Robert McNamara

Robert McNamara
Robert McNamara (1961)

Robert Strange McNamara (* 9. Juni 1916 in San Francisco, Kalifornien; † 6. Juli 2009 in Washington D.C.) war ein US-amerikanischer Geschäftsmann und Politiker. 1960 wurde er der erste Präsident der Ford Motor Company, der nicht aus der Familie Ford stammte. Er war US-Verteidigungsminister von 1961 bis 1968 und Präsident der Weltbank von 1968 bis 1981.

Inhaltsverzeichnis

Studium, Militärzeit und Ford

Robert McNamara wurde 1916 in San Francisco als Sohn des Verkaufsleiters einer Schuhgroßhandelsfirma geboren. Für ein Studium an der privaten Stanford University fehlten ihm nach eigenen Angaben die finanziellen Mittel, so dass er stattdessen an der öffentlichen Universität Berkeley Wirtschaft und Philosophie studierte. Er wurde im zweiten Studienjahr in die Vereinigung Phi Beta Kappa aufgenommen. Nach seinem Bachelor-Abschluss 1937 absolvierte McNamara das MBA-Programm der Harvard University.

Nach seinem Studium arbeitete er zunächst bei Price Waterhouse und kehrte 1940 als Dozent zurück an die Harvard, wo er u. a. auch Kontakte zum US Army Air Corps knüpfte und sich entschloss, diesem beizutreten. Dabei diente er in der USAAF im Stab des damaligen Generals Curtis LeMay als Stabsoffizier (statistical control officer). Er entwickelte mathematische Modelle für die Bombardierungen japanischer Städte mit Brandbomben mit dem angestrebten Effekt, deren Wirkungskraft bei gleichbleibenden Kosten zu erhöhen.

Am Ende seiner Militärzeit begann er 1946 eine leitende Tätigkeit bei der Ford Motor Company, da er – nach eigenen Angaben – Informationen darüber besaß, dass dort ein Mangel an akademisch gebildeten Führungskräften bestehe. Zunächst war er für die Finanzanalyse verantwortlich. Danach begann sein Aufstieg in höhere Positionen. Er wurde 1960 der erste Präsident von Ford, der kein Mitglied der Ford-Familie war. Die erfolgreiche Expansion von Ford in der Nachkriegszeit gilt in bedeutendem Maße als Verdienst McNamaras. Er galt damals als „Leuchtturm“ amerikanischen Managements und Fortschrittsglaubens.[1]

Verteidigungsministerium

McNamara mit Präsident Kennedy, Juni 1962
McNamara mit Außenminister Dean Rusk und Präsident Johnson, Februar 1968.
McNamara und General Westmoreland in Vietnam

John F. Kennedy, der neu gewählte demokratische US-Präsident, bot den Posten des Verteidigungsministers in seinem Kabinett zunächst Robert A. Lovett an, der jedoch ablehnte und seinerseits McNamara vorschlug. McNamara, ein liberaler Republikaner[2], nahm das Amt an.

Obgleich die Problemstellungen des Ministeriums für Robert McNamara zunächst völliges Neuland darstellten, gelang es ihm, sich rasch in sein Aufgabengebiet einzuarbeiten, wobei er u. a. allzu radikale Veränderungen wie die Ersetzung der Joint Chiefs of Staff durch eine einzige Person ablehnte. Viele weitere organisatorische Straffungen im Verteidigungsministerium sind ihm zu verdanken.[3] Dabei machte er sich bei den höheren Militärs nicht unbedingt Freunde, die keine Änderungen der Strukturen wünschten und diesem „Rationalisten“ mit seinem Stab junger Mitarbeiter misstrauten.[4]

Nach ihm wurde außerdem die McNamara-Doktrin zur Atomwaffen-Strategie benannt. Als Verteidigungsminister ging er mit Präsident Kennedy konform und betrachtete einen nuklearen Abschreckungsschlag oder einen präventiven Schlag nicht mehr als das einzige Mittel, um mit der Sowjetunion zum Thema Wettrüsten zu diskutieren. Er vertrat das Prinzip der Flexible Response, eines kombinierten Abschreckungsschlags und gleichzeitig eines Erstschlags, im Falle des absolut bevorstehenden Krieges, falls der Feind mit seinen Truppen jederzeit zuschlagen könnte.

Unter seiner Ägide wurde auch die Invasion in der Schweinebucht geplant, deren Trainingszentrum in Nicaragua unter Anastasio Somoza Debayle war, die die Befreiung Kubas von der Diktatur Fidel Castros zur Folge haben sollte, aber in einem Desaster endete.[3] Erfolgreich war hingegen die US-amerikanische Taktik während der Kuba-Krise, die er maßgeblich mitbeeinflusste.[5] Im Oktober 2002 trafen Fidel Castro und McNamara ein letztes Mal aufeinander, jedoch in freundschaftlicher Art und Weise.[6]

Zu den zentralen politischen Aufgabengebieten in seiner Zeit als Minister gehörte der Vietnamkrieg, der auch zu seinem Ausscheiden aus dem Amt führen sollte. Unter McNamara wurden die Truppen in Vietnam aufgestockt und die Bombardierungen immer weiter verstärkt. Unterstützt von den führenden US-Offizieren führte das schließlich zu einer Stationierung von 485.000 Soldaten bis Ende 1967 und 535.000 bis Juni 1968 unter dem Befehl von General William Westmoreland.

Mit der Eskalation der Truppenerhöhung und der Intensität der Kämpfe stiegen auch die Verluste. Entgegen der Ansicht vieler US-Offiziere setzte McNamara dabei als wesentliche Strategie der Kriegsführung auf die Statistik: Davon ausgehend, dass die Zahl der Vietkong-Kämpfer begrenzt sei, setzt er auf einen Abnutzungskrieg, an dessen Ende die Gegenseite besiegt sei. Der Erfolg dieser Strategie wurde dann an der Zahl getöteter Gegner gemessen, dem Body Count. Dieser Hang zu Statistiken und Tabellen brachte ihm im Pentagon den Namen "Computer auf Beinen" ein.[7]

Im November 1967 empfahl McNamara überraschend, die Truppenstärke einzufrieren, die Bombardierung Nordvietnams einzustellen und den Bodenkampf Südvietnam zu überlassen – was Präsident Johnson sofort zurückwies. McNamara erklärte, die von ihm jahrelang verfolgte Politik sei falsch und seine Strategie für den Krieg gescheitert. Nachdem er vorher entschlossen für den Krieg eingetreten war, war seine Position nun diskreditiert und er verlor jedwede Unterstützung, auch von Präsident Johnson. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich mehrmals am Rande des Nervenzusammenbruchs, da er sich den Medien und öffentlich den protestierenden Studenten stellte, seine Meinungen offensiv vertrat und damit zu einem der unbeliebtesten Politiker seiner Epoche wurde.[8]

Am 29. November erklärte er schließlich seinen Rücktritt, verbunden mit der Ankündigung seines neuen Postens bei der Weltbank. Nach Donald Rumsfeld ist McNamara damit der US-Verteidigungsminister mit der längsten Amtszeit und der Verteidigungsminister mit der längsten ununterbrochenen Amtszeit.

Viele Jahre später bekannte McNamara, der sich in seiner Zeit bei Ford Motors für die Einführung des Sicherheitsgurtes einsetzte: "Wäre ich doch bloß nicht Kennedys Ruf in die Politik gefolgt und damit verantwortlich geworden für unzählige Tote in Vietnam".[9] Beim Besuch des Ehrenmals der Gefallenen 1995 in Washington konnte er vor Ergriffenheit keine Worte finden.[3]

Rüstungsprojekte

1961 wurde von McNamara, drei Monate nach dessen Amtseinführung, der von seinem früheren Vorgesetzten General Curtis LeMay favorisierte B-70-Bomber auf nur noch drei Maschinen gestrichen. Das SAC hatte 250 Maschinen beantragt. McNamara schätzte die Beschaffungskosten von etwa zehn Milliarden US-Dollar als zu hoch ein und forcierte stattdessen die Einführung von günstigeren Interkontinentalraketen (ICBM). Mit LeMay geriet er auch während der Kubakrise aneinander und sorgte daraufhin dafür, dass dieser in den Ruhestand versetzt wurde.

Unter seiner Leitung wurde auch eines der bis dahin größten Beschaffungsprogramme der US-Luftwaffe beschlossen: 1965 bekam Lockheed den Zuschlag für die C-5A Galaxy, das erste Großraumtransportflugzeug seiner Klasse. Auf Grund ständig steigender Kosten wurde aber die Anzahl der Maschinen von anfangs 115 auf 81 reduziert. Gleichzeitig setzte er den Bau der F-111 durch, musste jedoch nach Tests der Maschine die Navyversion zugunsten der Grumman F-14 aufgeben, da er aus Kostenreduzierung einen Flugzeugtyp für alle Teilstreitkräfte beschaffen wollte, was endgültig im 21. Jahrhundert mit der F-35 geschehen ist.

Präsident der Weltbank

Robert McNamara am Telefon

Im April 1968 begann er, sich seiner neuen Aufgabe als Präsident der Weltbank zu widmen. McNamaras Tätigkeit in dieser Funktion dauerte bis 1981 an. In seine Amtszeit fiel die verstärkte Kreditvergabe an die Staaten der Dritten Welt mit dem Ziel, dem Phänomen der absoluten Armut ein Ende zu setzen. McNamara sah das als unabdingbare Voraussetzung, um das Aufkommen kommunistischer Bewegungen zu verhindern. Dafür setzte er auf wirtschaftliches Wachstum und die Ausstattung der Landwirtschaft der betreffenden Länder mit einer industriellen Infrastruktur. Teil dieser Politik war auch die Umsetzung der umstrittenen Grünen Revolution im Agrarbereich. Die Vergabe großzügiger Kredite für zumeist ambitionierte Projekte - wie z. B. den Bau von Staudämmen - hatte zum Ergebnis, dass die Auslandsschulden der betreffenden Staaten bislang nicht gekannte Dimensionen erreichten. Das war die Voraussetzung für die Entwicklung der Strukturanpassungsprogramme im Jahre 1979. Damit prägte er die neue Ausrichtung der Weltbank und verhalf ihr zu einem positiveren Image.[10]

Vom Falken zum Verfechter weltweiter atomarer Abrüstung

McNamara galt als "Falke", so erhöhte sich die Zahl der nuklearen Interkontinentalraketen der USA unter seiner Ägide von jeweils weniger als 100 ICBM und SLBM explosionsartig auf mehr als 1.000 bzw. über 600. Spätestens seit den 1980er Jahren änderte er auf Grund seiner gewonnenen Erkenntnisse viele seiner Ansichten. So trat er für eine bedingungslose weltweite atomare Abrüstung ein. Schon Unfälle mit atomaren Gefechtsköpfen, die ja bereits mehrmals vorgekommen waren, seien so gefährlich, dass eine weitere Nutzung zu riskant sei: Es könne trotz entsprechender Vorsichtsmaßnahmen auch zu Detonationen kommen, die ganze Landstriche verwüsten würden. In seinen 1995 erschienenen Memoiren bezeichnete er den Vietnamkrieg als furchtbaren Irrtum der damaligen US-Politik, die von ihm allerdings maßgeblich mitverantwortet war. Er war Mitunterzeichner des Global Zero Plan zur totalen atomaren Abrüstung.[1]

Den Irakkrieg verurteilte er als fatalen und moralischen Fehler, der George W. Bush anzulasten sei. War McNamara früher ein Buhmann für die Linke der Vereinigten Staaten, so wandelte er sich in seinen letzten Lebensjahren in gewisser Weise zu einem pazifistischen Vorbild. Auch Präsident Barack Obama beruft sich auf Einsichten McNamaras.[3]

Privatleben

McNamara war der Sohn von Robert James McNamara, Verkaufsmanager eines Schuhgroßhandels, und dessen Ehefrau Clara Nell Strange.

Am 13. August 1940 heiratete McNamara seine Jugendliebe Margaret Craig. Die beiden bekamen zwei Töchter und einen Sohn. Margaret McNamara starb im Februar 1981 an Krebs. Danach führte er eine Lebensgemeinschaft mit der US-amerikanischen Verlegerin Katharine Graham, die im Juli 2001 starb. Im September 2004 heiratete McNamara erneut – seine zweite Ehefrau, Diana Masieri Byfield, war eine gebürtige Italienerin.

McNamara fiel äußerlich besonders durch seine randlose Brille, das Tragen der Uhr am rechten Handgelenk und seine glatten Haare mit strengem Scheitel auf.[11]

Tod

Nach den Angaben seiner Ehefrau Diana zur Nachrichtenagentur Associated Press starb er in den frühen Morgenstunden des 6. Juli 2009 im Schlaf. Eine Todesursache wurde nicht bekanntgegeben, aber seine Gesundheit soll in der letzten Zeit durch das hohe Alter bedingt gelitten haben.[12][7][11]

The Fog of War

The Fog of War: Eleven Lessons from the Life of Robert S. McNamara ist ein 2003 von Errol Morris gedrehter Dokumentarfilm aus Interviews mit Robert McNamara. Er gewann den Oscar in der Kategorie Dokumentarfilm.

Werke

In seinem Buch Vietnam – Das Trauma einer Weltmacht, in welchem er die US-amerikanische Politik während des Vietnam-Kriegs reflektiert, gesteht er u. a. ein:

„Wir haben uns schrecklich geirrt... Amerikanische Sprühaktionen haben zu keiner Zeit zu irgendeiner tatsächlichen und dauerhaften Sicherheit Südvietnams geführt...“
Die damalige gefühlte „nordvietnamesische Gefahr“ sei während des Kalten Krieges vollkommen überbewertet worden[9]
Der Vietnamkrieg, so urteilt er im Rückblick, war „...ein furchtbarer Irrtum“[9]
Über den brisanten, aber letztendlich glücklichen Ausgang der Kuba-Krise: „Es war Glück, es war nichts als der reine Zufall“[9]
  • Original: Robert S. McNamara, with Brian VanDeMark: In Retrospect. The Tragedy and Lessons of Vietnam, Random House, Inc., New York 1995
  • Deutsch: Robert S. McNamara, Vietnam – Das Trauma einer Weltmacht, 508 Seiten, Goldmann Verlag, ISBN 3-442-12956-7, 1997

Weblinks

 Commons: Robert McNamara – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikiquote: Robert McNamara – Zitate (Englisch)

Einzelnachweise

  1. a b Robert McNamara gestorben. Vom Falken zur Taube: Zum Tod des früheren US-Verteidigungsministers. In: Die Welt. Axel Springer Verlag, 7. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  2. National Affairs: SIX FOR THE KENNEDY CABINET. In: Time. Time Inc., 26. Dezember 1960, abgerufen am 27. Oktober 2010 (englisch).
  3. a b c d Hauke Friederichs: Vom Falken zur Taube. Die Zeit, 6. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  4. David Ignatius: Der zerstörte Glaube eines Rationalisten. Brief aus den USA. Wiener Zeitung, 9. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  5. Robert McNamara ist tot. "Architekt des Vietnamkriegs" gestorben. die tageszeitung, 6. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  6. Cuban Missile Crisis. October 1962. latinamericanstudies.org, abgerufen am 27. Oktober 2010 (Indexseite zu vielen Artikeln über die Kubakrise, englisch, Zeigt auf der Indexseite ein Foto des alten McNamara mit Castro).
  7. a b Früherer US-Verteidigungsminister McNamara ist tot. Spiegel Online, 6. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  8. Andreas Geldner: Gesicht des Vietnamkriegs. Robert McNamara ist tot. Frankfurter Rundschau, 7. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  9. a b c d Fernsehbericht über McNamaras Tod. (Nicht mehr online verfügbar.) In: tagesschau.de. ARD, ehemals im Original, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  10. Früherer US-Verteidigungsminister McNamara gestorben. In: Google News. Google Inc., 6. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  11. a b Vietnam War defense chief Robert S. McNamara dies. blog.syracuse.com, 6. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010 (englisch).
  12. "Vietnamkriegs-Architekt" McNamara ist tot. Deutsche Welle, 6. Juli 2009, abgerufen am 27. Oktober 2010.

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