Gaudium et Spes

Gaudium et Spes

Die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes (GS) ("Freude und Hoffnung") über die Kirche in der Welt von heute ist ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie wurde auf dem Konzil selbst erarbeitet und am letzten Sitzungstag, dem 7. Dezember 1965, verabschiedet. Sie ist eine von vier Konstitutionen des Konzils und wird von vielen Theologen als wichtigstes Konzilsdokument angesehen.

Viele ihrer Grundzüge sind an die Enzykliken Mater et Magistra und Pacem in terris (1961/1963) von Papst Johannes XXIII. angelehnt. Fortgeführt wurden ihre Aussagen insbesondere in den Schreiben Populorum progressio und Octogesima adveniens von Papst Paul VI. und in etlichen Lehraussagen von Papst Johannes Paul II., der bereits mit seiner Antrittsenzyklika Redemptor hominis von 1979 den integralen Humanismus zum Leitbild seines Pontifikats erklärte.

Inhaltsverzeichnis

Die Entstehung

Dem II. Vatikanischen Konzil (1962 - 1965) lagen zu Beginn über 70 unterschiedlichste Arbeitsentwürfe zur Beratung vor, diese wurden im Verlauf der vier Sitzungsperioden (siehe: Zweites Vatikanisches Konzil) teilweise gekürzt, teilweise zusammengefasst oder auch gestrichen.

Der Text von Gaudium et Spes ist dagegen ein neuer Entwurf der Konzilsväter selbst, der unter dem Eindruck der Eröffnungsansprache Johannes XXIII. und auf Initiative vieler Bischöfe selbst erst während des Konzils entstanden ist. Anders als noch in Humani Generis Pius XII., einer Enzyklika, die sich aus der Perspektive der katholischen Lehre kritisch mit der Moderne der Nachkriegszeit befasste, wünschten die Konzilsväter eine positive Positionsbeschreibung. Der mahnenden, warnenden Stimme des Papsttums traute das Konzil keine hinreichende Überzeugungskraft mehr zu.

Insgesamt hat das II. Vatikanische Konzil vier Konstitutionen, neun Dekrete (Anordnungen) und drei Deklarationen (Erklärungen) beschlossen und verkündet. Eine Konstitution ist ein umfassendes Dokument, welches grundlegende Aussagen über eine Lehrfrage macht und sie möglichst vollständig darlegt. Die „Pastoralkonstitution“ Gaudium et Spes ist so ein grundlegendes Dokument über die (pastoralen) Beziehungen der Kirche zur Welt. Sie ist nicht „nur“ pastoral in dem Sinne, dass sie keine dogmatischen Aussagen macht, sondern will als Lehrdokument verstanden und befolgt werden. Die Konzilsväter haben diesen Doppelcharakter der Konstitution in der ersten Fußnote ausdrücklich festgelegt.

Die Kirche hält also an ihrem Anspruch, verbindliche Wegweisungen für das Zusammenleben der Menschen zu lehren, durchaus fest, ja sie betont ihren Anspruch sogar und weitet ihren Auftrag in weltlichen Dingen sogar noch aus, jedoch unter Anerkennung der relativen Autonomie der weltlichen Sachbereiche (Laizität).

Kurze Inhaltsbeschreibung

Als Kernaussagen können genannt werden:

  • Der Mensch ist Urheber, Mittelpunkt und Ziel des wirtschaftlichen Lebens und der Kultur, denn die Würde der menschlichen Person gründet in der Gottesebenbildlichkeit.
  • Die menschliche Person ist auch Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen. Die Kirche weiß sich mit allen Menschen darin verbunden; daraus entwickelt sich der Auftrag im Dienst an anderen, eine humane Gesellschaft zu gestalten.
  • Die Kirche braucht den offenen Dialog mit der Welt, um - lehrend wie lernend - die Zeichen der Zeit zu erkennen und ein Gemeinwohl, im weltweiten Kontext, nach Gottes Ordnung anzustreben.
  • Dieses setzt die Kenntnis der Situation des Menschen in der heutigen Welt voraus, wobei die gegenwärtig starken Wandlungen zu berücksichtigen sind. Trotzdem ist die Kirche an keine besondere Form der Kultur und kein besonderes gesellschaftliches, wirtschaftliches oder politisches System gebunden, sondern eine Entität sui generis.
  • Es wird ausgesagt, dass die Demokratie die Regierungsform im Staat ist, welche ihrer Struktur nach den Staatsbürger die günstigsten Voraussetzungen für die Entfaltung von Initiativen und Gemeinsinn bietet (Ein monarchisches Staatsoberhaupt steht dem nicht im Wege, wenn dieses keine autoritäre Regierungsform legitimiert). Autoritäre Staatsmodelle stützt die Kirche nicht mehr, insbesondere dann nicht, wenn diese totalitäre Ideologien verbreiten. Daher können in konkreten Situationen auch Christen zu unterschiedlichen politischen Lösungen kommen, aber man muss im offenen Dialog zur Klärung der Fragen einen Grundkonsens (im Sinne der katholischen Soziallehre) miteinander wahren.
  • Zum Thema Arbeit wird ausgeführt, dass sie Vorrang vor allen anderen Faktoren des wirtschaftlichen Lebens hat. In Folge dessen hat der Staat Vorsorge gegen einen Missbrauch des privaten Eigentums zu treffen, wenn es in Widerspruch zum Gemeinwohl tritt.
  • Gaudium et spes billigt das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung, tritt aber gleichzeitig vehement für die Forderung nach einer internationalen friedenschaffenden Autorität ein: Der Krieg sei völlig zu untersagen (insbesondere Nr. 82).
  • Den Laien ordnet die Kirche den eigenverantwortlichen Platz für die weltlichen Aufgaben und Tätigkeiten zu; ihnen obliegt die Aufgabe, dem bürgerlichen Leben das Gebot Gottes einzuprägen. Notwendig hierbei ist die Grundsatztreue in Verbindung mit einer situationsbezogenen Sachgerechtigkeit.

Würdigung

Alles in allem hat Gaudium et spes einen derart anspruchsvollen Weltauftrag der Kirche formuliert, dass es im Rückblick nicht überrascht, dass sich von diesem faszinierenden Profil vielerorts in der Praxis vor allem der Eindruck einer „Selbstentmachtung“ des Klerus und der Hierarchie festgesetzt hat. Dabei wird seitens der Kritiker verkannt, dass die Situationsanalyse des Konzils, nämlich dass das kirchliche Lehramt in den 1950er Jahren weithin als „Stimme ohne Tragweite“ (d'Hospital) empfunden wurde, gerade durch die nachkonziliare Krise eine massive Bestätigung erfahren hat.

Etliche Theologen und kirchliche MitarbeiterInnen leiten aus der Pastoralkonstitution her, dass in der Kirche selbst politische Partizipation und eine diskursive Ethik vonnöten seien. Die intendierte Stärkung des pastoralen Amtes, indem es sich fortan im Weltauftrag auf die Sachkunde der Laien stützt, steht vielerorts, zumindest in Europa, noch zu erwarten.

Kritik

Bisweilen wird „Gaudium et Spes“ als zeitverhaftet und antiquiert erachtet. So bemerkte der Philosoph Robert Spaemann 2009 in einem Interview: „Denken Sie an die Erklärung „Gaudium et spes“. Sie ist in den sechziger Jahren entstanden, als große Utopien existierten und die Hoffnungen auf die Technik und die befreiende Wirkung der modernen Wissenschaft bestanden. Diese Hoffnungen sind schnell zusammengebrochen und zwar nicht in der Kirche, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Wenn Sie heute junge Leute fragen, ob sie glauben, dass es ihren Kindern in Zukunft besser geht als ihnen, dann hören Sie fast nur die Antwort Nein. Das ist einmalig. Die Jugend war normalerweise immer zukunftsoptimistisch. „Gaudium et spes“ atmet einen Geist, der eigentlich vollkommen passé ist (…)"[1]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [1]

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