Fernspäher

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Fernspäher sind die infanteristischen Aufklärer im deutschen Heer. Fernspähkräfte sind zur direkten Unterstützung anderer Spezialkräfte sowie zur Gewinnung, Auswertung und Dokumentation von Informationen von besonderer Bedeutung bei Tag und Nacht befähigt. Der Einsatz dieser Kräfte kann über einen längeren Zeitraum in allen Klimazonen über Land, Luft oder See erfolgen. Der Fernspähtrupp führt auf sich gestellt tief hinter den feindlichen Linien Aufklärung und Erkundung durch. Die englische Bezeichnung für die Fernspähaufklärung ist Long Range Surveillance (LRS) oder Long Range Reconnaissance (LRR), für den Fernspähtrupp Long Range Reconnaissance Patrol (LRRP). In Deutschland sind die Fernspäher Teil der Heeresaufklärungstruppe und seit März 2008 keine eigenständige Truppengattung mehr. Sie fungieren als spezialisierte Kräfte des Heeres mit erweiterter Grundbefähigung (Abkürzung SpezlKrH EGB) und gehören damit zum Einsatzverbund der Spezialkräfte.

Die Farbe des Baretts ändert sich für alle Aufklärungsträger des Heeres zu schwarz, lediglich den Fernspähern und den Luftlandeaufklärern bleibt die Farbe bordeauxrot erhalten. Damit soll die Zugehörigkeit zur Division Spezielle Operationen sowie die Luftlandefähigkeit und die traditionelle Herkunft sichtbar unterstrichen werden, da traditionell die Barettfarbe aller Luftlandetruppenteile bordeauxrot ist. Als Waffenfarbe trägt sie die der Heeresaufklärer mit dem traditionellen Goldgelb.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

ehemaliges Kompaniegebäude der Fernspähkompanie 300 in Herbornseelbach

Die Fernspähtruppe wurde im Jahre 1962 aufgestellt. Sie hatte sowohl in der Bundeswehr als auch in der Wehrmacht keine vergleichbare Tradition. Grund für die Aufstellung war die unzureichende Möglichkeit der Dauerbeobachtung in feindbesetztem Gebiet durch andere Aufklärungskräfte. So erhielt Major Konrad Rittmeyer, ein kriegserfahrener Panzeraufklärer, am 16. November 1961 vom Heeresamt den Auftrag eine Truppe aufzustellen, deren Soldaten Einzelkämpfer und Fallschirmspringer sein mussten und ledig waren. Der Standort dieser Lehrgruppe R (für Rittmeyer) war zu Beginn die Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt/Schongau in Oberbayern. Die zukünftigen Fernspähsoldaten waren Fallschirmjäger, Gebirgsjäger sowie einige Grenadiere. Zu diesem Zeitpunkt waren sie der Panzeraufklärungstruppe zugeordnet. Erst im April 1976 erfolgte nach vielen Wechseln (zwischenzeitlich zur Infanterie) die systematische Zuordnung zu den Führungstruppen, während die truppendienstliche Unterstellung in jedem der drei Korps des Feldheeres unterschiedlich gehandhabt wurde. Von der Verbundenheit mit der Panzeraufklärungstruppe kündet heute noch die gemeinsame goldgelbe Waffenfarbe und die gekreuzten Lanzen im Barettabzeichen. Das Zugehörigkeitsgefühl der Fernspäher zu den Luftlandetruppen fand ihren Ausdruck durch das bordeauxrote Barett mit dem stürzenden Adler der Fallschirmjägertruppe. 1962 begann Major Rittmeyer mit der Ausbildung des Ausbildungskaders. Nach zehn Monaten war der Kader einsatzfähig und die Lehrgruppe R wurde in Fernspählehrkompanie 200 umbenannt. Kurze Zeit später waren auch die Kader für die beiden neu gegründeten Fernspähkompanien 100 und 300 gebildet.

Das Fernspähausbildungszentrum 900 in Neuhausen ob Eck, die spätere Internationale Fernspähschule in Weingarten und heutige Ausbildungszentrum Spezielle Operationen, wurde 1973 durch Personal der drei Fernspähkompanien ins Leben gerufen. Der Grundgedanke der NATO-Schule war die Vereinheitlichung von Ausbildung und Ausrüstung der NATO-Fernspäheinheiten. In der alten Struktur der Bundeswehr hatte jedes der drei deutschen Korps eine Fernspähkompanie: FeSpähKp 100 in Braunschweig/Celle, FeSpähLehrKp 200 in Weingarten/Pfullendorf sowie FeSpähKp 300 in Fritzlar und Herborn-Seelbach. Im Zuge einer Umstrukturierung im Heer 1996 wurden die Fernspähkompanien 100 und 300 aufgelöst; erstere nach 34 Jahren wechselvoller und ereignisreicher Geschichte. Viele dieser Fernspäher stellten die ersten Soldaten des im selben Jahr aufgestellten Kommando Spezialkräfte (KSK).

Im Rahmen der Transformation der Streitkräfte wird aus der Panzeraufklärungstruppe (mit Drohnenaufklärungskräften) zusammen mit Fernspähern, Feldnachrichtentruppe und Drohnenaufklärern der Artillerie die neue Truppengattung Heeresaufklärungstruppe. Eingegliedert werden außerdem die Luftlandeaufklärungskompanien. Die besonderen Fähigkeiten der Fernspäher und der anderen Aufklärungsträger bleiben aber innerhalb der Heeresaufklärungstruppe erhalten. Die Heeresaufklärungstruppe wirkt durch bodengebundene und luftgestützte Lageaufklärung und ist zukünftig ein wesentlicher Träger der Nachrichtengewinnung und Aufklärung im Heer. Die Ausbildung der Fernspäher wurde in Teilen an das Ausbildungszentrum Heeresaufklärungstruppe in Munster verlagert.

Einsätze

Einsätze der Fernspäher unterliegen - wie die der Kampfschwimmer und des KSK - strenger Geheimhaltung, um die Auftragserfüllung nicht zu gefährden. Bekannt geworden sind Einsätze in Bosnien, im Kosovo, Afghanistan und Kongo.

Auftrag und Verbringung

Das Einsatzgebiet eines Fernspähtrupps kann bis zu 150 km - oder sogar darüber hinaus - vor der eigenen Truppe im feindlichen Hinterland liegen. Die Verbringung mit Transportmitteln in das Einsatzgebiet kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen:

Im Einsatzraum erfolgt der Einsatz ununterbrochen. Bewegungen des Fernspähtrupps werden grundsätzlich nachts durchgeführt. Dabei kann er unter gefechtsmäßigen Bedingungen abseits von Straßen und Wegen für einen Kilometer eine Stunde benötigen. Sie beobachten und melden mit modernster optronischer Beobachtungs- und Fernmeldetechnik und geben der Führung so frühzeitig dauerhaft wiederholte Lageerkenntnisse über die Absichten des Gegners insbesondere von Hochwertzielen. Der Hauptauftrag ist das Gewinnen von Schlüsselerkenntnissen in Krisen- und Konfliktgebieten für die operative Führungsebene. Fernspähtrupps werden dazu einem Korps, seltener einer Division, unterstellt. Auch das Forward Air Controlling (FAC) - das Lenken von Lufteinsätzen per Funk oder Laser-Zielbeleuchter vom Boden aus - gehört seit neuerer Zeit zu den Fernspähaufträgen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk eines vier Mann starken Fernspähtrupps darauf, unentdeckt zu bleiben. Die Fernspäher sind bei ihrer Auftragserfüllung unabhängig und vermeiden den Kampf. Der wichtigste Einsatzgrundsatz ist unerkannte Infiltration und Exfiltration aus dem Einsatzgebiet für die „Augen des Heeres“ nach dem Wahlspruch der Fernspäher: oculus exercitus. Am Einsatzort wird eine Beobachtungsstelle oder ein Versteck eingerichtet, von dem aus Aufklärungsergebnisse über einen längeren Zeitraum gewonnen werden. Die Beobachtungsstelle bietet vier Fernspähern Platz und dient als Schlaf-, Funk-, Beobachtungs- und Verpflegungspunkt. Für den Bau, die Tarnung mit Wegtransport der ausgehobenen Erde benötigt ein Trupp zwei volle Nächte. Der Beobachtungsbunker (Fuchsloch) ist i. d. R. 130-140 cm tief und hat eine Grundfläche von neun Quadratmetern. Durch eine Luke oder einen Viewport wird beobachtet. Im Ernstfall kann ein Trupp bis zu 14 Tage in diesem Bunker ausharren. Dieser „klassische“ Fernspäheinsatz ist jedoch nicht mehr die Regel, häufiger wird aus einem offenen Versteck beobachtet, der ein einfacheres Wechseln ermöglicht.

Unmittelbar mit Aufbau der Beobachtungsstelle wird Funkverbindung mit dem Gefechtsstand der Fernspähkompanie aufgenommen, um Aufklärungsergebnisse weiterzugeben. Das Funkgerät wird von zwei Soldaten des Spähtrupps im Schichtbetrieb bedient, während Truppführer und Stellvertreter sich bei der Beobachtung abwechseln. Entsprechend der Lage wird direkt vom Versteck aus beobachtet oder durch einen abgesetzten Beobachter, der gleichzeitig den Trupp sichert.

Die Exfiltration mit der Rückführung zu den eigenen Kräften nimmt meist genauso viel Zeit in Anspruch wie die Infiltration mit der Verbringung und wird mit derselben Sorgfalt und Vorsicht durchgeführt.

Aufträge im Kommandoeinsatz, Handstreich oder Hinterhalt, und das gezielte Ausschalten von Hochwertzielen sind nicht Teil der Einsatzaufgaben der Fernspäher. Diese Aufgabe wird vom Kommando Spezialkräfte oder durch Jagdkommandos durchgeführt. Nur in besonderen Einzelfällen können dies auch Fernspäher durchführen.

Organisation

Die Fernspählehrkompanie 200 ist die einzige (nicht-gemischte) verbleibende Einheit und ist am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf stationiert und untersteht unmittelbar der Division Spezielle Operationen.

Kompanie

Die verbliebene Fernspählehrkompanie 200 gliedert sich bei einer Sollstärke von 226 Soldaten in:

  • Kompanieführung
  • 4 Fernspähzüge
  • 1 Fernspähspezialzug
  • 2 Sanitätstrupps
  • 1 Feldnachrichtenzug
  • 1 Technische Gruppe
  • 1 Versorgungsgruppe [1]

Züge

Die Fernspähzüge beinhalten als taktisches und operatives Element die Spähtrupps mit jeweils vier Mann, die je nach Auftrag verstärkt werden. Der Fernspähspezialzug wird im Einsatzfall auf die Fernspähzüge aufgeteilt und unterstützt durch optische- und optronische Spezialaufklärung und Fliegerleitverfahren.

Der Zug gliedert sich:

  • Führungstrupp
  • Analyse-und Auswertungstrupp
  • Führungsunterstützungstrupp
  • 2 Fernspähtrupps zu je 6 Mann [2]

Rekrutierung und Ausbildung

Rekrutierung

Bewerben auf eine Fernspähstelle kann man sich sowohl direkt als auch über einen Wechsel aus anderen Truppengattungen. Für den Einsatz in den Spähzügen kommen ausschließlich länger dienende Zeitsoldaten in Frage. Die Ausbildung zum Fernspähfeldwebel dauert mindestens 36 Monate. Aufgrund des besonderen Auftrages ist die Ausbildung zum Fernspähsoldaten intensiv und fordernd; so werden regelmäßig mehrtägige Durchschlageübungen durchgeführt. Der rigiden Auslese geeigneter Bewerber dient insbesondere der zweiwöchige Eingangstest (grüne Blockausbildung – früher Ü-Lager) den häufig nur eine kleine Zahl an Bewerbern erfüllt.

Ausbildung

Schwerpunkte der Ausbildung ist das Erlernen der unbemerkten In- und Exfiltration des feindlichen Territoriums und eine umfassende Fernmeldeausbildung.

Zum umfangreichen Ausbildungsprogramm gehören der Lehrgang Überleben spezialisierte Kräfte mit dem Combat Survival Course (CSC), Reaktionsschießlehrgänge, Nahkampf, Fallschirmspringen automatisch, HALO (Fallschirmspringen) und HAHO sowie mit dem Combat Medical Course eine gefechtsmedizinische Ausbildung, die Soldaten befähigt, innerhalb eines autark operierenden Teileinheit die eigene medizinische Versorgung unter Einsatzbedingungen zu gewährleisten. Die Fernspähzüge sind jeweils auf bestimmte Schwerpunkte spezialisiert. So trainieren die Fernspäher unter anderem den Kampf in urbanem (Orts- und Häuserkampf), in „schwierigem“ Gelände (Gebirgs- und Winterkampf), amphibische Einsätze oder Freifall-Fallschirmsprung-Einsätze. Teile der Ausbildung werden am Ausbildungszentrum Heeresaufklärungstruppe durchgeführt. Erfahrungen und Weiterentwicklungen in Taktik und Ausrüstung werden zwischen den beteiligten Nationen am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen ausgetauscht, wo auch bis Ende 2007 die Ausbildung größtenteils stattfand.

Ausrüstung

Die Ausrüstung der Fernspähtruppe beinhaltet neben der standardisierten persönlichen Ausrüstung, spezielle (schallgedämpfte) Kurz- und Langwaffen wie P12, MP7, MP5SD, MP5k, G36K-AG36, MG4, G22 mit verschiedenen Nachtsichtoptiken, Fernmeldegerät wie verschlüsselungsfähige HF-Funkgerät, SatCom wie Iridium und optronische Ausrüstung wie Digitalkamera sowie Videokamera. Die Zusatzausstattung besteht aus einer Einsatzweste, großvolumigem Rucksack, Schlafsack trocken-kalte Klimazone, dehydrasierte Einsatzverpflegung EPa leicht, Einsatz-Sanitätsausrüstung mit Infusionen sowie Neoprenanzug, Tarnmittel, Gartenspaten und weiterer Einsatz orientierter Ausrüstung. Insbesondere die Munition und Kampfmittel wie Nebelwurfkörper DM15 machen einen erheblichen Teil der Traglast. Diese kann für einen Einsatz zwischen 35-65 kg (Kampfmittelweste: 10 kg; Rucksack: 35-50 kg; Ausrüstung an der Person und Handwaffen: 10 kg) pro Soldat betragen.

Siehe auch

Literatur

  • Christin-Désirée Rudolph: EYES ON TARGET - Die Fernspäher der Bundeswehr. Motorbuchverlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-613-02852-4
  • Sören Sünkler: Elite- und Spezialeinheiten Europas. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2008. ISBN 3-613-02853-0
  • Sören Sünkler: Die Spezialverbände der Bundeswehr. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2007. ISBN 3-613-02592-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutsches Heer: Gliederung der Fernspählehrkompanie 200 besucht am 23. Januar 2009.
  2. Christin-Désirée Rudolph: EYES ON TARGET - Die Fernspäher der Bundeswehr. Motorbuchverlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-613-02852-4

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