Albatross (1920)

Albatross (1920)

Die Albatross, ursprünglich Albatros, zwischenzeitlich Alk genannt, war ein Segelschiff, das 1920 von der staatlichen Schiffswerft in Amsterdam (Niederlande) gebaut wurde. 1960 bis 1961 wurde auf dem Schiff eine Privatschule für US-amerikanische Jugendliche durchgeführt, die neben dem Unterricht das Schiff in die Karibik segelten. Auf der Rückfahrt aus der Karibik sank die Albatross, wobei sechs Menschen – unter ihnen vier der Jugendlichen – ums Leben kamen. Als Untergangsursache nahm der Eigner und Kapitän eine Weiße Bö an, spätere Untersuchungen legten aber auch eine zu geringe Endstabilität (Fähigkeit eines schräg liegenden Schiffes, nicht zu kentern) nahe.

Die letzte Reise der Albatross wurde Grundlage von Ridley Scotts stark fiktionalisiertem Film White Squall – Reißende Strömung aus dem Jahr 1996.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Schiff wurde als zweimastiger Schoner getakelt und für eine Schiffsbesatzung von 19 Personen ausgelegt. Die Albatros, später Alk, befuhr fast zwei Jahrzehnte die Nordsee, bevor sie 1937 von der damaligen deutschen Regierung gekauft wurde. Zwölf Jahre später, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde die Albatros 1949 von der Royal Rotterdam Lloyd gekauft, um sie als Schulschiff für die Offizierausbildung einzusetzen. Ihre kompakte Größe machte sie ideal für diese Aufgabe, da die zwölf Offizieranwärter auf diese Weise von den Ausbildern und der professionellen Seemannschaft (insgesamt sechs Seeleute) gezielt unterrichtet werden konnten. Während der niederländischen Eignerschaft befuhr die Albatros primär die Nordsee und unternahm selten weitere Fahrten nach Spanien und Portugal.

Brigantine; die Albatross hatte allerdings zumindest auf ihrer letzten Reise ein Bermudasegel am Großmast und evtl. nur zwei (nicht drei) Vorsegel

Der US-amerikanische Flieger, Schriftsteller und Segler Ernest K. Gann (* 1910; † 1999) kaufte die Albatros schließlich 1956 und takelte sie zur Brigantine um. Als solche befuhr sie für fast drei Jahre den Pazifik. 1959 erwarb die Ocean Academy Ltd. von Dr. Christopher B. Sheldon und seiner Ehefrau Dr. Alice Strahan Sheldon, mit Sitz in Darien in Connecticut, das Schiff, um es erneut als Ausbildungsschiff zu nutzen. In den folgenden Jahren planten die Sheldons ein Ausbildungsprogramm in Form einer Privatschule an Bord. Bis zu 14 Schüler als Mitsegler in den Bordalltag integriert und zugleich an Bord in regulären Schulfächern unterrichtet, während sie von den Bermuda-Inseln in die Karibik und den östlichen Pazifik (Galapagos-Inseln) segeln würden. Von den angelaufenen Häfen aus sollten zusätzlich meist eintägige Ausflüge stattfinden (siehe unten für ähnliche Projekte).

Im Herbst 1960 lief die Albatross zur ersten Ausbildungsfahrt aus. Am 2. Mai 1961 wurde das Schiff etwa 125 Seemeilen westlich der Inselgruppe der Dry Tortugas – während der Überfahrt von Progreso in Mexiko nach Nassau auf den Bahamas – von einer getroffen und sank fast augenblicklich. Bei dem Unglück ertranken Alice Sheldon (Lehrerin), George Ptacnik (Smut) und die Schüler Rick Marsellus, Robin Wetherall, John Goodlett und Chris Coristine. Christopher Sheldon, der bei Eintreffen der Bö an Deck war, hielt sie für das insbesondere damals umstrittene Wetterphänomen einer Weißen Bö, also einer plötzlich auftretenden, sehr starken Bö. Kritiker dieser Sicht verweisen auf mögliche Stabilitätsprobleme der Albatross, das heißt, das Schiff habe aufgrund seiner Bauart, Takelung und Segelfläche sowie seinem relativ dazu geringen Ballast in stark geneigtem Zustand keine ausreichende Fähigkeit besessen, sich wieder aufzurichten (anstatt zu kentern); es hätte also möglicherweise keiner extremen Ausnahme-Bö bedurft, um die Albatross zu kentern (z. B. Parrott, 2000).

Nachspiel

Gesetzesänderung, Albatross-Erzählungen und ähnliche Unglücke

Obwohl die Albatross nicht unter US-Flagge gesegelt war, veranlasste ihr Verlust die US-Küstenwache, die Anforderungen an die Konstruktion und Stabilität von Segelschulschiffen zu überarbeiten. Die neuen Regeln wurden im „Sailing School Vessels Act“ von 1982 zusammengefasst.

Die letzte Fahrt der Albatross wurde 1996 von Ridley Scott unter dem Titel White Squall – Reißende Strömung (engl. für „Weiße Bö“) verfilmt. Im Gegensatz zur in weiten Teilen fiktionalen Hollywood-Version zeichnen die Erlebnisberichte von Überlebenden The Last Voyage of the Albatross (Charles "Chuck" Gieg, Schüler) und White Squall: The Last Voyage of the Albatross (engl.: Weiße Bö – Die letzte Reise der Albatross; von Richard E. Langford, Englischlehrer) ein realistischeres Bild der letzten Reise.

Ähnliche Schiffsunglücke trafen 1984 die Marques und 1986 die Pride of Baltimore, einen Nachbau historischer Baltimoreklipper. Beide kenterten mit jungen Besatzungen infolge von Böen auf hoher See. Nach Durchsicht von Dokumenten über die Schiffe wies Parrott (2000) in beiden Fällen auf mögliche Stabilitätsprobleme – insbesondere aufgrund ihrer großen Segelflächen – hin.

Ähnliche Schul- und Universitätsprojekte auf Segelschiffen

Te Vega, einer der Schoner der Flint School, 1976 bei der Operation Sail

Ähnlich der Ocean Academy auf der Albatross haben mehrere andere Projekte seither Schulunterricht bei Unterbringung auf Segelschiffen angeboten.

Die von Florida aus operierende, libertaristisch ausgerichtete Flint School (1969–1981) wurde von den Pädagogen George und Betty Stoll für 12- bis 18-jährige Schüler gegründet. Wie auf der Albatross segelten die Schüler ihr eigenes Segelschiff, steuerten internationale Häfen an und unternahmen von dort aus auch Inlandsbesichtigungen, unter anderem 1977 in Deutschland. Als Segelschiffe wurde zunächst ein, später zwei, unterschiedliche Routen befahrende Schoner eingesetzt. Ein Direktor der Flint School war der Jim Stoll, der Sohn der Gründer, der wie Christopher Sheldon mit Irving Johnson gesegelt war. Wie die Albatross waren auch die Schiffe der Flint School ausgeflaggt (Panama-Flagge).

Im Rahmen des Projekts „High School High Seas“ segeln Schüler der 11. Klasse (15–18 Jahre) der reformpädagogisch ausgerichteten Hermann Lietz-Schule Spiekeroog von Deutschland aus für mehrere Monate in die Karibik. Das seit 1993 mit wenigen Unterbrechungen jährlich durchgeführte Programm umfasst, wie die Ocean Academy und die Flint School, neben dem Schulunterricht und der Segelei auch Landausflüge. Durchgeführt wird es auf europäischen – meist deutschen – traditionellen Segelschiffen, unter anderem zwei Topsegelschonern und einer Brigg. Von 2002 bis 2007 wurde außerdem für Siebt- und Achtklässler der Schule ein vierwöchiger Englisch- und Segel-Sommerkurs auf See und in britischen Häfen („Summer High Seas High School“) angeboten.

Vergleichbare semesterlange Angebote für Universitätsstudenten vor dem Bachelor bieten das von Jim Stoll gegründete, aus Florida operierende Sea|mester und das aus Massachusetts (USA) operierende Sea Semester. Bei beiden Programmen wohnen und segeln die Studenten auf traditionell getakelten Segelschiffen und besuchen an Bord Seminare und Vorlesungen vor allem aus den Bereichen Meereskunde und Umweltwissenschaften. Sea|mester betreibt (Stand 2010) zwei Schoner (darunter der 2006 gebaute Stagsegelschoner Argo).[1] Sea Semester gehörten zeitweilig bis zu vier Segelschiffe, derzeit (Stand 2010) werden noch zwei Brigantinen betrieben.[2]

Daneben gibt es mehrere – vor allem an US-Amerikaner gerichtete – Angebote, Universitätssemester auf Kreuzfahrtschiffen zu verbringen. Dabei werden aber keine Segelschiffe eingesetzt, und die Studenten sind nicht an der Schiffsführung beteiligt (siehe z. B. Semester at Sea).

Schiffsdaten

Typ ursprünglich Schoner, später Brigantine
Rumpf Stahl
Länge 25 Meter
Breite 6 Meter
Tiefgang 3 Meter
Raummaß 93 Bruttoregistertonnen

Literatur

  • Charles "Chuck" Gieg, Felix Sutton: The Last Voyage of the Albatross. Duell, Sloan and Pearce, New York 1962. (Gieg war einer der Schüler auf der letzten Fahrt.)
  • Parrott, Daniel: Tall Ships Down – the last voyages of the Pamir, Albatross, Marques, Pride of Baltimore and the Maria Asumpta. McGraw Hill, 2003. ISBN 0-07-139092-8. (Darstellung der Geschichte und Überlegungen zum Untergang der Albatross)
  • Richard E. Langford: White Squall: The Last Voyage of Albatross. Bristol Fashion, 2000, ISBN 1-892-216361. (Langford war Englischlehrer auf der letzten Fahrt)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Our vessels S/Y Argo & S/Y Ocean Star auf den Seiten von Sea|mester (abgerufen 13. Mai 2010)
  2. About SEA Ships auf den Seiten von Sea Semester (abgerufen 13. Mai 2010)

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