Fritz Erler

Fritz Erler
US-Verteidigungsminister Robert McNamara (rechts) im Gespräch mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Fritz Erler (links) und Westberlins Regierenden Bürgermeister Willy Brandt (SPD) am 13. April 1965 in Arlington, Virginia, USA

Fritz Erler (* 14. Juli 1913 in Berlin; † 22. Februar 1967 in Pforzheim) war ein deutscher SPD-Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Beruf

Fritz Erler besuchte die Oberrealschule bis zum Abitur. Danach arbeitete er als Verwaltungsbeamter bei der Berliner Stadtverwaltung. Nebenberuflich war er Mitarbeiter der Juristischen Wochenschrift im Bereich des Steuerrechts. Nach Widerstandsarbeit wurde er 1938 aus dem Staatsdienst entlassen und 1939 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Er konnte jedoch bei einem der berüchtigten „Todesmärsche“ vom KZ Dachau aus fliehen und sich die letzten Kriegswochen in Süddeutschland versteckt halten. In einer beruflichen Übergangszeit war er Landrat in Biberach und Tuttlingen, bevor er 1949 in den ersten Bundestag gewählt und anschließend Berufspolitiker wurde.

Fritz Erler war seit 1938 verheiratet mit Käthe Erler (geb. Wiegand; † 3. Oktober 2006), die später lange Jahre Stadträtin in Pforzheim war, wo Erler bis zu seinem frühen Tod mit 53 Jahren seinen Wohnsitz hatte. Tochter von Fritz Erler ist die Familienforscherin und Unternehmerin Gisela Erler.

Partei

Bereits als Jugendlicher wurde Erler 1928 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend, deren Bezirk Prenzlauer Berg er seit 1931 leitete, wenig später auch der SPD und schloss sich der oppositionell zum SPD-Vorstand stehenden Gruppe „Neu Beginnen“ an. Im April 1933 nach politischen Differenzen aus der SPD und der SAJ ausgeschlossen, arbeitete er illegal bis zu seiner Verhaftung 1938 für diese Gruppe.

1945 beteiligte sich Erler am Wiederaufbau der SPD. Mitte der 1950er Jahre knüpfte Erler die Kontakte zur GVP von Helene Wessel und Gustav Heinemann und legte damit den Grundstein für den späteren Übertritt des Großteils von deren Mitgliedern, als sich die christlich-pazifistische Partei 1957 auflöste. Erler gehörte mit Carlo Schmid, Herbert Wehner und Willy Brandt zum „Frühstückskartell“ der SPD, das sich bis 1958 mit seinen Vorstellungen einer Parteireform durchsetzte.

1961 war er als SPD-Kanzlerkandidat im Gespräch, verzichtete aber zugunsten von Willy Brandt, der ihn in seine von Parteichef Erich Ollenhauer auf dem Parteitag am 25. November 1960 in Hannover vorgestellte Regierungsmannschaft aufnahm. Auch der auf dem Parteitag im November 1964 in Karlsruhe vorgestellten Regierungsmannschaft für den Bundestagswahlkampf 1965 gehörte Erler an. Er war jeweils als Bundesverteidigungsminister vorgesehen.

Erler als Landrat

Von 1945 bis 1946 arbeitete Erler als Landrat in Biberach. Von Juli 1947 bis Juni 1949 bekleidete er als Nachfolger von Erich Schariry das gleiche Amt in Tuttlingen. Seine Nominierung zum Tuttlinger Landrat 1947 war von einer Kampagne von CDU, DVP sowie ehemaligen Nationalsozialisten gegen seine Person begleitet. Nach Einschätzung von Jean Lucien Estrade, dem Kreisbeauftragten der Französischen Militärregierung, konnte Erler nach den Enttäuschungen von Landrat Eduard Quintenz und Erich Schariry das Landratsamt „auf Vordermann bringen,“ so dass Erler auch bei politischen Gegnern „als ausgezeichneter Organisator, intelligent und sehr aktiv“ Eindruck machte. Erler schied im Juni 1949 aus dem Amt aus, um den SPD-Wahlkampf für die Bundestagswahl 1949 in seinem Wahlkreis zu organisieren.[1]

Abgeordneter

Zwischenfrage bei der 1. Lesung der Pariser Verträge (1954)

1946 wurde Erler Mitglied in der Beratenden Landesversammlung und 1947 Landtagsabgeordneter in Württemberg-Hohenzollern. 1949 wurde er für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen in den Deutschen Bundestag gewählt, dem er bis zu seinem Tode angehörte. Bekannt wurde er dort in den Debatten durch seine scharfen Beiträge zur jüngsten deutschen Vergangenheit. Den angeblichen Mitläufern des Nationalsozialismus, die sich nun um politische Führungspositionen bemühten, empfahl er: „Wer mitläuft, kann nicht führen.“ Im Bundestag war er vor allem mit verteidigungspolitischen Fragen betraut und leitete den entsprechenden Fraktionsarbeitskreis von 1953 bis zu seinem Amtsantritt als Fraktionsvorsitzender.

1949 bis 1953 war er stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses zur Mitberatung des EVG-Vertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen. 1950 bis 1952 war er stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der im Raum Bonn vergebenen Aufträge. Von 1953 bis 1957 war Erler stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages. In den Fünfziger Jahren entwickelte er sich zu dem Experten der SPD für Verteidigungs- und Außenpolitik. Durch seine rhetorische Begabung wurde Erler einer der wichtigsten Redner der Opposition in den Redeschlachten um Adenauers Außen-, Verteidigungs- und Deutschlandpolitik, oft als Gegenpart von Kurt Georg Kiesinger und Franz Josef Strauß. So brillant seine Argumentation auch war, konnte er dennoch Adenauers Westpolitik nicht aufhalten. Diese wurde in zwei Bundestagswahlen, 1953 und 1957, von der Bevölkerung klar bestätigt.

Seit 1950 war er Delegierter des Europarates und ab 1955 gehörte er auch der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU) an und war dort 1956 Vorsitzender des Verteidigungsausschusses.

Nach dem Tod Erich Ollenhauers am 14. Dezember 1963 wurde er am 3. März 1964 zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion und somit zum Oppositionsführer gegen Bundeskanzler Ludwig Erhard gewählt, nachdem er bereits seit 1957 stellvertretender Fraktionsvorsitzender war. In dieser Funktion besuchte er auch auf einer Auslandsreise John F. Kennedy.

Mit Eintritt der SPD in die Regierung Kurt Georg Kiesingers am 1. Dezember 1966 wurde der FDP-Fraktionsvorsitzende Knut von Kühlmann-Stumm neuer Oppositionsführer.

1965 erkrankte Erler an Krebs, sodass er ab 1966 seine Geschäfte nicht mehr wahrnehmen konnte. Geschäftsführender Fraktionsvorsitzender wurde Helmut Schmidt, der das Amt nach Erlers Tod 1967 auch offiziell übernahm. Erlers Tod war für die SPD ein schwerer Verlust. Der mit 53 Jahren Verstorbene war eine große Zukunftshoffnung gewesen. So galt er nach der Erklärung Willy Brandts am Tag nach der Bundestagswahl 1965, er werde 1969 nicht mehr als Kanzlerkandidat zur Verfügung stehen, als potentieller Kandidat der SPD.

In der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, die am 1. Dezember 1966 begann, hätte er mit Sicherheit ein Ministeramt übernehmen können. Zwei Tage nach seinem Tode ehrte ihn das Parlament mit einer Trauerfeier im Plenarsaal. Er wurde mit einem Staatsbegräbnis auf dem Hauptfriedhof in Pforzheim beigesetzt.

Ehrungen

Fritz Erler erhält 1965 von Eugen Gerstenmaier das Bundesverdienstkreuz

Nach Erler ist die Kaserne in Rothwesten bei Kassel benannt, in der 1948 von alliierten und deutschen Finanzexperten die Währungsreform diskutiert und vorbereitet wurde, außerdem Straßen in verschiedenen Städten, z. B. in Berlin, Bonn, Bremen, Karlsruhe, Leverkusen oder München. In Karlsbad-Ittersbach wurde das als Parkanlage restaurierte alte Wasserreservoir ihm zu Ehren „Fritz-Erler-Höhe“ benannt.

Ebenso wurde Ende der 1960er Jahre eine Hochhaussiedlung in der Stadt Kreuztal nach ihm benannt, deren Grundsteinlegung am 22. Februar 1968 erfolgte[2]: Fritz-Erler-Siedlung. In Tuttlingen trägt die Kaufmännische und Hauswirtschaftliche Schule seit 2008 den Namen Fritz Erlers, in Pforzheim ist ebenfalls eine Schule nach ihm benannt. Am 15. Mai 1971 wurde das neugebaute Jugendheim in Gelsenkirchen-Hassel nach Fritz-Erler benannt (Fritz-Erler-Haus, Am Freistuhl 4)

Werke

  • Demokratie und bewaffnete Macht, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 1954, Heft 6, Seiten 355 - 361.
  • Das ganze Deutschland soll es sein, in: Berliner Stimme vom 4. Dezember 1954.
  • Gedanken zur Politik und inneren Ordnung der Sozialdemokratie, in: Die Neue Gesellschaft, 1958, Heft 1, Seiten 7 ff.
  • Demokratie, Autorität und Führung, in: Die Neue Gesellschaft, 1963, Heft 2, Seiten 85 - 89.
  • Demokratie in Deutschland, Stuttgart, 1965.
  • Parteien, Parlament und Regierung in der pluralistischen Gesellschaft, in: Klaus Dieter Arndt (Hrsg.), Mündige Gesellschaft. Die SPD zur Zukunft der Nation, Hannover, 1967, Seiten 77 - 86.

Literatur

  • Hartmut Soell: Fritz Erler - Eine politische Biographie, 2 Bände, Bonn, 1976.
  • Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Prenzlauer Berg und Weißensee. Band 12 der Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945. Gedenkstätte Deutscher Widerstand 2000, ISSN 0175-3592. (Darstellung der Tätigkeit Erlers im antifaschistischen Widerstand)

Fußnoten

  1. Jean Lucien Estrade: Tuttlingen April 1945 – September 1949: Die französische Militärregierung in Tuttlingen. Tuttlingen o.J., Seite 39-46, beide Zitate auf Seite 40.
  2. Zurückgeblättert... Siegener Zeitung vom 5. März 2011

Weblinks


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