne. Die Familie lebte ab 1960 in Wien-Döbling im Helmut-Qualtinger-Hof.
Erste politische Schritte
Das betont patriotisch, österreichische monarchistisch-katholische Milieu seines Elternhauses prägte seine antifaschistische Einstellung. Ernst Wimmers Erzählungen zufolge haben ihn die unmittelbar persönlichen und bewusst erlebten Eindrücke und Erfahrungen der Ereignisse des Bürgerkriegs vom 12. Februar 1934 in der Entwicklung seines politischen Wesens ausschlaggebend und nachhaltig geprägt. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 war er unter anderen auch gemeinsam mit seinem Klassenkameraden dem späteren Schriftsteller Gerhard Fritsch in der antifaschistischen Widerstandsgruppe "Theiss" an seiner Gymnasialschule, dem Ignaz-Seipel-Gymnasium (dem heutigen BGRG Wien XII Rosasgasse), politisch aktiv. Wimmer wurde ebenso wie seine Schwester Edith von der Gestapo verhaftet und zum Verhör in das Gestapo-Hauptquartier in Wien am Morzinplatz gebracht. Während der damals 14 Jahre alte Wimmer nach kurzer Haft wieder entlassen wurde, verblieb seine Schwester für ein knappes Jahr in Gestapo-Haft. Kurz vor seiner Matura im Jahr 1942 wurde Wimmer vom Reichsgericht von seiner Schule relegiert und von allen Schulen und Hochschulen des Deutschen Reichs ausgeschlossen. In weiterer Folge wurde er zur deutschen Wehrmacht eingezogen und nach seiner militärischen Grundausbildung in Znaim, in Zistersdorf zum Funker ausgebildet. Wie Ernst Wimmer selbst sagte, hatte er das große Glück, dass ihm der Einsatz an der Kriegsfront erspart blieb. Um sich dem Marschbefehl zur "Rettung" Berlins zu verweigern, desertierte Wimmer in den letzten Kriegsmonaten gemeinsam mit anderen österreichischen Wehrmachtssoldaten.
Nach der Befreiung Österreichs durch die Alliierten wurde Wimmer - er besaß außerordentliche Kenntnisse der englischen, lateinischen und altgriechischen Sprache - Dolmetscher des englischen Stadtkommandanten in Wien. Dadurch kam Wimmer mit vielen, auch namhaften Antifaschisten wie z.B. mit Graham Greene in persönlichen Kontakt und traf aus dem englischen Exil heimkehrende österreichische Kommunisten, namentlich den Philosophen und Freud-Schüler Walter Hollitscher.
Über die Politisierung durch diese Kontakte führte Ernst Wimmers Weg - nach einem kurzfristigen Ausflug als ordentlicher Student an der Hochschule für Welthandel in Wien - zum politischen Journalismus für die erste österreichische und überparteiliche (ÖVP, SPÖ, KPÖ) Nachkriegszeitung "Neues Österreich", den "Der Abend" und die kulturpolitische Zeitung "Tagebuch" sowie schließlich aus politisch-weltanschaulichen Gründen zum Zentralorgan der KPÖ, der Tageszeitung "Volksstimme" die vom parteieigenen Globus Verlag herausgegeben wurde.
Überzeugt von der Sache des Kommunismus, insbesondere durch die tiefe Freundschaft mit Walter Hollitscher, entschied er sich für ein Leben als Berufsrevolutionär und wurde 1947 gemeinsam mit seiner Ehefrau und politischen Gefährtin Eva Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs.
Politischer Journalismus
Ernst Wimmer begann seine Arbeit in der Redaktion der "Volksstimme" unter dem damaligen Chefredakteur Erwin Zucker-Schilling als Journalist im außenpolitischen Ressort. Unter anderen auch, förderten ihn im Besonderen die namhaften Redakteure Jakob Rosner, Fritz Glaubauf und Bruno Frei auf seinem Weg zum politischen Journalismus. In diesen Jahren widmete sich Wimmer zudem in umfassender Weise seiner Weiterbildung. Im Besonderen in Bezug auf die Klassiker und Kenntnisse des Wissenschaftlichen Sozialismus, sowie in den Bereichen Literatur und Kunst und der romanischen Sprachen.
Der XX. Parteitag der KPdSU 1956 war für Ernst Wimmer ein einschneidendes Erlebnis.
„In der Geschichte der revolutionären Bewegung des vergangenen Jahrhunderts gibt es zwei ‚zehn Tage, die die Welt erschütterten‘: die Tage der Oktoberrevolution, die in dem Buch von John Reed mit dem gleichnamigen Buch beschrieben wurden, und der XX. Parteitag der KPdSU (14. - 25. Februar 1956). Beide Ereignisse teilen diese Geschichte abrupt und unwiderruflich in ein 'Davor' und ein 'Danach'. Ich kenne kein vergleichbares Ereignis in der Geschichte einer bedeutenden weltanschaulichen oder politischen Bewegung. Um es in wenigen einfachen Worten auszudrücken, die Oktoberrevolution schuf eine weltkommunistische Bewegung, der XX. Parteitag zerstörte sie." Eric Hobsbawm, Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert. Carl Hanser Verlag, München, Wien 2003. S. 234“
Alles was nun folgte (Ungarn, China, Prag, ...) verlangte danach, konsequent Position zu beziehen und von diesen Positionen ausgehend die ideologischen wie auch politisch-ideologischen Auseinandersetzungen zu führen, um seine eigentliche Arbeit machen zu können, als Kommunist unter kapitalistischen Verhältnissen zielorientiert zu wirken. Ernst Wimmer hielt es mit der Sache der Revolution, des Kommunismus und nicht mit dem politischen Opportunismus welcher Spielart auch immer, sein Leben lang. Das hinderte ihn nicht zu differenzieren, im Gegenteil, er war von nun an erst wirklich in seinem Element. Die politisch-administrative Antwort der Parteiführung auf die politische Kritik Ernst Wimmer's gipfelte in einer repressiven Maßnahme: Wimmer wurde im Jänner 1964 das außenpolitische Ressort entzogen. Ernst Wimmer arbeitete von nun an in der Kulturredaktion. Seinem politischen Selbstverständnis entsprechend verstand er sich als Berufsrevolutionär und dementsprechend diesen Arbeitsbereich ebenso als Kampffeld für eine revolutionäre Partei und handelte entsprechend der politischen Situation.
Die Parteikrise 1968 - 1970
Der Einmarsch eines Teils der Warschauer Pakt Staaten in Prag im August 1968 war ein Kulminationspunkt der seit vielen Jahren ohne Entscheidung anhaltenden ideologischen Auseinandersetzungen in der Weltbewegung, wie auch in der KPÖ um die Frage des politisch-ideologischen Charakters der Kommunistischen Parteien der einer Vielzahl von verschiedenen politischen Momenten und Veränderungen geschuldet war. Die politisch-ideologischen Auseinandersetzungen spitzten sich nach dem Sommer 1968 zwischen den Revisionisten und den Marxisten-Leninisten, so auch in der KPÖ gerade in der Frage der Haltung zur Sowjetunion dramatisch zu. Die Antwort der Marxisten-Leninisten in der KPÖ auf die Vorherrschaft der Revisionisten um Ernst Fischer, Franz Marek, Egon Kodicek, und andere auf die Parteimedien war die Schaffung eines neuen Parteiorgans unter dem Namen Neue Politik. Diese politische Plattform im Kampf um eine Partei revolutionären Charakters wurde von 30 Mitgliedern des ZK – Zentralkomitees unterstützt. Gemeinsam mit Walter Hollitscher war Wimmer der führende Kopf des Redaktionskollegiums der "Neuen Politik". Im Zuge des Siegs der Marxisten-Leninisten im Fraktionskampf in der KPÖ erfolgte eine komplette Neugestaltung der Zeitschrift Weg und Ziel. Wimmer wurde Mitglied des fünfköpfigen Redaktionskollegiums des "WuZ" unter der Chefredaktion von Walter Hollitscher.
Die KPÖ als politische Kraft
Zwischen 1970 und 1974 erfolgte eine politisch-ideologische Neuausrichtung der KPÖ. Wimmer trug als marxistischer Theoretiker und politischer Journalist in einer großen Vielzahl an Publikationen in den verschiedenen Organen der KPÖ, wie auch als Organisator einer Reihe an „Theoretischen Konferenzen“, sowie mit seinen rhetorischen Fähigkeiten in unzähligen Diskussionsveranstaltungen entscheidend dazu bei, die KPÖ auf den Boden des Wissenschaftlichen Sozialismus zu positionieren. Am 21. Parteitag der KPÖ im Mai 1970 wurde Wimmer in das ZK - Zentralkomitee gewählt.
KPÖ und die Perestroika
Die Perestroika hatte die Tendenzen zum politischen Revisionismus innerhalb jener Parteien, so auch in der KPÖ massiv gestärkt die sich zum Marxismus-Leninismus bekannten. Der spektakuläre Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten im Jahr 1989 sprengte den Konsens innerhalb der bis dahin marxistisch-leninistisch gebliebenen kommunistischen Parteien in Westeuropa über deren ideologischen Grundlagen. Der Marxismus-Leninismus als Ideologie, mit all seinen politischen und organisatorischen Implikationen stand nun zur Gänze zur Disposition. In dieser historisch einmaligen Situation bezog Ernst Wimmer die Position um die Aufrechterhaltung einer Partei mit dem programmatischen Ziel den Kapitalismus zu überwinden. Um die real bestehenden, gesellschaftlichen Widersprüche praktisch nutzbar machen zu können stellte Wimmer die Verteidigung des wissenschaftlichen Sozialismus, die Analyse des Kapitalismus ins Zentrum der von ihm betrieben Politik in Wort und Schrift.
Der 27. Parteitag
Der 27. Parteitag der KPÖ im Jänner 1990 manifestierte den spätestens seit dem Frühjahr 1989 sich im Besonderen in Teilen der Parteiführung dynamisch entfaltenden ideologischen Bruch - entlang der Fragen des Klassencharakters und der Rolle der Partei - teils bewusst verdeckt, teils nur bruchstückhaft thematisiert und dort wo offen geführt aus taktischen Überlegungen abgeschwächt und verwaschen. Die politisch-ideologische Auseinandersetzung zwischen den Kräften rund um den neuen Vorsitzenden Walter Silbermayr die das Aufgehen der KPÖ in einer allgemeinen Linken im Auge hatte und auch anstrebten wurden mit den marxistischen Kräften rund um Ernst Wimmer bewusst nicht offen geführt. Anstatt dessen kennzeichnete den 27. Parteitag unter anderem auch der Widerspruch des Parteitagsbeschlusses nach einer politischen Erneuerung der KPÖ auf marxistischer Grundlage, als eine revolutionäre, gesellschaftsverändernden Kraft während der neue Vorsitzende Walter Silbermayr massiv den Kampf gegen den Linksdogmatismus forderte. Kennzeichnend für die Neue Parteiführung unter Silbermayr und Sohn die sich der politischen Mode entsprechend dem "Neuen Denken" verpflichtet gaben war die politisch intendierte und administrativ durchgeführte Enthebung Ernst Wimmers als Ideologe der KPÖ.
Der 28. Parteitag und seine Konsequenzen
Ernst Wimmer am 28. Parteitag der KPÖ im Juni 1991: „Dass es einen Marxismus mit neuen Erkenntnissen, Methoden und Kriterien so lange geben wird, als es Kapitalismus geben wird und darüber hinaus, das steht für mich außer Frage. Aber ob es eine marxistische Partei, eine Partei kommunistischen Typs in den nächsten Jahren geben wird, das ist leider für mich nicht so sicher. Keineswegs deswegen, weil ich wie kleinmütig geworden oder gekränkt der Auffassung wäre, dass eine solche Partei keine Existenzberechtigung mehr hätte, im Gegenteil. Aber ich habe begründete Zweifel daran, dass das, was heute die Partei ausmacht, sich aufraffen und zusammenraufen kann, um Funktionen zu erfüllen, die erst eine Existenzberechtigung ergeben.“ Wenige Wochen vor seinem Tod, inspirierte Wimmer einige sich um ihn scharende Genossen zur Schaffung einer periodischen Streitschrift. Diese Zeitung, die spätere Neue Volksstimme, sollte den Versuch unternehmen die Marxisten-Leninisten in der KPÖ zu sammeln und in der politisch-ideologischen Auseinandersetzung mit dem Revisionismus als politische Waffe dienen.
Aphoristiker und Essayist
Ernst Wimmer hinterließ zirka 8000 Aphorismen. Diese große Anzahl entstand im Zeitraum von ungefähr 30 Jahren. Wimmer wählte die Aphoristik als Verwirklichung seines Bedürfnisses nach schriftstellerischem Ausdruck unter den Bedingungen seines selbst gewählten Primats auf die politisch-journalistische und politisch-ideologische Arbeit als Kommunist. So gut wie ausnahmslos widmete er sich täglich zumindest eine Stunde dem Überdenken und der Kritik dessen was ihm von Bedeutung schien. Nur wenige seiner Aphorismen und Essays sind bisher in Buchform publiziert worden. Ernst Wimmers Aphorismen und Essays befinden sich im Eigentum seiner Söhne.
- "Maulwurfsgrille – Die Neigung des Österreichers zur Schlamperei entspricht seinem Stolz auf Individualität: Um diese zu behaupten, braucht er Schlupflöcher, die jene lässt.
- "Die Summe der Ausnahmen, die einer geltend macht, ergibt die auf ihn passende Regel."
- "Sogar die Gläubigsten beten nicht so oft zu ihrem Gott, als sie trachten, ihn zu überlisten."
- "Zu unseren Erfahrungen verhalten wir uns wie zu Untergebenen: Wir sagen ihnen, was sie uns zu sagen haben."
- "Wären wir außerstande zu ertragen, was wir unerträglich nennen, hätten wir eine andere Geschichte."
- "So sanft kann kein Hang zum Idealisieren sein, dass man nicht ins Rutschen kommt."
- "Jeder von uns wäre für den anderen ein hinreichend großes Theater, würde nicht meist bei fast geschlossenem Vorhang gespielt."
Ernst Wimmer starb in den Abendstunden des 27. Oktober 1991 in Wien an Leukämie. Er erwarb weit über die Partei- und Landesgrenzen hinausgehende Ansehen und hatte eine politisch objektive Rolle für die Entwicklung der KPÖ als marxistische Partei der Arbeiterbewegung und prägenden Einfluss auf wichtige Teile der intellektuellen Linken wie auch der kulturschaffenden Linken in Österreich in den 1970er und 1980er Jahren. Trotz massiver ideologischer Differenzen zwischen Ernst Wimmer und der Parteiführung wurde er am 7. November 1991 im Rahmen eines Parteibegräbnisses und unter großer Anteilnahme mehrerer Hundert Menschen auf dem Döblinger Friedhof in Wien beigesetzt. Die Grabrede hielten persönliche Freunde Wimmers, der österreichische Dichter Arthur West und der österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka.
Entgegen der noch zu Lebzeiten Wimmers mehrfach gemachten Zusage der Parteiführung der KPÖ und trotz eines entsprechenden Parteitagsbeschlusses verschiedentlich Werke Ernst Wimmers zu publizieren, ist dies bis dato unterblieben. Der äußerst umfangreiche Nachlass Ernst Wimmers befindet sich im Eigentum seiner Söhne.
Werke
- Zur Lage der Arbeiterklasse in Österreich KPÖ, Wien 1973
- Antimonopolistische Demokratie und Sozialismus. Globus Verlag, Wien 1974 ISBN 3-85364-013-3
- Eurokommunismus - Eine Sammlung von Stellungnahmen (mit Franz Muhri, Erwin Scharf)
- Der verwirklichte Sozialismus (Willi Gaisch, Herausgabe Ernst Wimmer) Wien 1977
- Sozialpartnerschaft aus marxistischer Sicht Globus Verlag, Wien 1979
- (hrsg. mit Josef Schleifstein) Plädoyers für einen wissenschaftlichen Humanismus. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1981 ISBN 3-88012-628-3/Globus-Verlag, Wien 1981 ISBN 3-85364-075-3
- Staat und Demokratie - Dritter Weg oder Revolution? Globus Verlag, Wien 1982 ISBN 3-85364-091-5
- Sozialismus in Österreichs Farben - Programm der Kommunistischen Partei Österreichs, 1982
- Antonio Gramsci und die Revolution Globus Verlag, Wien 1984
- 100 Jahre Hainfeld, 70 Jahre KPÖ - Rückblick & Ausblick Globus Verlag, Wien, 1988
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