Gestaltungsmissbrauch

Gestaltungsmissbrauch

Als Steuerschlupfloch wird umgangssprachlich die legale Möglichkeit bezeichnet, die Bemessungsgrundlage einer Steuer durch Ausnutzung von Regelungslücken zu reduzieren.

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung und Begriff

Der Begriff Steuerschlupfloch ist ein politisches Schlagwort. Eine einheitliche Definition ist daher schwer zu treffen. Weiterhin ist der Begriff Steuerschlupfloch wertend. Eine neutrale Bezeichnung wäre „Steuersparmöglichkeit“.

Illegale Steuerreduzierung ist Steuerhinterziehung und stellt kein „Steuerschlupfloch“ im Sinne dieses Artikels dar.

Bei der legalen Steuergestaltung kann unterschieden werden in

Umgangssprachlich werden diese gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten oft als „Steuerschlupfloch“ bezeichnet (frei nach dem Motto: „Steuerschlupfloch ist, was die anderen absetzen können und mir nicht gefällt.“).

In einem engeren Sinn ist ein Steuerschlupfloch eine legale Möglichkeit, Steuern zu sparen, indem eine Gesetzeslücke genutzt wird. Dies kann entweder eine fehlende Detailregelung des Steuerrechts sein oder eine Regelung, die der Gesetzgeber eigentlich für einen anderen Zweck geschaffen hatte, z.B. die Eigenheimzulage für Genossenschaftswohnungen oder die Steuerfreiheit der Sonntags-, Feiertags und Nachtzuschläge, die für Schichtarbeiter gedacht war, aber auch von gut verdienenden Profi-Sportlern genutzt wird. Es ist zu beobachten, dass der Gesetzgeber auf die Nutzung der „Steuerschlupflöcher“ regelmäßig mit neuen Gesetzen reagiert. So wurde z. B. die Höhe der steuerfreien Sonntagsarbeitszuschläge begrenzt.

Einer der bekanntesten und schärfsten Kritiker des deutschen Systems der Unternehmensbesteuerung ist Lorenz Jarass. Er greift vor allem die Steuergesetzgebung für Konzerne an.[1]

Steuerschlupfloch und Gestaltungsmissbrauch

Ein wesentliches Instrument der Finanzbehörden, Steuergestaltungen zu überprüfen (und damit Steuerschlupflöcher zu schließen) liefert § 42 Abgabenordnung (AO). Danach liegt Gestaltungsmissbrauch vor, wenn der Steuerpflichtige eine rechtliche Gestaltung zum Zwecke der Steuervermeidung wählt, die wirtschaftlich unangemessen ist (vgl. auch BStBl 2000 II 224, 1990 II 113). Das Finanzamt wird in einem solchen Fall die Steuer so festsetzen, wie sie entstanden wäre, wenn eine wirtschaftlich angemessene Gestaltung gewählt worden wäre.

Gesetze zur Schließung von Steuerschlupflöchern

Nahezu mit jedem Jahressteuergesetz wird versucht, „Schlupflöcher“ zu schließen.

  • Einführung des Begriffs der Finanzinnovation zur Vermeidung der Umwandlung (steuerpflichtiger) Zinszahlungen in (steuerfreie) Kursgewinne
  • Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen (2004)[2]
  • Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen (2006)[3]

Steuerschlupflöcher für Privatpersonen

  • die Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
  • das Geltendmachen von Verlusten aus Medienfonds
  • Schiffsbeteiligungen und Windparks (durch die Einführung des § 15 b EStG im Jahr 2005 sind geschlossene Fonds mit steuerlichen Anfangsverlusten (Steuerstundungsmodelle) praktisch abgeschafft worden
  • die 1 %-Regelung für die Privatnutzung von Firmen-Pkw.

Steuerschlupflöcher für Unternehmen

Nutzung unterschiedlicher nationaler Steuergesetze

International auftretende Unternehmen können die unterschiedlichen nationalen Steuergesetze und Doppelbesteuerungsabkommen zur Reduzierung ihrer Steuerlast nutzen. Generell wird hierbei versucht, Gewinne der Konzerngesellschaften in Ländern mit hohen Steuersätzen zu Gunsten der Gewinne von Konzerngesellschaften in Niedrigsteuerländern („Steueroasen“) zu reduzieren. Hierzu werden hauptsächlich zwei Instrumente eingesetzt: Die Finanzierung durch Kredite von Konzerngesellschaften aus Niedrigsteuerländern statt Eigenkapital und die Nutzung von überhöhten Verrechnungspreisen zwischen den Gesellschaften.

Die Zahlung von Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen für Leistungen anderer Konzerngesellschaften unterliegt einer strengen Überwachung durch die Steuerbehörden. Grundsätzlich müssen diese Verrechnungspreise marktgerecht sein, um vom Fiskus anerkannt zu werden. Siehe hierzu: Zins- und Lizenzrichtlinie.

Um eine Kontrolle zu ermöglichen, verpflichtet die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung die betroffenen Unternehmen, die Grundlagen der Kalkulation der Verrechnungspreise aufzuzeichnen. So besteht die Möglichkeit einer Überprüfung der Marktgerechtigkeit im Rahmen der Betriebsprüfung.

Das Vorgehen ist seit dem Jahr 2005 in einem Erlass des Bundesfinanzministeriums (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren) geregelt.

Nutzung der unterschiedlichen Besteuerung verschiedener Gesellschaftsformen

Das deutsche Steuerrecht besteuert unterschiedliche Gesellschaftsformen unterschiedlich. So kann ein Wechsel der Rechtsform steuerliche Vorteile bringen. Das gleiche gilt für die Übertragbarkeit von Verlusten vergangener Geschäftsjahre. Diese sind über eine gewisse Zeit auf Gewinne der Folgejahre anrechenbar. So kann der (steuerliche) Verlustvortrag einer Mantelgesellschaft genutzt werden, indem dieser Mantel auf eine Firma mit Gewinnen verschmolzen wird. Auch dem Mantelkauf sind allerdings steuerlich enge Grenzen gesetzt. Mit der Unternehmensteuerreform 2008 wird die Mantelkaufregelung durch eine neue Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften in einem gesonderten § 8c KStG ersetzt.

Sonstiges

Auch die sofortige Absetzbarkeit von Anschaffungskosten für Umlaufvermögen bei der Einnahmenüberschussrechnung kann ein derartiges „Steuerschlupfloch“ darstellen.

Das Dividendenstripping war bis zur Abschaffung des Anrechnungsverfahrens ein beliebtes „Steuerschlupfloch“.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Beitrag aus Monitor vom 30. Juni 2005
  2. Zur Verwendung des Begriffs „Steuerschlupfloch“ in diesem Zusammenhang siehe z.B. Focus vom 6. Mai 2005.
  3. Zur Verwendung des Begriffs „Steuerschlupfloch“ in diesem Zusammenhang siehe z.B. Manager Magazin vom 16. Februar 2006.
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